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"MediaForEurope"
Gemeinsam gegen Netflix

Der italienische Medienkonzern Mediaset hat große Pläne: Er will ein europaweites Fernsehunternehmen und Konkurrent der US-Streamingdienste werden. Dafür hat sich der Berlusconi-Konzern inzwischen auch Anteile an ProSiebenSat1 gesichert. Doch es gibt Zweifel, ob die Pläne aufgehen.

Von Annika Schneider | 04.05.2020
Die Logos der Streaminganbieter Netflix, Disney+ und Amazon Prime Video sind auf einem Fernseher zu sehen. | Verwendung weltweit
Der italienische Konzern Mediaset will der großen Streaming-Konkurrenz die Stirn bieten (Daniel Reinhardt / dpa)
Frank Schätzings Science-Fiction-Thriller "Der Schwarm" war ein Bestseller. Millionen Menschen lasen das Buch über eine geheimnisvolle Bedrohung aus der Tiefsee. Trotzdem gibt es bis heute keine Verfilmung, mehrere Anläufe scheiterten.
Nun wagen sich Medienhäuser aus Deutschland, Frankreich, Italien und Skandinavien gemeinsam an eine Serie zum Roman. Von deutscher Seite ist das ZDF dabei. Kooperationen wie diese werden im Film- und Seriengeschäft immer wichtiger.
Viel Druck aus den USA
Das gilt nicht nur für öffentlich-rechtliche Häuser, sondern auch für Privatsender. Denn die Konkurrenz aus den USA ist mächtig, wie Bjørn von Rimscha, Professor für Medienwirtschaft an der Uni Mainz, erklärt.
"Was alle Player in den europäischen Märkten ja eint, ist, dass sie im Vergleich zu Anbietern wie Netflix, wie Disney Plus, wie Amazon Prime eigentlich kleine Fische sind. Sie sind zwar relativ stark in ihrem Heimatmarkt, aber wenn sie jetzt einen eigenen Streaming-Service aufbauen wollen, der ist im Vergleich zu diesen großen internationalen Anbietern zu klein."

Das hat auch Mediaset erkannt, das italienische TV-Unternehmen von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Mit einer Holding mit Sitz in den Niederlanden will es den amerikanischen Serien-Giganten einen europäischen Player entgegensetzen.
Kosten teilen, an Einfluss gewinnen
"MediaForEurope" – so der Titel des ehrgeizigen Projekts. Ziel ist, dass sich die beteiligten Unternehmen die Produktionskosten für aufwendige Serien und Filme teilen. Dass Mediaset nun seine Anteile an ProSiebenSat1 auf fast 25 Prozent aufgestockt hat, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Die Italiener weiten so ihren Einfluss aus – denn übermäßig engagiert hat ProSiebenSat1 sich für "MediaForEurope" bislang nicht. Der Konzern erklärt auf Anfrage des Deutschlandfunks zwar, dass europäische Kooperationen gerade bei technologisch geprägten Initiativen wie Streaming sinnvoll sein könnten. Man arbeite mit Mediaset seit langem zusammen.
Gleichzeitig hat der Konzern aber seine eigene Streaming-Plattform an den Start gebracht, Joyn. So richtig in Fahrt gekommen sei "MediaForEurope" derzeit noch nicht, sagt Torsten Zarges, Chefreporter beim TV-Branchendienst DWDL:

"Es ist nicht so ganz einfach, weil nicht nur ProSiebenSat1 sich bisher ein bisschen sträubt. Der französische Medienkonzern Vivendi, der Minderheitsaktionär bei Mediaset ist, geht auch juristisch im Moment dagegen vor. Das heißt, die Pläne sind ein bisschen verlangsamt worden."
"Struktureller Größennachteil"
Medienmarktforscher Christian Zabel, Professor an der TH Köln, ist denn auch wenig optimistisch, dass es in Europa gelingt, einen oder mehrere große Gegenplayer zu Netflix und Co zu etablieren:
"Das liegt einfach daran, dass Europa zu zersplittert ist, von den Geografien her, von den Ländern her. Und das, was wir da sehen, Joyn in Deutschland, das ist natürlich von der Größe her unterkritisch. Selbst wenn es gelänge, den ganzen europäischen Markt zu bearbeiten, dann wäre das ja im Vergleich zu Netflix immer noch unterkritisch, weil die global agieren. Das heißt, es bleibt zu hoffen, dass man sich da zusammenrauft, aber dieser strukturelle Größennachteil, der wird, glaube ich, leider bestehen bleiben."
Kein Aufschrei
Und was sagen die Experten dazu, dass ausgerechnet die Berlusconi-Familie Einfluss in einem deutschen Medienunternehmen gewinnt? Das sei unkritisch, sind sich alle drei einig. Wenn das Gleiche vor 20 Jahren passiert wäre, hätte es zu Recht einen Aufschrei gegeben, sagt Bjørn von Rimscha – weil Fernsehen damals eine viel größere Bedeutung gehabt habe. Aber:
"Bei einem Sender, der a) keinen Schwerpunkt im Nachrichtenbereich hat und b) insgesamt rückläufiger Bedeutung von Fernsehen ist da nicht so ein großes Problem zu sehen."
Auch Branchenkenner Zarges sieht eher Vorteile darin, dass Mediaset sich bei ProSiebenSat1 engagiert: "So die ganz großen Würfe hat man bei ProSiebenSat1 schon länger nicht mehr hingekriegt, und insofern könnte rein theoretisch so eine europäische Allianz durchaus Belebung bedeuten, möglicherweise eben auch in der Erweiterung der inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten."
Denn der Markt für lineares Fernsehen schrumpft – der Konkurrenzkampf wird also härter. Zu erwarten ist, dass am Ende nur wenige große Konzerne überleben.