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Mecklenburg-Vorpommern
Es brennt weiter bei Lübtheen

Für den größten Brand in der Geschichte von Mecklenburg-Vorpommern gibt es bislang noch keine Entwarnung. Vier der Dörfer, die unmittelbar an das Brandgebiet auf dem munitionsverseuchten Ex-Truppenübungsplatz bei Lübtheen grenzen, sind mittlerweile evakuiert.

Von Silke Hasselmann | 02.07.2019
In Mecklenburg-Vorpommern, Hohen Woos, schützen Feuerwehrleute Häuser, deren Bewohner das Gebiet verlassen mussten, während Rauch in den Abendhimmel steigt
Die Feuerwehr ist pausenlos im Einsatz - der Waldbrand bei Lübtheen hat sich rasend schnell ausgebreitet (picture alliance/dpa/Philipp Schulz)
Gestern Abend: Lange Autoschlange an der Polizeisperre auf der Landstraße, die nach Trebs und Alt Jabel führt. Also in jene Dörfer, die seit der Evakuierung Montagnacht verwaist sind.
Polizist: "Also: Sie fahren jetzt vor nach Trebs, richtig?"
Ehepaar im Auto: "Ja, nach Trebs."
Polizist: "Sie fahren vor. Kollege kommt hinterher. Einer steigt aus und geht ins Haus. Sie machen alles so schnell wie möglich, und dann geht's zurück."
Mann: "Alles klar."
Die Dorfbewohner mussten innerhalb von zehn Minuten Haus, Hof und ihre Tiere verlassen. Nun, so erklärt es Polizeisprecher Steffen Salow im NDR-Fernsehen, dürfe einer nach dem anderen die Sperre passieren und begleitet von einem Einsatzwagen für eine halbe Stunde zum Hof fahren.
"Unter einer gewissen Maßgabe, dass wir hier auch gewährleisten, dass nur Berechtigte ihre Tiere füttern und nicht auch andere Leute eventuell dazwischen kommen und Eigentum oder auch Tiere gefährden. Deswegen machen wir das, dass wir die Leute auch begleiten bis zu ihren Häusern und sie ihrem Anspruch der Versorgung der Tiere auch nachkommen können."
650 Menschen sind betroffen
So dürfte es heute weitergehen. Vier der Dörfer, die unmittelbar an das Brandgebiet auf dem munitionsverseuchten Ex-Truppenübungsplatz grenzen, sind mittlerweile evakuiert. Etwa 650 betroffene Menschen fanden Unterschlupf bei Verwandten oder Freunden, in Mehrzweckhallen benachbarter Orte oder in Pflegeheimen. Sah es gestern zeitweise so aus, als würden die Flammen einen Ring um das Dorf Alt Jabel schließen, sei diese Gefahr vorerst gebannt, erklärte Landrat Stefan Sternberg gestern Abend. Und auch, "dass erste Flächen mittlerweile ausgehen, also abgebrannt sind, es aber trotzdem sich mittlerweile brennend um 470 Hektar handelt. Wir haben ständig drehende Winde. Wir reden rein immer noch davon, dass wir die Gemeinden schützen und das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger hier behüten."
Hunderte Feuerwehrleute aus Mecklenburg-Vorpommern und dem benachbarten Niedersachsen sind in 6-Stunden-Schichten im Einsatz. Sie sollen vor allem das Übergreifen des Feuers auf die Ortschaften verhindern und nässen dafür unentwegt den Boden. Bundeswehr und Bundespolizei sind mit Löschhubschraubern über dem Brandgebiet im Einsatz, dem sich ansonsten außer einem Löschpanzer niemand weiter als 1000 Meter nähern darf. Das insgesamt 6.000 Hektar große Ex-Militärgelände bei Lübtheen war von den 1930er Jahren bis 2015 als Schieß- und Manöverplatz verwendet worden.
Mehr noch: Hier hatte die Marine der Wehrmacht ihr Munitionshauptlager unterhalten. Als es 1945 gesprengt wurde, sei die Munition nicht vollständig explodiert. Noch heute gehe Gefahr von Munition aus, die im Boden verborgen sei, erklärt Landesumweltminister Till Backhaus gestern. Probebohrungen hätten bis zu 45 Tonnen Explosivstoff pro Hektar zutage gefördert.
Löschpanzer von privaten Anbietern
Mit herkömmlicher Löschtechnik ist da wenig auszurichten, weiß auch Landesinnenminister Lorenz Caffier. Er hatte nach den zahlreichen Bränden im vorigen Trockensommer eine neue Feuerwehrbedarfsplanung für Mecklenburg-Vorpommern in Gang gesetzt und war zu dem Schluss gekommen, dass in Mecklenburg-Vorpommern niemand einen eigenen Löschpanzer brauche. Bei Gefahr im Verzug könne man solche Löschpanzer wie gehabt bei privaten Anbietern ordern. Nun - angesichts des größten Brandes in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns, der sich zudem auf einem munitionsbelasteten Gebiet abspielt - sagt der CDU-Politiker:
"Sicherlich wird man sich später gemeinsam die Frage stellen müssen: Wie stellt sich Deutschland grundsätzlich für Brände mit so einer Gefahrenklasse auf? Nicht das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, nicht der Landkreis Ludwigslust-Parchim oder Vorpommern-Rügen, sondern wir stellen wir uns grundsätzlich für solche Gefahrenlagen in Deutschland auf und was muss da möglicherweise für Technik vorgehalten werden? Das ist aber nicht heute und nicht morgen der Gegenstand. Jetzt muss aktuell die Situation vor Ort bekämpft werden. Das wird sehr professionell gemacht, und da wird auch nach wie vor alle Unterstützung von Land und Bund gegeben."
Löschhubschrauber gegen die Flammen
Ab acht Uhr wird die Zahl der Löschhubschrauber von Bundespolizei und Bundeswehr auf acht verdoppelt. Zwar erzeugen Hubschrauber mit ihren Rotoren zusätzlich Wind, der bei niedrigem Fliegen das Feuer eher noch anfachen könnte. Dennoch erklärte Landrat Sternberg die damit einhergehende Entscheidung:
"Dass wir uns gegen Löschflugzeuge stellen, denn wenn ein Löschflugzeug fliegt, können keine Hubschrauber mehr fliegen, und wir sind mit acht Hubschraubern bei der Größe des Brandgebietes einfach effektiver, was die Bekämpfung angeht. Wir haben heute in Abstimmung mit den Kameraden, was die Höhen angeht usw., eine gute Lösung gefunden, dass es auch Wirkung zeigt."