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Matthias Claudius
Theo-Poet mit volksliedhafter Verskunst

Matthias Claudius, wurde 1740 in Reinfeld in Holstein geboren: Er hatte evangelische Theologie und Jura studiert und wurde vor allem als Journalist und Dichter bekannt. Besonders in seinen Liedern - wie "Der Mond ist aufgegangen" - kommen seinen religiös empfundenen Naturbetrachtungen zum Ausdruck. Vor 200 Jahren, am 21. Januar 2015, ist er gestorben.

Von Joachim Hildebrandt | 05.01.2015
    Eine Ausgabe der Bibel nach Übersetzung Martin Luthers.
    Neben dem Nachdenken über Sterben und Tod haben Claudius auch immer wieder seine religiös empfundenen Naturbeobachtungen beschäftigt. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    "Der frühe Tod des Bruders trifft ihn hart und er steht unter dem Druck, eine Rede anlässlich dieses Todes zu verfassen, indem er das Sterben des Bruders beschreibt, andererseits das menschliche Schicksal des Altwerdens, des Vergehens und des endgültigen Verlöschens."
    Während Matthias Claudius zusammen mit seinem nur ein Jahr älteren Bruder Josias in Jena Theologie studiert, erkrankt Josias 1759 an Pocken und stirbt.
    Der evangelische Theologe Hans-Jürgen Benedict:
    "Es geht ihm darum, dass er herausfinden möchte, was Gott eigentlich dazu sagt. Es nicht der Wille Gottes, dass jemand so früh stirbt, aber es passiert."
    Das Unbegreifliche und Unfassbaren des Todes wird ihn von nun immer wieder beschäftigen und nicht mehr loslassen. In Jena studierte Matthias Claudius neben Theologie auch Jura. Nach seinem Studium wird er in Wandsbek bei Hamburg Redakteur der Tageszeitung "Wandsbeker Bote". 1772, mit 32 Jahren, heiratet er dort die 17-jährige Anna Rebekka Behn.
    Ganz im Sinne des Namens der Zeitung versteht Claudius sich auch selbst als ein Bote, der über die großen und kleinen Dinge berichten möchte. Auf der Titelseite der Zeitung schreibt er einmal:
    "Ich bin ein Bote und nichts mehr, was man mir gibt, das bring ich her, gelehrte und polit'sche Mär von Ali Bey und seinem Heer."
    Der Schriftsteller Matthias Claudius (1740 bis 1815)
    Der Schriftsteller Matthias Claudius (1740 bis 1815) (picture alliance / dpa)
    Mit Ali Bey ist der damalige ägyptische Statthalter gemeint und andere politische Ereignisse aus aller Welt, Welt, die auf den ersten drei Seiten berichtet wurden. Die "gelehrte" Mär, die er anspricht, bezog sich auf die vierte Druckseite der Zeitung, für die zum Beispiel Schriftsteller wie Klopstock und Johann Georg Jacobi schrieben. Matthias Claudius stand auch in regelmäßigem Austausch mit Johann Gottfried Herder und Gotthold Ephraim Lessing. Mit Herder war er befreundet und schrieb über ihn:
    "Herder ist ein Mensch von sonderbarem Geist und von einem Herzen, was wie Steinkohle glüht – still, stark und dampficht."
    Hans-Jürgen Benedict:
    "Herder erwies sich auch als ein guter Freund, weil er dem Claudius, der nicht so sehr lebenspraktisch war und es bis dahin nicht geschafft hatte, außer der Redakteursstelle, eine feste Stelle zu bekommen, unter die Arme griff, indem er ihm beispielsweise die Stelle eines Landkommissarius in Darmstadt verschaffte, auch immer sehr darauf drängte, dass seine materielle Situation zufriedenstellend war."
    Nachdem der Wandsbeker Bote 1775 eingestellt worden war, hatte Herder erkannt, dass Claudius mit seiner Familie finanziell in eine äußerst schwierige Situation geraten war. Doch die vermittelte Anstellung in Darmstadt sagte Claudius nicht zu, schon bald ging er wieder zurück nach Wandsbek, wo er nun unter dem Namen der ehemaligen Zeitung "Wandsbeker Bote" damit begann, seine Gedichte und seine anderen Schriften zu veröffentlichen. Den ersten Band widmete er "Freund Hain", damit war der Tod gemeint, der auf dem Umschlag als Skelett mit einer Sense dargestellt ist.
    "Diese Widmung ist wirklich etwas ganz Erstaunliches. Ich würde sagen, jeder Zeitgenosse sollte das mal lesen, weil er sich mit dieser Frage auseinandersetzt: Wie sollen wir uns den Tod vorstellen? Er stellt ihn sich als Freund Hain vor, so wie er auf manchen Abbildungen zu sehen ist."
