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Mecklenburg-Vorpommern
Mangelhafte Ausstattung der Feuerwehr

Knapp 26.000 Männer und Frauen sind in 950 Feuerwehren von Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Nicht sehr viel in einem so großen Land mit vielen Wäldern, Seen und weiten Wegen. Grund genug für das Innenministerium, sich einen aktuellen Überblick zu verschaffen.

Von Silke Hasselmann | 25.04.2019
Die Feuerwehren in Mecklenburg-Vorpommern suchen Verstärkung.
Die Feuerwehren in Mecklenburg-Vorpommern suchen Verstärkung (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
"Festakt 140 Jahre Landesfeuerwehrverband MV" im blendend weiß getünchten Plenarsaal des Landestages von Mecklenburg-Vorpommern. Anstelle von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern haben über 150 Feuerwehrmänner und -frauen in ihren dunkelblauen Uniformen Platz genommen. Auch Karsten Franck aus Gnoien freut sich über die Musik des Polizeiorchesters MV und über den feuerwehrroten Strandkorb - ein Geschenk der Landesregierung.
Doch am wichtigsten ist für ihn und seine Kameraden die Botschaft der Ministerpräsidentin, dass das Land ein zusätzliches 50-Millionen-Euro-Programm für die Ausrüstung der Feuerwehren auflegen wird.
50 Millionen für die Feuerwehr
"Es ist schon ein ordentlicher Schluck, wenn das dann vernünftig verteilt wird. Wenn man das jetzt den Feuerwehren geben würde, die schon relativ gut ausgestattet sind, das wäre natürlich nicht so schön. Natürlich sollen die auch Geld haben. Aber dass man erst mal das Niveau generell etwas anhebt. Dass die kleinen Feuerwehren, die Dorffeuerwehren, wo keine Heizung im Gerätehaus drinne ist - dass die erst mal was kriegen."
Auch die vorpommersche Kommune Gnoien mit ihren knapp 3000 Einwohnern hofft auf Geld aus diesem Topf. Zwar sei die Wehr personell mit rund 40 ehrenamtlichen Kameraden recht gut aufgestellt, sagt Karsten Franck, der voriges Jahr auf 20 Einsätze kam. Doch es brenne an anderer Stelle; Stichwort Gerätehaus.
"Naja, das Gerätehaus, das wir haben - unsere Feuerwehr in Gnoien ist 1887 gegründet worden - ist immer noch auf demselben Standort wie damals. Das ist noch nicht vergrößert worden. Aber die Fahrzeuge werden größer als früher, und das wird natürlich auch irgendwann eng da drin."
Museumsreife Löschfahrzeuge
Zumal die Gnoiener gern ihren Fuhrpark erneuern wollen. Das älteste Löschfahrzeug stammt von 1985. Und das ist noch nicht mal Rekord:
"Wenn ich mal so rum gucke in unserem Landkreis - das ist doch im Vergleich zu anderen Feuerwehren ein junges Fahrzeug. Ich weiß eine Feuerwehr: Das Auto ist über 50 Jahre alt, und das muss ja irgendwie fahren."
Doch gelegentlich veraltete Ausrüstung ist nur das eine Problem im Nordosten, meint Feuerwehrmann Norbert Rieger:
"Naja, eine einsatzbereite Feuerwehr ergibt sich ja immer aus Mannschaft und Gerät. Ich brauche kein schickes, neues Feuerwehrfahrzeug, wo alles drauf ist, und ich habe keine Mannschaft mehr, die es bedienen kann."
Norbert Rieger ist der Kreiswehrführer des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte - anderthalb mal so groß wie das Saarland, dünnbesiedelt, große Seen und oft weite Strecken zwischen Feuerwehrstandort und Einsatzort. Die in Kerngebieten vorgeschriebene Frist von zehn Minuten zwischen Alarmierung und Eintreffen am Brandherd sei oft kaum zu schaffen - vor allem wochentags.
Nachwuchssorgen
"Wir haben von 6 bis 18 Uhr enorme Probleme, weil die meisten nicht an ihrem Wohnort arbeiten. Wir haben es eben an manchen Tagen, dass drei Wehren zusammen ausrücken. Dann haben wir zu tun, eine Gruppe vor Ort zusammenzubekommen. Dafür aber vier oder fünf Fahrzeuge."
Kaum jemand weiß besser als Innenminister Lorenz Caffier, dass sich die Lage in vielen Freiwilligen Feuerwehren dadurch verschärft, dass derzeit viele langgediente Kameraden gleichzeitig in Rente gehen und auch so manches an Ausrüstung aufs Altenteil gehört.
"Deswegen auch die Feuerwehrbedarfsplanung, dass wir vor Ort in den Ämtern sagen: Wie ist euer Personal aufgestellt? Welche Fahrzeuge brauchen wir? Wie müssen wir die Einsatzpläne machen, damit wir auch die Tagbereitschaft in der Woche gewährleisten können? Und das ist sicherlich in Mecklenburg-Vorpommern eine andere Herausforderung als in Hamburg oder NRW, wo ich einfach eine größere Konzentration von Menschen habe."
Gefahrenanalyse und Bedarfsabfrage
Bis Ende April sollen die Gemeinden dem Schweriner Innenministerium unter anderem beschrieben haben, wo auf ihrem Gebiet potentielle Gefahrenherde wie Biogasanlagen oder munitionsbelastete Flächen liegen, wie hoch die Gebäude im Ort sind, welche Einsätze in welcher Zeit die örtliche Feuerwehr derzeit stemmen kann und was sie stemmen müsste. Natürlich werde das Land die die Ausstattungswünsche der Gemeinden für ihre Feuerwehren wohlwollend prüfen. Doch bei den Preissteigerungen der letzten Jahre seien 50 Mio Euro schnell weg, so Minister Caffier.
"Ich habe vor 13 Jahren meine erste Drehleiter in Pasewalk übergeben. Die kam 300.000 Euro. Ich habe letzte Woche eine übergeben. Die kam 720.000 Euro. Und das bringt uns natürlich vor riesige Probleme."
Doch während zu Hause in M-V jede Gemeinde bei der Feuerwehrausstattung immer noch auf sich allein gestellt ist, will sich Caffier demnächst in Hessen erklären lassen, warum eine landesweit zentrale Beschaffung effektiver und preiswerter ist. Auch was die Personalnot betrifft, hat der Feuerwehrminister eine Idee:
"Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich in der Frage nicht beliebt mache: Ich kann kaum verstehen, dass Teile der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst am Wochenende im Garten sitzen und ihre Wurste grillen, und die anderen ausrücken. Ich glaube, wir werden darüber reden müssen, ob nicht jeder, der neu anfängt im öffentlichen Dienst, grundsätzlich ein Ehrenamt mit übernimmt. Ich weiß, das ist eine rechtlich große Frage. Aber wir können nicht immer warten, bis es nicht mehr geht."