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Mauerbau vor 57 Jahren
Wie die Teilung nachwirkt

Knapp drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer ist die Teilung Deutschlands in einigen Regionen noch zu spüren. Auch wenn das Thema Ost-West bei vielen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern keine Rolle mehr spielt, ist der Unmut über unterschiedliche Bezahlung immer noch groß.

Von Silke Hasselmann | 13.08.2018
    Ein verwitterter Grenzpfosten der DDR auf dem Gelände des Grenzdenkmals in Hötensleben an der früheren innerdeutschen Grenze.
    Grenzpfosten auf dem Gelände des Grenzdenkmals in Hötensleben an der früheren innerdeutschen Grenze: Das Thema Ost-West spielt bei vielen Menschen keine Rolle mehr - es sei denn, es geht ums Gehalt (dpa / Jens Wolf)
    Manfred Frommholz ist alt genug, um sich an den Mauerbau 1961 zu erinnern und daran, wie in der Bundesrepublik über eine baldige Wiedervereinigung mit der DDR gedacht wurde:
    "Man glaubte das ja nicht. Das war so über die Jahrzehnte entzweit, dass man nicht mehr realistisch an eine Wiedervereinigung in unserer Lebenszeit gedacht hat."
    Nachdem aber die Mauer gefallen war, stand für den damaligen Beamten aus dem westfälischen Münster fest: Ab in den Osten! Genauer gesagt in das neugegründete Land Mecklenburg-Vorpommern, wo er zunächst nur zwei, drei Jahre beim Aufbau des Wirtschaftsministerium helfen wollte.
    "Das heißt also, ich habe im Plattenbau gewohnt. Ich habe Trabi gefahren. Dann hat es sich aber so ergeben, dass wir uns sehr, sehr wohlgefühlt haben hier, so dass es dann die Überlegung gab: 'Wir gehen ganz hierher'."
    Er und seine Frau bauten in Pinnow, einem Dorf vor den Toren des Landeshauptstadt Schwerin. Voriges Jahr pensioniert, sind die beiden inzwischen wieder zurück nach Münster gezogen. Aus rein privaten Gründen, sagt der 66-Jährige, und nicht etwa, weil sie immer noch bzw. wieder Mauern in den Köpfen der Ostdeutschen vorgefunden hätten.
    "Da sind keine neuen Mauern entstanden. Vielleicht im Einzelfall mal. Aber im Großen und Ganzen: Nein."
    Niedriger Osttarif in vielen Berufen
    Eines hatte Manfred Frommholz während seiner aktiven beruflichen Zeit freilich mitbekommen: Trotz gleicher Arbeit und identischer Eingruppierung wurden in den Landesministerien und -behörden Ost- und Westkollegen unterschiedlich hoch besoldet - ein steter Quell des Unmutes. Mittlerweile spielt die Herkunft bei Beamten keine Rolle mehr, wohl aber noch bei den Angestellten des öffentlichen Dienstes, berichtet zum Beispiel die 30-jährige Polizistin Anne Rubel, die erst unlängst ihren Rückkehrtraum erfüllte und nun für die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern statt für Niedersachen arbeitet.
    "Ich glaube, bei uns Beamten merkt man das gar nicht mehr so genau. Also ich habe ja jetzt gewechselt und habe letztendlich das Gleiche raus was ich vorher auch hatte. Das sind, glaube ich, Eurobeträge, wo man nicht mehr drüber redet. Bei den Angestellten hört man das öfter noch, dass es Ost- und Westunterschiede gibt. Aber bei uns eigentlich nicht."
    Dass Mecklenburg-Vorpommern im sogenannten "Lohnkeller" verharrt, weil die hiesigen Arbeitnehmer mit durchschnittlich 27.000 Euro Jahresbrutto die deutschlandweit niedrigsten Gehälter beziehen (80 Prozent des Bundesdurchschnitts), wundert Anne Rubel übrigens nicht. So gebe es zum Beispiel in den ohnehin schlecht bezahlten sozialen und pflegerischen Berufen oft noch den niedrigeren Osttarif.
    "Die machen den gleichen Job und kriegen weniger Geld"
    "Das hört man ja schon öfter mal. Gerade so 45, 50 Jahre alt. Meine Mutti zum Beispiel hat das auch, dass da immer noch Unterschiede gemacht werden zwischen den Gehältern. Es ist dann letztendlich für die ungerechtfertigt - na klar. Die machen den gleichen Job und kriegen weniger Geld."
    Ansonsten spielen weder die Zeit der real existierenden Mauer noch das Thema Ost/West eine große Rolle in ihrem Leben, sagt Anne Rubel. Anders als bei ihren älteren Polizeikollegen. "Man merkt das schon. Also gerade bei der Generation ab 55 plus, die noch Ost und West kennengelernt haben. Es kommen immer mal Sticheleien. Es gibt auch die, die in ihrem Kopf sehr, sehr starr sind, was das Denken betrifft. Aber unsere Generation ist da relativ frei von 'Ost und West', kann man schon sagen."
    Derweil verbindet die 52-jährige Ärztin Jeanette Voß noch sehr viele lebendige Erinnerungen an die Zeit der Mauer. Die gebürtige Leipzigerin durfte aus politischen Gründen kein Abitur machen, geschweige denn Medizin studieren. Im Juni 1989 ausgereist, holte sie im Westen alles nach. Dass sie nun mit Mann und zwei Kindern im ostdeutschen Mecklenburg lebt, habe sie nie bereut, sagt Jeanette Voß. Apropos: Interessieren sich die Kinder für DDR, Teilung, Mauer?
    "Also man merkt schon, die sind jetzt 13 und 14. Irgendwann wird es so kommen, dass sie sagen: 'Mensch Mama, Du immer mit Deinen Geschichten!'. Sie wissen, wie es war - allein durch meine Geschichte, die ja nicht ganz einfach war, und auch die Folgen, die das teilweise hatte für mich auch. Aber das war es dann auch schon."