    Neben dem Nachdenken über Sterben und Tod haben ihn auch immer wieder seine religiös empfundenen Naturbeobachtungen beschäftigt. So schreibt er zum Beispiel über die biblische Schöpfungsgeschichte:
    "Gott knüpft seine Offenbarung an die Morgenröte, das schönste und freundlichste Bild unter dem Himmel, das allen Völkern auf Erden aufgeht und sie jeden Morgen an die Offenbarung und an ihren Schöpfer erinnern könnte."
    "Das ist vielleicht etwas, das uns verloren gegangen ist. Natürlich haben wir eine Naturempfindung, wir empfinden einen Sonnenaufgang auch schön, die Morgenröte etwa im Winter, wenn alles so wunderbar erleuchtet ist. Er sagt, diese Morgenröte erinnert eigentlich an die Schöpfung der Welt durch Gott."
    Schwärmerei über die Natur
    Aber auch die Betrachtung des Mondes hatte für ihn eine ähnliche emotionale Bedeutung, wie das zum Beispiel auch in seinem bekannten Lied "Der Mond ist aufgegangen" deutlich wird.
    "Er ist im Sinne von Dorothee Sölle tatsächlich ein Theo-Poet. Das hat sie ja gesagt, wir müssen von Gott sehr viel poetischer reden und können uns da auch gewagter Bilder oder Naturbilder bedienen. Und können dabei durchaus auch schwärmerisch werden. Diese Schwärmerei, die Claudius jetzt mit dem Mond hat oder mit der Frau Luna, er redet sie ja auch mal als Frau an, den Mond, die ist etwas sehr Schönes, die ihm das Herz öffnet und auch uns, wenn er so vertraut mit dem Mond redet."
    Matthias Claudius, der als Familienvater 11 Kinder zu versorgen hatte, führte ein Leben, das durch Genügsamkeit und Bescheidenheit geprägt war:
    "Gott gibt dem Sperling auf dem Dach. Wie sollt er mir's nicht geben. Soviel ich darf zum Leben."
    "Es ist ein poetischer, christlicher Existenzialismus. Ich danke Gott für die Gabe des Lebens. Aus der Gabe des Lebens ergibt sich alles Weitere. Ich habe etwas geschenkt bekommen. Wir feiern das zu Weihnachten. Das sagt er ja auch noch. Wie das Kind zur Weihnachtsgabe freue ich mich, wo uns Christus geschenkt wird. Und diese erste Gabe, würde man mit dem französischen Philosophen Paul Ricoeur sagen, die setzt die zweite Gabe aus sich heraus, wie wir uns untereinander als Menschen geben, als Fürsorgende, als Arbeitende."
    Gottgewollte Weltordnung
    Matthias Claudius hatte die Vorstellung von einer gottgewollten Weltordnung. Die Französische Revolution lehnte er ab, weil Königtum, Kirche und Adel durch sie angegriffen wurden. Er war mit seinen politischen Ansichten konservativ, oft sogar restaurativ, indem er im König und im Adel eine von Gott eingesetzte Herrschaftsordnung sah.
    Im Laufe der Zeit nahm er auch eine immer stärker werdende ablehnende Haltung gegenüber den Ideen der Aufklärung ein, zumal von ihr auch manche protestantischen Theologen beeinflusst wurden.
    "Mit Kants Kritik der Gottesbeweise, mit ersten Infragestellungen des Gottesglaubens war auch eine neue Zeit angebrochen, wo der Mensch sich autonom bestimmte und wo er versuchte, dieses ständische Denken, eingefügt in Ordnungen, die nicht angetastet werden dürfen, zu überwinden. Insofern war die Französische Revolution, auch mit dem Königsmord, etwas Schreckliches, andererseits etwas, was dem menschlichen Autonomiebedürfnis entsprach."
    In der späteren Phase seines literarischen Schaffens wurden die religiösen Themen immer häufiger.
    "Was für ihn kennzeichnend ist, ist ein gewisser Jenseitstrost. Dass er in Gedichten, aber auch in Briefen, im persönlichen Austausch, wenn er vom Tod erfährt, zum Beispiel eines Kindes oder eines geliebten Menschen, sagt, zum Festhalten ist dieses Leben nicht gemacht, sagt er einmal einer Tochter, als der ein Kind stirbt. Und er einer Frau schreibt er einmal: Ihr kleiner Junge ist gestorben, aber er ist sozusagen wie ein Vogel von einem Garten in den anderen geflogen und Sie werden ihn wiederfinden."
    Matthias Claudius bejaht das Leben und hat zugleich eine große Hoffnung auf das Jenseits, die durch den Anblick der Sterne und des Mondes genährt wird. Eine Sehnsucht nach etwas Unerfülltem. In seinem wohl bekanntesten Lied "Der Mond ist aufgegangen" heißt es an einer Stelle:
    "Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen, und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehen."