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Mediengruppe auf Auslandskurs
RTL startet Bezahlsender

Die Deutsche Welle ist die Stimme Deutschlands im Ausland und erreicht nach eigener Auskunft wöchentlich 118 Millionen Menschen. Daneben ist der TV-Markt im Ausland ziemlich dünn besetzt. Die Mediengruppe RTL will diese Lücke schließen und startet ab kommenden Montag den neuen Fernsehsender "RTL International".

Von Max Heeke | 16.01.2016
    Bei RTL International erwarten den Zuschauer bekannte deutsche Sendungen. Eigens produzierte Formate fehlen im Programm, erklärt Projektleiter Stefan Sporn:
    "Da wird es keine Überraschungen geben. RTL International zeigt topaktuelles RTL-Programm und dazu gehören RTL Aktuell, RTL Nachtjournal, Punkt 12 und die Magazine Exclusiv und Explosiv. Die werden live ausgestrahlt. RTL International zeigt aber auch Soaps, Serien wie Alarm für Cobra 11."
    Der Sender startet sein Auslandsprogramm als Bezahlsender. Über vorhandene Anbieter in den verschiedenen Ländern können sich Interessierte ein Abo kaufen und so die RTL-Sendungen sehen. Ein ähnliches Angebot bietet auch die Mediengruppe ProSiebenSat.1.
    Der Auslandssender "ProSiebenSat.1 Welt" hat seine Reichweite im vergangenen Jahr aber stark eingeschränkt und kann nur noch in Nordamerika empfangen werden. Die Deutsche Welle, der öffentlich-rechtliche Counterpart, konzentriert sich besonders auf Nachrichtenangebote. Pressesprecher Christoph Jumpelt sieht in RTL International daher keinen Gegner:
    "Wir sind in der Ausrichtung vom Programmschema her glaube ich grundverschieden. Insofern sehe ich da jetzt keine Konkurrenz in dem Sinne."
    Wie sich der Privatsender aus Köln im Ausland durchsetzen will, das beschreibt Projektleiter Stefan Sporn.
    "Also wir glauben, dass wir mit unserem Angebot – ohne dass ich jetzt irgendetwas über die Konkurrenz sagen kann und will – ein Angebot machen, dass die Leute wirklich schauen wollen. Wir zeichnen uns durch ein besonderes Programm aus, nämlich die Live-Elemente und die Aktualität."
    Dass es tatsächlich einen Markt für den neuen Sender gibt, davon sind die Verantwortlichen überzeugt:
    "Er richtet sich an die Millionen Deutschen im Ausland, wir gehen von neun bis zehn Millionen aus."
    Ausland, das heißt für den Anfang Australien, Kanada, Georgien, Israel und Südafrika. Später sollen die USA, Brasilien und weitere Länder folgen.
    Auch wenn die Angaben von RTL stimmen mögen, es also tatsächlich neun bis zehn Millionen Deutsche im Ausland gibt, Michael Geffken, Direktor der Leipzig School of Media, betrachtet die Zielgruppe skeptisch:
    "Vom deutschen Manager in New York bis hin zum Austauschstudenten in Georgien ist es natürlich eine sehr große Spannbreite. Da haben wir eine Zielgruppe, die zumindestens jetzt mal unter Vermarktungsgesichtspunkten nicht so sonderlich spitze ist."
    Geffken glaubt daher, dass der neue Fernsehsender Teil eines größeren Strategiewandels ist:
    "Es ist, wenn man so will eine Wette auf die Veränderung der Fernsehgewohnheiten, auch auf Auslandsmärkten."
    Netflix, Amazon Prime und Hulu. Das sind die Namen hinter den neuen Fernsehgewohnheiten: Streaming-Dienste, die erfolgreiche Serien und Filme anbieten und die der Nutzer jederzeit anschauen kann. Nichtlineares Fernsehen, im Gegensatz zum linearen Fernsehen mit seinen festen Sendeplätzen und der gewinnbringenden Werbung. Gerade jüngere Zielgruppen wenden sich immer mehr vom klassischen Fernsehen ab. Um diesem Problem zu begegnen, müssen Sender wie RTL eine Doppelstrategie verfolgen, ist Geffken überzeugt:
    "Erstens müssen sie das althergebrachte Geschäftsmodell stützen, indem sie weiterhin für älterwerdende Zielgruppen ein attraktives Programm anbieten. Aber sie können nicht darauf verzichen, alles das was unter vierzig ist, langfristig zu verlieren. Sie müssen also parallel ein attraktives aber anderes Programm machen."
    Für die Verantwortlichen von RTL International spielt diese Zweiteilung eine untergeordnete Rolle. Netflix gilt hier nicht als Konkurrent.
    "Es gibt inhaltlich keine Überschneidung beim Angebot. Willkommen Zuhause, das ist unser Slogan. Das ist das, was Netflix überhaupt nicht bieten kann oder bieten will. Von daher haben wir kein Problem mit weiteren On-Demand-Angeboten."
    Laut Medienwissenschaftler Michael Geffken wird es in Zukunft aber doch zu einer Konkurrenz kommen.
    Und dann werden wohl auch klassische Fernsehsender wie RTL die Reise in die nichtlineare Welt antreten müssen:
    "Die Versuche im nichtlinearen Bereich neue Geschäftsmodelle zu etablieren sind langwierig. Netflix ist sicherlich kein Modell, was eins zu eins für Deutschland zu kopieren ist, aber RTL muss es versuchen."