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Max Weber
Soziologe aus Leidenschaft

Max Weber lebte in einer Zeit der Epochenbrüche, er war ein eminent politischer Kopf und debattierfreudig bis zur Streitsucht. Vor 150 Jahren wurde der Begründer der modernen Soziologie geboren.

Von Jochen Stöckmann | 21.04.2014
    Studenten sitzen in einem Hörsaal der Universität Koblenz-Landau
    Weber war ein debattierfreudiger Hochschullehrer, predigte aber nicht von oben herab. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    "1919 hat Max Weber die beiden mächtigen Reden gehalten: 'Wissenschaft als Beruf', 'Politik als Beruf'. Dokumente seines großartigen denkerischen und ethischen Rigorismus."
    Theodor Heuss – selber Politiker und Sozialwissenschaftler in einer Person – lenkte 1949 in einer seiner ersten Reden als Bundespräsident die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums auf Max Weber. Ein Soziologe und eminent politischer Kopf, dessen kaum überschaubares Werk für einschlägige Zitate herhalten musste wie etwa das "Bohren dicker Bretter" oder "Verantwortungs-" kontra "Gesinnungsethik". Heuss aber, der den 1920 früh verstorbenen Max Weber noch persönlich kennen gelernt hatte, verwies auf grundlegende Einsichten, etwa zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik:
    "Es war das Bedürfnis eines Mannes von eigener, höchster politischer Leidenschaft, dass er die Universität freihalten wollte von dem Hereinströmen der politischen Belehrungen und Suggestionen. Er hat das Wort, das höhnende Wort von den Kathederpropheten damals gebraucht."
    Weber stammte aus einer bildungsbürgerlichen Familie
    Sich als wahrsagender Experte oder Verfechter ethisch-moralischer Werte vor einen politischen Karren spannen zu lassen, das kam für diesen Wissenschaftler nicht in Frage. Mit Max Weber – Jurist, Rechtshistoriker und Nationalökonom, schon als Gymnasiast verblüffend belesen – betrat eine ganz andere Art von Akademiker die Bühne: Er predigte nicht vom Katheder herab, was zu tun sei, sondern untersuchte erst einmal "Die Lage der ostelbischen Landarbeiter" oder die "Psychophysik industrieller Arbeit". Auf diese "objektiven" Analysen stützte der bis hin zur Streitsucht debattierfreudige Hochschullehrer sein politisches Engagement. Webers Devise:
    "Praktisch-politische Stellungnahme und wissenschaftliche Analyse ... ist zweierlei. Wenn man in einer Volksversammlung über Demokratie spricht, so macht man aus seiner persönlichen Stellungnahme kein Hehl. Gerade das: deutlich erkennbar Partei zu nehmen, ist da die verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Im Hörsaal dagegen ... wird man, wenn etwa von 'Demokratie' die Rede ist, deren verschiedene Formen vornehmen, sie analysieren in der Art, wie sie funktionieren, feststellen, welche einzelnen Folgen für die Lebensverhältnisse die eine oder andere hat."
    Die in jeder Hinsicht bürgerlichen "Lebensverhältnisse" des am 21. April 1864 in Erfurt geborenen Max Weber waren geprägt durch eine wohlhabende Verwandtschaft. Der Vater, hauptamtlicher Stadtrat, war einer der ersten "Berufspolitiker" – allerdings nur auf kommunaler Ebene. Ein typischer Vertreter jenes ökonomisch saturierten Bildungsbürgertums, das sich unter dem Bismarck-Regime auf häusliches Glück und das eigene Seelenheil beschränkte. Heftig kritisiert von Webers Onkel, dem liberalen Publizisten und Historiker Hermann Baumgarten.
    Markige Worte zum Ersten Weltkrieg
    Inmitten dieser tiefgreifenden Konflikte aufgewachsen, wurde Max Weber mit regelrechten Epochenbrüchen konfrontiert. Im Ersten Weltkrieg verteidigte der Offizier der Reserve Deutschland mit markigen Worten. Bei Kriegsende 1918 ernüchtert, unterzog er die im Eifer der Propagandaschlacht verwendeten Schlagworte einer Prüfung:
    "Nur ein politisch reifes Volk ist ein ‚Herrenvolk': ein Volk heißt das, welches die Kontrolle der Verwaltung seiner Angelegenheiten in eigener Hand hält ... Das hatte sich die Nation durch die Art, wie sie auf die politische Herrschergröße Bismarcks reagierte, verscherzt. Ein einmal herabgewirtschaftetes Parlament ist nicht von einem zum anderen Tage wieder emporzubringen."
    Abgerungen hat der Soziologe diese Erkenntnisse nicht zuletzt seinem eigenen "Leben zwischen den Epochen", so der Titel der jüngsten Max-Weber-Biografie von Jürgen Kaube:
    "Er versucht die Welt zu verstehen, die gerade im Entstehen begriffen ist in seinem Leben – die moderne Welt. Die industrialisierte Welt, die urbanisierte Welt. Die Welt, die von Wissenschaft und Technik sehr stark bestimmt ist und von der Entzauberung, also dem Zurückdrängen von Magie, wie er das formuliert. Von aufstrebender demokratischer Herrschaft, die dann aber jederzeit kippen kann in autoritäre Regime."