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Mecklenburg-Vorpommern
Neue CDU-Führung dringend gesucht

Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist die CDU in Führungsnot: Nach dem plötzlichem Rückzug von Landeschef Vincent Kokert treten zwei ungleiche Bewerber gegeneinander an: Justizministerin Katy Hoffmeister und der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor.

Von Silke Hasselmann | 05.03.2020
Philipp Amthor (CDU) (2.v.l.) posiert auf dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig mit Mitgliedern der Jungen Union für ein Selfie
CDU-Politiker und Influencer Philipp Amthor (2.v.l.) auf dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig im November 2019 (imago images / Ralph Sondermann)
"Meine Entscheidung, mich aus der Politik zurückzuziehen, sind rein privater und persönlicher Natur", erklärt Vincent Kokert am 31. Januar und ist von Stund' an nicht mehr der CDU-Landesvorsitzende und auch nicht mehr der Fraktionschef im Schweriner Landtag. Seit März arbeitet er in seiner Heimatstadt bei den Stadtwerken Neustrelitz. "Kann man ja machen", sagt Dorin Müthel-Brenncke vom CDU-Kreisverband Schwerin. Doch was niemand verstehe: Warum hat er sich noch vorigen November zum Landesvorsitzenden wiederwählen lassen?
"Das hat uns natürlich in eine schwierige Situation gebracht, weil wir Vincent Kokert lange aufgebaut haben, um im nächsten Jahr für uns in den Landtagswahlkampf zu ziehen als Spitzenkandidat."
Tatsächlich regiert die CDU bereits seit 18 Jahren das Land Mecklenburg-Vorpommern, allerdings nun schon in der dritten Großen Koalition hintereinander als Juniorpartner der SPD. Einen eigenen Ministerpräsidenten stellten die MV-Christdemokraten zuletzt von 1994 bis 1998. Das sollte sich nun endlich mit Kokert ändern. Der 41-Jährige schien zu einem vorzeigbaren und ernstzunehmenden Herausforderer von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) herangereift war.
CDU hat sich in der GroKo kuschlig eingerichtet
Das einzige Problem, so Dorin Müthel-Brenncke, die beruflich eine große Schweriner Dachdeckerfirma leitet: Ihre Partei habe sich in der Koalition kuschlig eingerichtet. Man regiere geräuscharm und gegenüber der SPD relativ anspruchs- und konturlos. Sollte Fraktionschef Kokert doch mal auf den Tisch gehauen haben, so habe man es draußen nicht bemerkt.
"Ja klar. In Mecklenburg-Vorpommern hat das immer auch mit der Mentalität der Menschen hier zu tun. Die sind eher unaufgeregt. Nichtsdestotrotz: Im Gespräch mit meinen Mitgliedern nehme ich sehr oft wahr, dass viele das Profil, für das sie mal in die CDU eingetreten sind, vermissen in den letzten Jahren."
So gesehen eröffnet der plötzliche Rücktritt Kokerts eine neue Chance. Bislang haben sich für den außerordentlichen Parteitag Ende März in Rostock zwei Bewerber gemeldet. Da ist der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor (27 Jahre), der mit Brille, streng gekämmtem Seitenscheitel und den stets etwas steifen, aber formvollendeten Manieren wie ein frühreifer Pennäler aus der "Feuerzangenbowle" wirkt.
Der Jurist aus Vorpommern spricht druckreif und gilt auch deshalb als Konservativer mit klaren Gedanken und klarer Ansage. Doch ob er als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2021 gehen oder wieder für die gleichzeitig stattfindende Bundestagswahl kandidieren würde, das lässt er offen. Eine Entscheidungshilfe könnte da der Wahlausgang um den künftigen CDU-Bundesvorsitz sein; Amthor unterstützt Friedrich Merz. Und umgekehrt.
"Ich will eine Volkspartei, die breit aufgestellt ist und meinen Beitrag zur Profilbildung leisten. Aber nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander."
Junger Parteitechnokrat gegen Landesministerin
Das will auch Justizministerin Katy Hoffmeister: "Ich habe als allererstes natürlich den Rückhalt meines Kreisverbandes. Darüber freue ich mich sehr. Also die Mitglieder des Landkreises Rostock stehen zu ihrer Kandidatin Katy Hoffmeister. Auf der anderen Seite habe ich Zuspruch aus vielen Regionen bekommen, was mich ebenfalls bestärkt hat anzutreten. Mir geht es darum, gemeinsam aufzutreten und alle zu ihrem Recht kommen zu lassen in dieser Partei. Und deshalb stehe ich, glaube ich, auch relativ gut in der Mitte der Partei, um das zusammenzuführen."
Beide Kandidaten stellten sich im Februar an der Basis vor - auch im Kreisverband Schwerin. Danach, so Dorin Müthel-Brenncke, war der Eindruck eindeutig: "Der CDU-Kreisvorstand hat ein Votum für Philipp Amthor abgegeben. Ein sehr klarer Politiker, der ohne Umschweife sehr schnell zum Punkt kommt. Er schafft es, in sehr guter Form die Menschen hinter sich zu bringen und für seine Ideen zu begeistern. Und das ist eine gute Voraussetzung, um Landesvorsitzender der CDU zu werden."
Manche sehen Amthor schon als Ministerpräsidenten
Dorin Müthel-Brenncke ist das, was man eine gestandene Unternehmerpersönlichkeit nennen darf. Sie weiß, dass Amthors forsch ausgestelltes Selbstbewusstsein so manches Parteimitglied, vor allem aber so manchen Wähler irritieren, ja abschrecken kann. Doch sie ist gut vernetzt mit anderen Mittelständlern und berichtet, dass die meisten kein Problem mit Amthors Jugend haben. Sie würden ihm sogar schon die Kragenweite für das Ministerpräsidentenamt zutrauen.
Dabei würde der Vorpommer bei Amtsantritt erst 28 Jahre alt sein. Zudem gehört er zu der Generation junger Parteitechnokraten á la Kreißsaal – Hörsaal – Parlamentssaal. In Sachen Lebens-, Berufs- und Führungserfahrung ist Katy Hoffmeister dem jungen Talent jedenfalls weit voraus.
Doch auch andere große Kreisverbände stehen hinter Amthor, der bei der Bundestagswahl 2017 ein Direktmandat in seinem ansonsten stark AfD-dominierten Wahlkreis erringen konnte. Wohl auch, weil er kurz zuvor den "Konservativen Kreis" innerhalb der Landes-CDU mitgegründet hatte, der sich klar von der sogenannten Merkelschen Sozialdemokratisierung der CDU abgrenzt.
Er würde auch über größere Beinfreiheit verfügen und glaubwürdiger austeilen können, um sich vom Dauerregierungspartner SPD abzusetzen. Katy Hoffmeister unterliege hingegen als Justizministerin der Kabinettsdisziplin und habe so manche fragwürdige Entscheidung mitgetragen, die auf dem Mist der SPD-geführten Staatskanzlei gewachsen sei, sagt die CDU-Kreisfunktionärin Müthel-Brenncke.
"Das ist, unter uns gesagt, was die Leute bewegt: Die möchten eine klare Ansage. Dass man der SPD und sicherlich auch der Ministerpräsidentin sagt: ‚Bis hierher und keinen Schritt weiter!‘ Wir wollen keine faulen Kompromisse mehr und auch mal wieder Politik, für die die CDU steht, durchsetzen und deutlich machen für die Menschen." Und zwar auf der Landes- wie auf der Bundesebene.