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Mays Wirtschaftspolitik
Eine Tory im Labour-Mantel?

Die designierte britische Premierministerin Theresa May wird gerne mit Margaret Thatcher verglichen - die einst die Macht der Gewerkschaften brach. Zu Unrecht: Denn Mays wirtschaftspolitische Leitsätze muten sozialdemokratisch an.

Von Sandra Pfister | 12.07.2016
    Theresa May wird wohl die Nachfolge David Camerons als britischer Premier antreten (07.07.2016)
    Theresa May wird wohl die Nachfolge David Camerons als britischer Premier antreten. (imago)
    Theresa May hat in den vergangenen Jahren einiges dafür getan, als Hardlinerin zu gelten, stramm auf dem rechten Flügel der Tory-Partei. Das war allerdings nicht an wirtschaftspolitischen Äußerungen festzumachen, wohl aber an einer dezidierten Anti-Immigrationspolitik. Außerdem wollte sie als Innenministerin die Europäische Menschenrechtscharta aufkündigen.
    Wirtschaftspolitisch hatte sie bislang wenig Profil, aber das, was sie gestern gezeigt hat, kurz bevor klar war, dass sie jetzt das Rennen machen wird, wirkte wie bei der Labour-Party ausgeborgt: "Wir wollen, dass Großbritannien ein Land für alle wird. Die Wirtschaft soll für alle da sein. Jeder soll seinen Anteil am Reichtum des Landes haben. Reich und arm, Nord und Süd, jung und alt, Mann und Frau. Mit guter Ausbildung oder ohne." Wachstum, sagte sie später in ihrer Rede in der Downing Street, Wachstum sei bislang eher den wenigen Privilegierten zugutegekommen als den Durchschnittsbriten. Das müsse sich ändern.
    "Sie will sich ganz deutlich in der Mitte verorten"
    Und dann kam, für eine Tory-Frau, noch mehr Erstaunliches: "Wenn ich Premierministerin werde, ändern wir das System. Nicht nur Verbraucher werden in Aufsichtsräten sitzen, sondern auch die Beschäftigten." Außerdem sagte May, in Zukunft sollten Shareholder die Bezahlung von Führungskräften stärker überwachen. Und die Spitzengehälter sollten öffentlich gemacht und regelmäßig mit dem Durchschnittgehalt der Angestellten verglichen werden. "Ich will mehr Transparenz. Bonus-Ziele müssen offenliegen, und das Verhältnis zwischen dem Gehalt des CEO und dem durchschnittlichem Einkommen."
    Das hätte eins zu eins auch ein linker Labour-Politiker sagen können. Kamal Ahmed, Wirtschaftskorrespondent der BBC, ist erstaunt, wie radikal die künftige britische Premierministerin nach links rückt – und damit im Zentrum landet. "Moment mal, diese Sprache kenne ich doch. 2011 hat Ed Milliband auf der Konferenz der Labour-Party gesagt, dass die Wirtschaft reformiert werden muss. Er sagte, er sei nicht gegen Business, aber gegen Business as usual. Theresa May benutzte eine Menge seines Vokabulars heute. Sie will sich ganz deutlich in der Mitte verorten. Und sie hat sich selbst eine saftige wirtschaftliche Herausforderung verordnet."
    Vergleich zu Merkel näher als zu Thatcher
    Ganz überraschend kommt diese Rückkehr zu einer gemäßigteren, arbeitnehmerfreundlichen Wirtschaftspolitik allerdings nicht. May war auf der progressiven Seite der Tories gestartet. Und ihre legendäre Rede, in der sie 2002 die Tory-Partei als "nasty" bezeichnete, als fies und gemein, die bezog sich nicht nur auf das Verhalten der Tories untereinander, sondern auch auf ihre kalte, neoliberale Wirtschaftspolitik. Zwar hat auch sie Privatschulen und Oxford hinter sich, ist also Teil der Elite, aber viele verweisen auch auf ihre bescheidenere Herkunft – als Pfarrerstochter. Und da liegt dann eher der Vergleich zu Angela Merkel als der zu Maggie Thatcher auf der Hand.