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Medaillenkampf und Bildungsreise

Vom 13. bis 22. Januar 2012 finden in Innsbruck erstmals in der Sportgeschichte Olympische Jugendwinterspiele statt. 1050 Jugendliche aus gut 60 Nationen freuen sich auf das Olympische Feuer, ein Olympisches Dorf und echte Olympia-Medaillen. Laut IOC soll es aber keine bloße Mini-Ausgabe der "großen Spiele" werden.

Von Gerd Michalek | 01.01.2012
    Für 14- bis 18jährige Wintersportler sind die "Olympischen Jugendwinterspiele" zweifellos das Highlight 2012:

    "Die Olympischen Jugendspiele sind das erste Mal in Innsbruck und sind dafür da, dass wir junge Athleten mal das große Geschäft zu sehen kriegen."

    Kim Meylemans, ein Ass auf dem flachen "Skeleton"-Schlitten, freut sich auf den Olympischen Eiskanal. Die 15jährige ist eine von 56 Wintersportlern, die der Deutsche Olympische Sportbund DOSB nach Innsbruck schickt. Anders als bei den "großen Spielen" heißt offiziell die Devise: "Keine Medaillen zählen!" Damit glaubt der DOSB den leistungssportlichen Ernst der Spiele zu begrenzen, verkündet aber stolz, in den meisten Disziplinen seine Besten zu schicken! Wie Skeletonin Jacqueline Lölling:
    "Ich will schon vorne mit rein fahren. In den Quali-Rennen lief es ja schon immer gut. Dann hoffe ich, dass es auch zum Wettkampf so gut läuft.""#

    Pro Disziplin darf jede Nation meist nur einen Kandidaten nominieren. Die Folge sind kleine Teilnehmerfelder von etwa 20 bis 25 Sportlern. Das mindert einerseits den sportlichen Wert von Jugendspiele-Medaillen. Andererseits rechnen sich Außenseiter etwas aus. Bastian Tielmann, Skisprung-Coach der Niederlande:

    "Das wird die einfachste olympische Medaille, die es jemals zu gewinnen gibt, leichter wird`s nie wieder!"
    Mehr Sorgenfalten als Siegeshoffnung bereiten die Spiele den Bobfahrern. Auf Geheiß des internationalen Dachverbandes werden schon 16jährige – bislang erst 18jährige - in den Eiskanal geschickt. Andre Lange, der vierfache Goldmedaillengewinner, coacht inzwischen den deutschen Nachwuchs und weiß, welche Kräfte auf Bobfahrer wirken:

    "Gerade beim Schlittengewicht sehen wir die größten Probleme. Wenn es möglich gewesen wäre, leichtere Geräte an den Start zu bringen, wäre es für einige Jugendliche einfacher gewesen."

    Ein Zweier-Bob wiegt allein schon 170 Kilogramm, das macht mit Besatzung bis zu 370 Kilogramm, die mit 130 Kilometern pro Stunde ins Tal donnern. Ein Risikosport! Insofern kein Unterschied zur Erwachsenenwelt. Deutlich anders als bei den "großen" Olympischen Spielen formuliert das IOC seinen Anspruch bei Jugendspielen - als Erzieher der Sportjugend. Von Kultur- und Bildungsprogramm ist die Rede. Das IOC sieht darin den Weg, um junge Menschen aus aller Welt für Sport zu begeistern - so als bräuchten Elite-Sportler noch zusätzliche Motivationskurse des IOC. Dazu werden sich in Workshops Sport-Ikonen wie Sergej Bubka Gehör verschaffen – als so genannte "role models". Sporthistoriker Stefan Wassong:
    "Man hat bewusst Role-Models gewählt, die nicht nur im Sport ihre Leistungen gebracht haben, sondern auch im außersportlichen Leben ne ansehnliche Erfolgsbilanz vorzuweisen haben."

    Dadurch sollen Jugendliche motiviert werden, frühzeitig an eine "duale" Karriere zu denken. Ob Promi-Gespräche auch heikle Dinge wie "Dopingaufklärung" zulassen, ist fraglich. So beeindruckend das riesige Sportfest für junge Sportler auch werden mag: Ist der vom IOC beschworene Geist der Völkerverständigung nur Fassade und geht man hinterher doch fleißig ans Medaillen zählen? Wie bereits 2010 bei den Jugendspielen in Singapur, erinnert sich der Kölner Sportökonom Christoph Breuer:

    "Die Jugendspiele in Singapur - wenn man die noch mal kritisch Revue passieren lässt, und sich auch die Medienberichterstattung darüber anschaut, dann stellt man fest, dass auch dort – aller Behauptung des IOC zum Trotz - Medaillenspiegel eine Rolle spielten, welcher Sportler wie stark abgeschnitten hat. Und man kann eben dort nicht diese Differenz zu den Olympischen Spielen erkennen, wie die Differenz behauptet wurde seitens des IOC."
    Wenn erneut 15- und 16jährige Medaillengewinner zu Helden von morgen erklärt werden, sollte man das hinterfragen, sagt Trainer Bastian Tielmann:

    "Die Gefahr besteht einfach darin, es darf sich jemand Olympiasieger nennen mit 16 Jahren, was einerseits ganz toll ist, auf der anderen Seite ist die Frage, ob das für die Entwicklung des Sportlers langfristig so gut ist."

    Imagetechnisch werden sich die Spiele für das IOC wohl rechnen. Der Gesamtetat beträgt überschaubare 23,7 Millionen Euro. Und das finanzielle Hauptrisiko trägt - so Sportökonom Christoph Breuer - der Veranstalter Innsbruck. Zwei Fliegen mit einer Klappe kann hingegen das IOC schlagen: In der Rolle des innovativen Jugendförderers verteilt es zugleich Trost-pflaster an Bewerberstädte, die bei den "großen" Spielen leer ausgegangen sind.