Donnerstag, 25. April 2024

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Meckel: Wahlen sollen Referendum für Putin werden

Der SPD-Außenpolitiker Markus Meckel hat die Duma-Wahlen in Russland als "ersten Akt eines großen Schauspiels" bezeichnet. Dabei gehe es darum, wie Wladimir Putin seine Macht auch nach Ablauf seiner Amtszeit als Präsident im März erhalten könne. "Ich scheue mich sogar, das Wort Wahlen überhaupt in den Mund zu nehmen", sagte Meckel.

Moderation: Jürgen Zurheide | 01.12.2007
    Jürgen Zurheide: Wir wollen jetzt bei diesem Thema bleiben - die Aussichten auf die Wahlen in Russland -, und wir wollen dieses Thema bereden mit Markus Meckel, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses für die SPD im Bundestag. Guten Morgen, Herr Meckel!

    Markus Meckel: Einen schönen guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Meckel, zunächst einmal, wie frei sind denn aus Ihrer Sicht die Wahlen in Russland?

    Meckel: Also ich scheue mich sogar, das Wort Wahlen überhaupt in den Mund zu nehmen, weil ich denke, was wir hier erleben, ist ein großes Schauspiel oder der erste Akt eines großen Schauspiels, wie Putin sich die Macht erhält, nur dass das Drehbuch unbekannt ist. Und weil das Drehbuch unbekannt ist, ist das Ganze so spannend. Es ist einfach die Frage, Putin kann nicht das dritte Mal kandidieren für die Präsidentschaftswahl, die im März ist, und insofern wird jetzt vieles vorgelagert, wie die konkreten Schachzüge sein werden, und da wird er einfach fühlen, klappt es mit der Zustimmung mit dieser großen Propagandamaschine.

    Zurheide: Das heißt, wir haben vorhin mit unserem Korrespondentenkollegen Baag über dieses Thema gesprochen. Er hatte die Einschätzung, je nach Wahlbeteiligung wird es möglicherweise unterschiedliche Züge in diesem Schachspiel geben. Sehen Sie das ähnlich, wenn die Wahlbeteiligung hoch ist, dann ist es ein klares Votum pro Putin, wenn sie niedriger ist, wird er vielleicht anders reagieren. Stützen Sie diese Analyse?

    Meckel: Ich würde das stützen, weil ich wirklich glaube, dass es hier nicht auf die Abgabe der Stimmen ankommt. Es ist völlig klar, dass "Einiges Russland", wo Putin dann eben jetzt auch seine Spitzenkandidatur erklärt hat, dass die mit einer großen Mehrheit in die Duma kommen. Dann gibt es die zweite Kreml-Partei, das muss man sich einmal vorstellen, wo vom Kreml her sozusagen zwei Parteien - die eine mehr rechts orientiert, die andere mehr links orientiert - gegründet wird. Dass die hineinkommt, ist klar. Außerdem die Kommunisten, die ja insgesamt das ganze System anfechten und für falsch halten, und eben die Nationalisten mit Schirinowski, die sich liberaldemokratisch halten. Das weiß man heute alles schon. Da geht es um ein paar%e. Insgesamt kommt es, glaube ich, drauf an, dass die ganze Stimmung dahin geschafft wird, dass dies auch selber ausgedrückt würde, dass es ein Referendum für Putin sein soll. Und jetzt muss man spüren, wie es klappt, und danach wird man die Strategie für den zweiten Akt machen, im März.

    Zurheide: Aber welche Chancen haben wir im Westen, haben wir als Deutsche, auf Russland einzuwirken, und wie müssen wir damit umgehen? Härter auftreten, die Bundeskanzlerin hat von der strategischen Partnerschaft gesprochen, dann findet sie manchmal deutliche Worte, wie ist da Ihre Haltung? Wie sollte man den Russen begreiflich machen, was geht und was nicht geht?

    Meckel: Ich stimme der Kanzlerin völlig zu, und zwar in beiden Punkten. Zum einen muss man deutlich die Dinge benennen und nicht einfach so tun zum Beispiel, als wären es Wahlen und wir würden jetzt gespannt auf das Wahlergebnis warten. Wir sollten den undemokratischen Charakter dessen, was da geschieht, deutlich benennen und auch kritisieren, mit all den Übergriffen auf die Opposition, die Beschränkungen, bis hin zu den Verhaftungen, die wir ja eben erlebt haben. Das Zweite ist, dass aber natürlich genauso völlig klar ist, dass im internationalen Bereich wir mit Russland zusammenarbeiten müssen, weil die Stimme Russlands - und sei es im Sicherheitsrat, aber auch sonst als internationaler Akteur - wichtig ist. Und mit internationalen Akteuren muss man arbeiten, wenn man Interessen verfolgt, und wir müssen unsere internationalen Interessen gemeinsam und im Rahmen der Europäischen Union verfolgen. Und das geht natürlich nicht anders, als dass man mit Russland redet und versucht, partnerschaftlich Probleme zu lösen. Und insofern müssen wir hier versuchen, das auch möglichst verbindlich zu tun. Ich glaube, dass es deshalb wichtig ist, dass wir als EU auch diesen Vertrag weiter neu aushandeln, der jetzt lange blockiert worden ist. Also das ist beides gleichzeitig zu tun, aber bitte nicht die Augen verschließen vor den Problemen innerhalb Russlands.

    Zurheide: Aber ist das nicht schwierig, und ist diese Gratwanderung nicht oft auch so gefährlich, dass man nur noch das eine tut, dass man dann doch sagt, na ja, die Russen sind groß und mächtig, sie liefern uns die Energie, und auf den Rest, na ja, da gucken wir nicht so genau hin.

    Meckel: Diese Gefahr besteht immer wieder, und manche sind ihr ja auch erlegen. Aber deshalb ist es wichtig, das beides immer deutlich zu sehen. Russland ist im Augenblick natürlich besonders stark durch die Energiepreise, durch die Bedeutung der Energiezufuhr für Europa. Hier haben wir ja auch unsere Interessen, wofür wir Russland brauchen. Hier müssen wir aber auch deutlich machen, dass wir einerseits daran interessiert sind, dieses fair zu gestalten, aber dass wir eben nach einer möglichen Diversifizierung suchen, das heißt, auch woanders Energie zu erhalten, was nicht so leicht möglich sein wird. Das heißt, wir brauchen die Klarheit des Ausdrucks dessen, was geschieht, die klare Analyse, dürfen hier auch unsere Meinung nicht dem Berg halten, müssen zu unseren Werten stehen, auf der anderen Seite die Kooperation mit Gelassenheit und Stringenz, aber auch mit Verbindlichkeit weiterverfolgen.

    Zurheide: Das war Markus Meckel für die SPD im Bundestag und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Dankeschön für dieses Gespräch.