Donnerstag, 28. März 2024

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Medienpolitik
Journalismus als Barometer für Demokratie

Russland, Mexiko, China gelten als gefährliche Orte für einen freien Journalismus. Restriktive Medienpolitik bleibt aber nicht auf Regionen weit ab von Europa beschränkt. Auch in der EU etwa in Ungarn, Malta oder Polen haben sich die Bedingungen für eine unabhängige Berichterstattung mindestens erschwert, besteht gar Lebensgefahr für Journalisten.

Diskussionsleitung: Julia Hahn, Deutsche Welle | 03.01.2018
    Längst zur Ikone geworden: Das stilisierte Porträt von Deniz Yücel, hier auf einer Kundgebung in Berlin für die Freilassung des inhaftierten Journalisten
    Das stilisierte Porträt von Deniz Yücel auf einer Kundgebung in Berlin für die Freilassung des inhaftierten Journalisten (presse-alliance/ dpa / Paul Zinken)
    Nimmt die Bedrohung für demokratische Strukturen zu, dann ist die Lage der Medien gleichsam ein Frühwarnsystem. Journalisten erfahren subtile Exklusion und auch offene Angriffe, wenn Demokratien schwächer und autoritäre Tendenzen stärker werden.
    Unter der Leitung von Julia Hahn, Redakteurin der Deutschen Welle, diskutierten Shi Ming, Autor, Journalist und China-Experte aus Berlin, die Chefredakteurin der Deutschen Welle, Ines Pohl, die freie Journalistin Patricia Salazar Figueroa und Bartosz Wielinski, Außenpolitikchef der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" aus Polen. Die Diskussion wurde in der Bundespressekonferenz im Rahmen von "Formate des Politischen" am 9. November 2017 aufgezeichnet.

    "Der Journalismus in Kolumbien stand jahrelang ganz im Zeichen des Bürgerkrieges", erklärte die freie Journalistin Patricia Salazar Figueroa zur Situation der Medien in ihrer Heimat. "Pablo Escobar ließ Journalisten ermorden und sogar eine ganze Zeitung, "El Spectador", in die Luft jagen. Viele Mitarbeiter wurden getötet." Doch trotz aller Gefahren und Schwierigkeiten hätten Journalisten ihre ureigene Aufgabe wahrgenommen und über die politische Lage berichtet.
    "Inzwischen sind in China ganze Themengebiete tabu"
    In China sei es Berichterstattern zunächst untersagt worden, ihre eigene Meinung zu veröffentlichen. "Später wurde verboten, über Fakten zu berichten, Unfälle in Bergwerken etwa wurden tot geschwiegen. Inzwischen sind ganze Themengebiete tabu. Beispielsweise darf über Tibet nicht berichtet werden", berichtete der Autor Shi Ming über die Situation in seiner früheren Heimat.
    "Ich beneide Sie hier in Deutschland. Wir waren ein Vorzeigeland für politische Transformation hin zur Demokratie. Jetzt sind wir fast wieder in den alten Zeiten angekommen. Jetzt kontrolliert die Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen", so Bartosz Wielinski. Von der einst blühenden Medienlandschaft seien einzig die privaten übrig geblieben. Zwar dürfe bislang noch "keiner von der Regierung meine Arbeit beeinflussen," sagte der Außenpolitikchef der einflussreichsten polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Aber schon längst habe sie damit begonnen, unabhängige Medien wirtschaftlich ausbluten zu lassen. "Die wollen uns aushungern", so Wielinski. "Die Regierung wird alles tun, um unsere Zeitung stillzulegen."
    Durch Social Media können Fakten verbreitet werden - aber auch Desinformation
    Social Media fällt eine besondere Rolle bei der Verbreitung von Nachrichten zu. In totalitären Ländern käme ihnen einen andere Aufgabe zu als in Demokratien, so Shi Ming. Durch Twitter und Co. könnten Fakten verbreitet werden, die Regierungen unterschlagen wollten. Dagegen steht für Patricia Salazar Figueroa die Gefahr der Desinformation durch schnelle Nachrichten aus dem Netz im Vordergrund. Diese seien durch Journalisten kaum noch zu verifizieren. Fake News könnten sich so immer weiter verbreiten. Daneben würden die Menschen immer weniger Zeitung lesen und "im Internet nehmen sie dann nur noch das wahr, was ihre eigene Meinung widerspiegelt."
    Kolumbien, China und Polen seien keine Einzelfälle, sorgte sich Ines Pohl, Chefredakteurin der Deutschen Welle. In vielen anderen Ländern habe sich die Lage der Pressefreiheit verschlimmert. Verglichen damit sei die Situation in Deutschland gut. Allerdings gäbe es auch hierzulande einen starken wirtschaftlichen Druck auf Zeitungen und kleinere Rundfunkanstalten. "Außerdem - der Umgang mit den Populisten ist eine bislang unbekannte Herausforderung für uns deutsche Journalistinnen und Journalisten. Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir Journalisten und keine Aktivisten sind."