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"Der langsame Abschied von der Macht"

Auch im Ausland findet der CDU-Parteitag viel Beachtung, etwa in China und Russland, aber auch in Italien, Schweden und Luxemburg. Die Kernfragen: Was hinterlässt Angela Merkel? Wie wird der oder die Siegerin die Partei, die Bundesrepublik und die internationalen Beziehungen prägen?

07.12.2018
    Das Foto zeigt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sie spricht zu Beginn des CDU-Bundesparteitags.
    Auch die Auslandspresse hat reges Interesse am CDU-Parteitag (dpa-Bildfunk / Christian Charisius)
    Das "Luxemburger Wort" stellt die Frage: "Wird es Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz oder Jens Spahn?" Weiter heißt es dann: "Die Zeit der Sprachlosigkeit ist vorbei. Seit Langem ist in der CDU nicht mehr so diskutiert und gestritten worden wie in den vergangenen Wochen."
    Die Zeitung zollt der Partei auch Respekt: "Erstmals seit 1971 hat die Partei Konrad Adenauers eine echte Wahl zwischen mehreren Kandidaten. Diese birgt auch die Gefahr einer Spaltung der CDU. Enttäuschte Anhänger könnten sich abwenden. Aufgabe des Siegers wird es unter anderem sein, die Partei so weit wie möglich zu einen. Wenn die 1.001 Delegierten heute ihre Stimme abgeben, werden sie ihre Partei, ihr Land und zum Teil auch Europa auf Jahre hin prägen. Ob es in Richtung Zukunft oder Vergangenheit geht, liegt in ihren Händen."
    "Die CDU hat Merkel einiges zu verdanken."
    Auch die russische Zeitung "Gazeta" kommentiert den CDU-Parteitag und findet, für Angela Merkel beginne nun "der langsame Abschied von der Macht." Das Blatt ist überzeugt: "Die CDU hat Merkel einiges zu verdanken. Der Schlüssel zu ihrem politischen Erfolg war der Wandel der traditionell-konservativen Christlich-Demokratischen Union in eine gemäßigte politische Kraft der Mitte. Obwohl das Magazin 'Forbes' Merkel wieder zur mächtigsten Frau der Welt gekürt hat, sinkt ihre Popularität. Vor ihren Augen leben die alten Dämonen des Nationalismus wieder auf. Auch die EU, für die sich die Bundeskanzlerin so enthusiastisch eingesetzt hat, wird immer mehr von populistischen Politikern angegriffen."
    Die politische Ausrichtung der CDU wird auch von der lettischen Zeitung "Diena" thematisiert. "Während der Amtszeit Angela Merkels hat sich die konservative Partei sehr verändert. Bei grundlegenden Themen wie der gleichgeschlechtlichen Ehe, Umwelt und Einwanderung ist die CDU jetzt nahe an den Positionen von Mitte-Links-Parteien."
    Kommentare auch in China
    Sogar in China stößt das Thema heute auf Interesse - zum Beispiel in der Zeitung "Renmin Ribao" aus Peking. Sie wagt einen Blick in die Zukunft. "Ungeachtet aller anderslautenden Erklärungen wird der oder die neue Parteivorsitzende wohl früher oder später Angela Merkel auch in ihrem Amt als Bundeskanzlerin beerben. Sollte Kramp-Karrenbauer das Rennen machen, dann wird der auf Ausgleich bedachte Kurs von Merkel wohl fortgesetzt. Sollten Spahn oder Merz den Parteivorsitz übernehmen, wird die künftige Zusammenarbeit mit der Regierungschefin nicht ganz reibungslos vonstattengehen."
    Die scheidende CDU-Vorsitzende Merkel und Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer
    Die scheidende CDU-Vorsitzende Merkel und Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer (dpa/Michael Kappeler)
    Aus Sicht der schwedischen Zeitung "Göteborgs-Posten" stellt sich für die CDU auf lange Sicht die Frage, "ob sich die Partei auf die AfD stützen soll, um die unfreiwillige Ehe mit der SPD zu beenden. Der Ehrgeiz von Friedrich Merz, die AfD-Wähler zurückzugewinnen, kann als letzter Versuch gesehen werden zu verhindern, dass die Rechtspopulisten stärker werden und Einfluss auf die Regierungsbildung bekommen. Das kann aber auch als eine Annäherung an die AfD gesehen werden. Es ist klar, dass die Richtungswahl in der CDU nicht nur eine interne Parteiangelegenheit ist. Sie hat Bedeutung für die politische Zukunft Deutschlands und indirekt dafür, wo der politische Schwerpunkt in Europa liegen soll."
    Schlacht um Merkels Erbe
    Und noch ein Blick in einen italienischen Kommentar: Der "Corriere della Sera" aus Mailand klingt wie ein Drama der griechischen Antike. "Es sind 1.001 Delegierte in Hamburg, und hier spielt sich die Schlacht um das Erbe von Angela Merkel ab. Zwischen Muttermord, Orakeln und Rachegelüsten wird zwischen drei Herausforderern die Entscheidung fallen. Auf dem Spiel steht nicht nur die Zukunft der Partei, sondern die eines ganzen Systems. Und vom Ausgang der Schlacht von Hamburg hängt auch ab, wie lange der Abschied von Angela Merkel aus dem Kanzleramt dauern wird."
    Diskutiert wird auch in der "New York Times", dort kommt der deutsche Soziologieprofessor Oliver Nachtwey zu Wort. Er vertritt eine düstere These: "It Doesn’t Matter Who Replaces Merkel. Germany Is Broken." Sprich: Ganz gleich, wer Merkel ersetzt, Deutschland ist so oder so ein zerbrochenes Land. Er begründet: "Wachsende Ungleichheit hat zur Fragmentierung der Gesellschaft in Deutschland beigetragenn, hat rechtsgerichteten Populismus befeuert und die Politik im Land grundlegend gewandelt."
    Lesen Sie hier die vollständige Internationale Presseschau vom 7. Dezember 2018 mit weiteren Kommentaren auch zur Klimakonferenz in Kattowitz und zur Festnahme der Finanzchefin des chinesischen Konzerns Huawei.