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Maulkorb für italienische Journalisten?

Mit einem neuen Gesetz sollen Medien, die abgehörte Telefonate oder andere Ermittlungsergebnisse vor Ende eines Prozesses veröffentlichen, mit hohen Geld- und Haftstrafen belegt werden. Kritiker fürchten, dass Korruption nun schlechter bekämpft werden kann.

Von Thomas Migge | 22.05.2010
    Ein abgehörtes Telefonat. Das Callgirl Patrizia D’Addario spricht mit ihrem Zuhälter über Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi und dessen Vorlieben im abendlichen Umgang mit netten Damen. Das Gespräch wurde von der Staatsanwaltschaft abgehört, weil gegen den Zuhälter in Sachen Korruption ermittelt wird.

    Dieses abgehörte Telefonat weist nach, wie Berlusconi Druck auf einen Manager der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt RAI macht, damit bestimmte regierungskritische Journalisten endlich mundtot gemacht werden.

    Immer dann, wenn Staatsanwälte Telefonate abhören lassen, ist nicht ausgeschlossen, das deren Inhalt den Medien bekannt wird. Das ist Usus in Italien und gefällt vor allem jenen Politikern nicht, die besonders häufig in diesen Telefonaten vorkommen. Und das sind nun einmal seit einiger Zeit vor allem Regierungspolitiker und ihre Freunde: nachweislich korrupte Bauunternehmer, Richter, Steuerberater etc. Dass diese Leute korrupt sind, weiß Italiens Öffentlichkeit, weil sie über die meisten der brisanten Ermittlungen der Polizei durch die Medien informiert werden. Das wird bald vorbei sein, denn mit einem neuen Gesetz sollen diejenigen Medien, die abgehörte Telefonate oder andere Ermittlungsergebnisse vor Ende eines Prozesses veröffentlichen, mit hohen Geld- und auch Haftstrafen belegt werden. Dazu Stefano Rodotà, einer der angesehensten italienischen Verfassungsrechtler:

    "Das ist ein schwerer Angriff auf unsere Presse- und Informationsfreiheit, denn den Italienern soll untersagt werden, sich über laufende Prozesse zu informieren. Das ist aber gerade bei uns sehr wichtig, weil wir ein Land sind, das immer korrupter wird. Wenn jetzt die Medien über Ermittlungen und Prozesse in diesem Bereich nicht mehr berichten dürfen, nun, dann ist das Bürgerrecht der Information in Gefahr."

    Die Gegner des Gesetzes verteidigen eine italienische Eigenart der Informationsfreiheit, die so in anderen EU-Staaten nicht unbedingt existiert. Staatsanwälte und Richter geben an die Medien Ermittlungsinhalte weiter, die dann gleich veröffentlicht werden. So ist auf der einen Seiten die Bevölkerung informiert - auch über Dinge, die für einen Prozess irrelevant sind, wie im Fall des Callgirls und Berlusconis - auf der anderen Seite aber kann die öffentliche Meinung auf laufende Verfahren Einfluss nehmen: oftmals werden Verdächtige oder Personen, gegen die ermittelt wird, schon vor einer eventuellen Verurteilung in den Medien als Kriminelle vorgeführt. Aus diesem Grund boxt die Regierung ein Gesetz durch das, so wird argumentiert, die Privatsphäre von Verdächtigen bis zum Prozessende schützen soll. Justizminister Angelino Alfano:

    "So haben jene Bürger, gegen die ermittelt wird, endlich mehr Rechte und es wird nicht überall über sie berichtet. Auch die Dauer abgehörter Telefonate wird verkürzt. Das Abhören soll nur noch bei ganz wichtigen Ermittlungen möglich sein. Das Parlament wird uns da Recht geben."

    Schon deshalb, weil Berlusconi Partei die Mehrheit hat.

    Die Gegner des Gesetzes hoffen nun in letzter Instanz auf den Staatspräsidenten. Damit der ein Machtwort spricht und das neue Gesetz als verfassungswidrig erklärt.