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Erinnern Sie sich noch an den Kassettenrecorder? Man nutzte ihn einst, um Radioprogramme mitzuschneiden. Das war ein aufwändiges Projekt. Es begann mit einer genauen Lektüre der einschlägigen Programmzeitschrift, die damals nicht nur "Hör zu" hieß, sondern tatsächlich auch noch ein Hörfunkprogramm enthielt. Dann hieß es warten. Das Projekt Hörspielmitschnitt erforderte Geduld - und ein gutes Gedächtnis. Seit etwa zwei Jahren beginnen sich die Zeiten zu ändern. Das Hörspiel hat das Internet entdeckt.

Von Frank Olbert | 12.07.2008
    Mittlerweile bieten alle Sender Hörspiele als Download oder im Podcast an. Beim Westdeutschen Rundfunk hat man sich unterdessen an den guten alten Kassettenmitschnitt erinnert - und bietet ein zeitgemäßes Pendant: Unter www.radiorecorder.wdr.de kann man eine Software herunterladen, die den Mitschnitt ganz einfach macht. Von der Programmauswahl bis zum Drücken der Start und der Stopptaste.

    Ein Großprojekt stellt demnächst der Bayerische Rundfunk ins Netz: Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" in der 20-Stunden-Fassung von Katarina Agathos, Klaus Buhlert und Herbert Kapfer, dem Leiter der Abteilung "Hörspiel und Medienkunst" beim BR.
    Olbert: Herr Kapfer, wieso Musil?
    Herbert Kapfer: Der Hörspiel-Pool des Bayerischen Rundfunks existiert seit Februar 2008. Wir haben ihn mit einer Produktion von Raoul Schrott gestartet, "Die Erfindung der Poesie". Wir haben inzwischen eine ganze Reihe von neuen und älteren Produktionen zusammengestellt, die wir in diesem Pool vorstellen werden. Dann gibt es ein herausragendes Projekt, das wir vor vier Jahren produziert haben. "Der Mann ohne Eigenschaften- Remix" ist damals als bimediale Edition erschienen. Das waren zwanzig CDs und ein Begleitbuch. Das ist ein Projekt, das von seiner ästhetischen Bedeutung her ganz besonders für "Hörspiel und Medienkunst" beim BR steht, weil es fast exemplarisch das von uns seit langem betriebene Konzept der Ästhetik der offenen Form beinhaltet. Es gibt auf der einen Seite einen kanonischen Robert Musil "Der Mann ohne Eigenschaften", andrerseits einen Nachlass, der eine große Bedeutung hat. Dafür eine Darstellungsform zu finden, die diesem unabgeschlossenen Werk gerecht wird - das war die besondere Herausforderung bei "Der Mann ohne Eigenschaften - Remix".
    Olbert: Ist das Internet eine Zukunftsstation für das Hörspiel?
    Kapfer: Das ist eine gute Frage, die ich eigentlich nur bedingt beantworten kann, weil die Medienpolitik in den nächsten Jahren entscheiden wird, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet machen darf und was nicht. Aber es ist natürlich so, dass die Online-Nutzung gerade für Produktionen, die man intensiv hören will, ideal ist. Da gibt es das Stichwort vom "zeitsouveränen Nutzer", der sich aussuchen will, wann er eine bestimmte Produktion hören will. Von der Mediennutzung her spricht sehr viel dafür, Hörspiele im Internet anzubieten. Ob das eines Tages über die jetzt möglichen 7 Tage hinaus möglich sein wird, steht wegen dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag und dem Europarecht in den Sternen.
    Vorläufig können wir den Hörspiel-Pool in diesem Rahmen betreiben und beispielsmäßig vorlegen, was man machen könnte, wenn es eine Art von Hörspiel-Mediathek geben würde.
    Wir versuchen Hörspiele anzubieten, die auf dem Hörbuchmarkt nie eine Chance hatten oder schon wieder vergriffen sind, die aber für die Hörspielästhetik eine Relevanz hatten.
    Olbert: Das ist eine ganz neue Form der Repertoire-Pflege.
    Kapfer: So sehe ich das auch. Ich habe sogar die Vermutung, dass die eine oder andere vergessene Produktion aus den letzten zwanzig Jahren in die Spielpläne zurückkehren könnte, weil ja auch Kollegen in anderen Dramaturgien schauen, was im Hörspiel-Pool angeboten wird.
    Die 20-teilige Produktion "Der Mann ohne Eigenschaften" nach dem Roman von Robert Musil ist ab dem 20. September im Hörspiel-Pool des Bayerischen Rundfunks abrufbar. Mehr dazu unter www.br-online.de