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Mecklenburg-Vorpommern
Bald Schluss mit dem NPD-Boykott in Schwerin?

Seit zwei Wahlperioden sitzt die NPD im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern. Und erfährt dabei einen Beinahe-Boykott durch alle anderen Landtagsfraktionen. Doch die AfD hat bereits angekündigt, sich mit den NPD-Anträgen auseinandersetzen zu wollen - sollte sie ins Schweriner Schloss einziehen.

Von Silke Hasselmann | 01.09.2016
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    Noch läuft das NPD-Verbotsverfahren, das Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Caffier (CDU) mitangestrengt hat - doch Karlsruhe hat noch nicht entschieden. (Jens Büttner dpa/lmv)
    Seit ihrem Einzug ins Landesparlament 2006 haben sich NPD-Abgeordnete rund 750 Ordnungsrufe eingehandelt. Redner der anderen Parteien zusammen nur rund 100.
    Spitzenreiter: NPD-Fraktionschef Udo Pastörs. Vor allem in der ersten fünfjährigen Legislaturperiode wurde er 27 Mal des Saales verwiesen. 34 Mal wurde ihm das Rederecht entzogen, weil er sich faschistoid oder rassistisch äußerte. Dazu kamen 202 Ordnungsrufe. Zuletzt etwas ruhiger geworden, reichte es für Sprüche wie diesen immer mal wieder:
    "Der neueste Traum von dem Altkommunisten Holter - haben wir gehört - ist, dass die ganze Welt ständig in einer Party lebend miteinander Freude hat. Was sind Sie für ein Dummkopf? Sie müssten es doch besser wissen."
    "Herr Abgeordneter ...(Unruhe im Saal)...Herr Abgeordneter Pastörs, Sie haben nicht das Recht, hier andere Abgeordnete zu beleidigen. Ich erteile Ihnen für die Beleidigung des Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE einen Ordnungsruf."
    Landtagspräsidentin Silvia Bretschneider (SPD) ging stets besonders rasch dazwischen, mitunter zu forsch. Wann immer die NPD-Abgeordneten einen Eingriff in ihre parlamentarischen Rechte juristisch beklagten, gab das Landesverfassungsgericht Greifswald ihnen Recht.
    Derweil ist Bretschneiders Vorgehen nur Teil einer Verabredung, die seit zehn Jahren gilt, und die LINKE-Chef Helmut Holter mitinitiiert hat:
    "Also wir haben ja jetzt seit zwei Wahlperioden die NPD im Landtag. Dazu hatten wir uns mit den demokratischen Fraktionen immer verabredet, keinen Wahlvorschlag und auch keinen Antrag der NPD zu unterstützen. Das ist der sogenannten 'Schweriner Weg'."
    Veranstaltungen mit NPD-Beteiligung werden boykottiert. Auf einen NPD-Antrag antwortet stets nur ein Redner, der für alle Fraktionen spricht und sich mit der Ablehnung in der Regel kurz hält. Landesparteichef und Parlamentsmitglied Stefan Köster winkt ab.
    NPD-Chef Köster: "Knallhart politische Arbeit für unser Volk tätigen"
    "Nach außen gerichtet macht es uns die Arbeit einfacher als NPD, weil die Fronten - in Anführungsstrichen - "geklärt" werden. Und auch die politischen Ansichten werden noch deutlicher herausgearbeitet. Und ansonsten spielt es für uns keine große Rolle. Wir sind nicht im Landtag als NPD, um irgendwie Freundschaften zu finden oder zu binden, sondern um knallhart politische Arbeit für unser Volk zu tätigen."
    Die NPD-Fraktion konzentriere sich vor allem darauf, das Handeln der SPD-CDU-Landesregierung sowie der Verwaltung zu kontrollieren, sagt Köster. Das Mittel der Wahl: Große und Kleine Anfragen, die die Regierung grundsätzlich wahrheitsgemäß beantworten muss.
    NPD-Routine sind die Anfragen zu Polizei- und Feuerwehreinsätzen in Asylbewerberheimen, aber auch zu Straftaten im Zusammenhang mit rechten Musikveranstaltungen und zum Linksextremismus in Mecklenburg-Vorpommern. Hauptempfänger der NPD-Fragen: Innenminister Lorenz Caffier. Genauso lange im Amt wie die NPD im Schweriner Landtag, ist der CDU-Mann erkennbar genervt. Man nehme den Blick auf das vorige Jahr:
    Innenminister Lorenz Caffier: NPD schürt Hass und Angst
    "Schauen Sie, wenn ich 156 Kleine Anfragen kriege, zu genau dem gleichen Thema mit dem gleichen Sachverhalt auf jeden Ort des Landes bezogen, dann zeigt das, dass die NPD überhaupt kein Interesse an der fachlichen Auseinandersetzung hat, sondern dass sie nur Material sammeln will, um Unzufriedenheit, um Hass, um Angst zu schüren."
    Damit die NPD künftig weder an parlamentarische Instrumente noch an eine staatliche Parteienfinanzierung kommen kann, hatte Innenminister Caffier das jetzt laufende, zweite NPD-Verbotsverfahren mitangestrengt. Noch hat Karlsruhe nicht entschieden, ebenso wenig die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern.
    Doch sollte es die NPD am Sonntag abermals in den Landtag von MV schaffen und legal bleiben, wird der "Schweriner Weg" als einheitliches Projekt zu Ende sein.
    "Wir sind der Meinung, wenn man die NPD offen angegangen wäre in einem vernünftigen Diskurs, hätte man sie viel schneller weghaben können."
    Sagt Thomas de Jesus Fernandes. Er ist AfD-Kreisvorsitzender für Schwerin-Westmecklenburg und tritt am Sonntag als Direktkandidat an. Er hat bereits Erfahrungen mit der NPD gesammelt - im Kreistag von Ludwigslust-Parchim.
    Keine Zusammenarbeit der AfD mit der NPD
    "Jeder Redebeitrag, auch wenn er erst mal vernünftig anfängt, ufert dermaßen aus ins extrem Völkische. Die wollen den Nationalsozialismus zurück. Wir haben das im Kreistag immer so gemacht, dass wir das argumentativ zerlegen konnten, und haben das in entsprechenden Redebeiträgen dann auch kundgetan, anstatt - wie die anderen Parteien - nicht darauf einzugehen und nur irgendeine Rede zu halten. Und ich denke, wir werden uns, wenn sie reinkommen sollten, genauso im Landtag verhalten."
    Und auch dies war - zumindest für diesen AfD-Politiker - bislang klar.
    "Wir haben mit der NPD wirklich nichts gemeinsam. Es gibt keine Zusammenarbeit. Gab's nicht. Gibt's nicht und wird es nicht geben."