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Mauerstücke als Kunstwerke

Die CIA hat eins, der Cognac-Clan Hennessy, George W. Bush Senior und das Museum of Modern Art. Sie alle besitzen ein Stützwandelement UL 12-11. Vulgo ein Segment der Berliner Mauer, 3,60 Meter hoch und 1,20 Meter breit, 2750 Kilogramm schwer. Und auch im kleinen polnischen Örtchen Sosnowka, unweit von Breslau, stehen Dutzende Mauerelemente auf der grünen Wiese.

Von Wojtek Mroz und Ernst-Ludwig von Aster | 29.07.2009
    Die Berliner Mauer in Kreuzberg im Jahre 1962.
    Die Berliner Mauer in Kreuzberg im Jahre 1962. (Deutschlandradio)
    Schäferhund Max bellt und zerrt an der Kette. Bewacht einen weiß getünchten Stall. Friedlich grasen davor einige Pferde auf der Koppel. Neben drei Beton-Segmenten der Berliner Mauer. Land-Idylle mit Mauer-Teilen. In dem kleinen polnischen Örtchen Sosnowka, rund 40 Kilometer von Breslau entfernt:

    "Problem war natürlich der Transport , ... das hat ziemlich viel gekostet. Aber ich habe in Polen jemanden gefunden, der konnte das zwei-, dreitausend billiger als hier, Und da haben wir die ersten Stücke schon im Oktober 1990 nach Sosnowka transportiert."

    Ludwig Wasecki grinst. Wenn er sich daran erinnert, wie er die ersten Segmente von Berlin nach Sosnowka schaffte. In das 200-Seelen-Dorf in der schlesischen Provinz:

    "Der Transport ist hängen geblieben am Grenzübergang. Es war der erste Transport von Mauerstücken. Die haben alles transportiert. Aber keine Mauerstücke. Aber nach zwei, drei Stunden konnte man fahren."

    Insgesamt 41 Mauer-Segmente stehen heute in dem kleinen Örtchen. Das sei die größte Kollektion in Europa, sagt Wasecki. Sein ganz persönliches Mahn- und Denkmal. 1973 flüchtet der Zahnarzt von Polen nach Schweden. Fortan kann er seine Eltern nur noch in Ost-Berlin treffen. Feiert dort mit ihnen Weihnachten und Ostern. 1979 zieht Wasecki nach West-Berlin. Die Mauer hat er nun jeden Tag vor Augen. Nach Polen darf er immer noch nicht reisen. Seine Eltern muss er weiter in Ost-Berlin treffen.

    "Die ganze Erinnerung, die ganzen Treffen mit der Familie, damit verbunden schöne Momente und schlechte Momente mit Grenzsoldaten. Und als vor 20 Jahren die Mauer gefallen ist, war meine erste Reaktion: Du musst was machen. Das war sofort meine erste Reaktion..."

    Mauerstücke als Kunstwerke, das ist seine Idee. Geschichte im Großformat. Die Mauer als Mahn- und Denkmal. 1990 rollt die erste Lieferung nach Sosnowka. 1991 kommen dann bei einer Versteigerung in Monte-Carlo weitere Mauerstücke unter den Hammer ...

    "Die Firma Limex hat Auktion gemacht, da sind sehr, sehr viele Mauerstücke haben die nach Monte Carlo gebracht. Und alles verkauft. Aber viele Käufer haben die Anzahlung gemacht. Und später nicht gekauft. Das war mein Glück. Weil wertvolle Mauerstücke sind zurück nach Berlin gekommen."

    Und da wartet Wasecki. Übernimmt auch diese Segmente zum Schnäppchenpreis:

    "Eine Woche später bin ich hingefahren mit meinem Range Rover, da bin ich zwischen 30-40 Mauerstücken gerannt, das, das das und das. Erste Aktion, neun Stück, zweite acht Stück ..."

    Ein silberner Opel biegt von der Landstraße in Sosnowka ab, rollt langsam den Sandweg entlang, stoppt vor dem riesigen Mauer-Monument. Ein grau melierter Rentner lässt die Scheibe herunter:

    "Wir freuen uns ! Durch die Mauer ist unsere Gegend schöner geworden. Nicht nur, das wir hier oft schönes Wetter haben. Jetzt haben wir auch noch die Mauer. Hätte jemand vor 40 Jahren gesagt, 'die Mauer fällt', hätte ich gesagt, er ist verrückt. Aber es ist passiert. Und angefangen hat alles mit unserer Solidarnosc-Bewegung ... ."

    Das sieht Ludwig Wasecki genauso. Ohne Solidarnosc kein Mauerfall. Ohne Polen keine deutsche Wende. Während in Berlin die Mauer abgerissen wurde, hat er sie in Sosnowka wieder aufgebaut. Als Mahnmal. Und Kunstwerk. Das mittlerweile in ganz Polen bekannt ist. Neulich erst bekam er einen Anruf aus Gniezno, der alten polnischen Bischofsstadt.

    "Die wollten ein Mauerstück für Gniezno, als Symbol wollten die das, die nennen das Weg der Freiheit, die ganze Installation."

    Der "Weg der Freiheit" soll in Gniezno an die friedlichen Revolutionen in Osteuropa erinnern. Ein Mahnmal in der alten polnischen Hauptstadt, wo sich vor mehr als 1000 Jahren der deutsche Kaiser und der polnische König zur Verständigung trafen. Da konnte Wasecki einfach nicht "Nein" sagen. Demnächst werden zwei seiner Mauerstücke auf die Reise gehen:

    "Diese Installation wird in zwei, drei Monaten da stehen. Da bin ich ganz stolz, dass das da stehen wird ... ."