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Maus-Experiment
Streit über Stammzellen im Eierstock

Stammzellen im Eierstock - gibt es sie oder gibt es sie nicht? Seit Jahren tobt darüber ein heftiger Streit in der Fachwelt. Ein Biologe aus den USA hatte laut einer Studie angeblich Stammzellen im Eierstock einer Frau aufgespürt. Ein Reproduktionsbiologe von der Uni Göteborg hat nun eine Studie mit Mäusen vorgelegt, die das Gegenteil belegen soll.

Von Marieke Degen | 16.03.2015
    Ein Portrait von einer braun-grauen Feldmaus, die in die Kamera schaut. Ihre Ohren sind aufgestellt und sie sitzt auf den Boden.
    Das Experiment mit Mäusen soll eine jahrelange Debatte zwischen Forschern beenden. (imago/SKATA)
    Die Studie, die 2012 im Fachblatt "Nature Medicine" erschien, klang nach einer Sensation: Jonathan Tilly, ein Biologe aus den USA, hatte Stammzellen aufgespürt - im Eierstock der Frau. Jonathan Tilly sagte damals im Deutschlandfunk:
    "Wir haben gezeigt, dass diese Stammzellen im Eierstock existieren, und dass sie neue Eizellen hervorbringen können. Möglicherweise könnten wir die biologische Uhr – die bestimmt, wann eine Frau in die Menopause kommt – in Zukunft beeinflussen."
    Stammzellen im Eierstock einer Maus?
    Stammzellen im Eierstock. Gibt es sie, oder gibt es sie nicht? Seit Jahren tobt darüber ein heftiger Streit in der Fachwelt. Alles begann im Jahr 2004. Damals hatte Tilly zum ersten Mal Stammzellen isoliert - im Eierstock der Maus. Und schon damals hatten andere Forscher so ihre Zweifel daran, dass diese Zellen tatsächlich existieren. Einer davon ist Kui Liu, ein Reproduktionsbiologe von der Universität Göteborg.
    "Wir glauben, dass Tilly die Daten überinterpretiert hat, dass seine Leute zwar irgendetwas gefunden haben, aber die Bedeutung größer dargestellt haben, als sie eigentlich ist. Das zweite Problem ist, dass wir die Stammzellen im Eierstock von Mäusen selber nicht isolieren konnten. Deshalb dieser Streit. Keine Seite will sich von der anderen überzeugen lassen."
    Jetzt hat Kui Liu eine neue Studie vorgelegt, die die Debatte endgültig beenden soll.
    "Wir wollten herausfinden, ob Mäuseweibchen im Laufe ihres Lebens tatsächlich neue Eizellen hervorbringen können. Wir haben deshalb bei jungen Mäuseweibchen alle Eizellen farblich markiert und sie später, am Lebensende, noch einmal untersucht. Wenn die Mäuse im Laufe ihres Lebens wirklich neue Eizellen hervorgebracht hätten, hätten wir im Eierstock Eizellen finden müssen, die nicht farbig markiert sind. Das war aber nicht der Fall."
    Was bedeutet, dass im Mäusekörper keine neuen Eizellen mehr gebildet worden sind, sagt Kui Liu.
    "Nach dem aktuellen Stand der Dinge würden wir sagen, dass es keine Stammzellen im Eierstock gibt, die neue Eizellen generieren könnten."
    Mäuse sind keine Menschen
    Ist der Fall damit abgeschlossen? Nicht ganz. Mäuse sind keine Menschen. Und es gibt einige Forscher, die die Stammzellen im Eierstock von Menschen gefunden haben. Eine davon ist Evelyn Telfer von der Universität Edinburgh. 2014 sagte sie dem Deutschlandfunk:
    "Diese Zellen können isoliert werden, aus den Eierstöcken von Frauen. Im Moment wissen wir einfach noch nicht genug darüber, um zu sagen: Sie sind hilfreich, oder: Sie sind unnütz."
    Schon vergangenes Jahr hatte Evelyn Telfer gesagt, es sei gut möglich, dass die Stammzellen im Körper stillgelegt sind und von sich aus keine neuen Eizellen hervorbringen können. Aber wer weiß: Vielleicht gelingt es eines Tages, die Zellen außerhalb des Körpers heranreifen zu lassen - zu gesunden Eizellen.
    "Dann könnten wir damit vielleicht Frauen helfen, die sonst unfruchtbar sind."
    Die Debatte um die Stammzellen im Eierstock sei für sie noch lange nicht vorbei, schreibt Evelyn Telfer jetzt in einer E-Mail. Für Kui Liu dagegen schon.
    "Für mich hat sich die Sache erledigt. Ich werde keine Energie, Zeit und Geld mehr in die Frage investieren. Ich habe gezeigt, dass die Zellen nicht existieren. Warum sollte ich weitermachen."