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Medienstrategie in China
Pekings Marketing

Die chinesische Staatsführung versucht zunehmend darauf Einfluss zu nehmen, wie über das Land berichtet wird. Dafür wird die Auslandszentrale des Staatsfernsehens ausgebaut. Immer wieder werden auch die Korrespondenten anderer Medien einbestellt – und in der Corona-Krise Entschuldigungen erwartet.

Von Michael Meyer | 25.03.2020
Krankenhausmitarbeiter in der chinesischen Stadt Nanning, mit Kittel und Mundschutz bekleidet, halten Schilder und chinesische Flaggen hoch.
Auch in der Corona-Krise gibt die Staatsführung vor, welches Bild vom Land gezeichnet werden soll. (imago/ Xinhua/Cui Bowen )
Als vor anderthalb Jahren arte und die ARD eine Doku über den chinesischen Ministerpräsidenten Xi Jinping sendeten, gingen beim zuständigen arte-Redakteur Anrufe aus der chinesischen Botschaft ein: Man sei mit dem Film nicht einverstanden und verlange Änderungen.
Kein Einzelfall. Thomas Reichart, bis Sommer letzten Jahres ZDF-Korrespondent in Peking, ist derartige Drangsalierungen gewohnt. Einmal im Jahr werden in Peking westliche Korrespondenten zum Rapport bestellt und kritische Berichte angeprangert. Bei Tee und Keksen werde, höflich im Ton, aber hart in der Sache miteinander gesprochen, erzählt Reichart. Auch in Deutschland seien Anrufe, Emails und Besuche von chinesischen Botschaftsangehörigen durchaus normal, wenn es um China gehe. Etwa gab es Beschwerden wegen einer ZDF-Doku über Chinas Projekt der Seidenstraße. Reichart kennt weitere Beispiele:
"Man hat es jetzt bei der Corona-Epidemie gesehen, als eine dänische Zeitung sich entschuldigen sollte, weil sie eine Karikatur gemacht haben, wo sie das Coronavirus verbunden haben mit der chinesischen Flagge. Es gibt andere Beispiele dazu, wie die jeweiligen Botschafter Chinas zunehmend Einfluss nehmen wollen auf die Berichterstattung der jeweiligen Medien über China. Das ist was Neues, und zeigt im Grunde, wie eben ein machtvolles China seine eigene Stimme durchsetzen will, was bislang nicht besonders erfolgreich ist."
Ausbau der Auslandsberichterstattung
China will selber in der Hand haben, wie über das Land im Ausland berichtet wird. Deshalb werden in der Londoner Auslandszentrale des Staatsfernsehens CCTV hundert neue Redakteure angestellt, und Chinas Botschaften werden dazu ermuntert, fleißig Social Media zu nutzen. In Washington twittert der Botschafter sogar angeblich selbst, in Deutschland bezichtigt die Botschaft auf Twitter deutsche Medien schon mal der "Lügenmeldungen und Verleumdung" in der Corona-Krise.
Für die kommunistische Regierung ist die Einmischung in die Berichterstattung ausländischer Medien selbstverständlich und auch angemessen, sagt Katja Drinhausen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator Institute for China Studies in Berlin.
"Also da muss man, glaube ich, auch für das Grundverständnis von der Aufgabe, von der Diplomatie, von den chinesischen Medien, von chinesischen Politikern, aber im Prinzip auch von allen Chinesen sehen, die ja auch vom Staat vermittelt wird, nämlich dass jeder die Aufgabe hat, an einem guten China-Bild im Ausland mit zu agieren. Das heißt, was da gemacht wird, ist, den Auftrag zu erfüllen, die Geschichte Chinas gut zu erzählen, wie es in der öffentlichen Auftraggebung so schön heißt."
Unterstützung aus Chinas Wirtschaft
Zuweilen gibt es auch kuriose Projekte. Das Portal "Chinareporter" sollte ein differenziertes Bild von China zeichnen. Initiiert wurde es von zwei ausgewiesenen deutschen China-Experten: Georg Blume, heute "Spiegel"-Korrespondent in Paris, und von Wolfgang Hirn, vormals beim "Manager-Magazin". Doch wie unabhängig dieses Online-Magazin geworden wäre, ist fraglich. Der ehemalige chinesische Botschafter in Berlin warb sogar dafür bei deutschen Unternehmen um Finanzmittel. Es ging um den Jahresetat von 250.000 Euro. Die Botschaft schrieb an in China engagierte Firmen, wie wichtig die China-Reporter doch seien.
Das Projekt als solches sei im größeren Kontext zwar nicht verwunderlich, meint Katja Drinhausen, aber "das Problem ist natürlich, warum muss man dafür zu der Vertretung dieses Landes gehen? Wenn dann der ausgehende Botschafter Unternehmen nahelegt, Finanzmittel bereitzustellen, wie das ankommt und was das für einen Druck auch ausübt, das hätte man sich eigentlich auch vorstellen können. Das war sehr unglücklich gehandhabt."
"China-Brücke" zur Vertiefung der Beziehungen
Das Projekt "China-Reporter" wird zwar nicht zustande kommen, dafür gibt es aber seit einigen Monaten einen neuen Verein namens "China-Brücke". Dieser soll den Dialog auf kultureller, politischer und wirtschaftlicher Ebene vertiefen. Wolfgang Hirn, einer der beiden Journalisten, ist dort ebenfalls Mitglied. Der Verein habe, so Hirn gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", nichts mit dem journalistischen Projekt "China-Reporter" zu tun. Vorsitzender der "China-Brücke" ist der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter-Friedrich. Auch Friedrich betont, es gebe keinen Zusammenhang mit dem Projekt der Journalisten Blume und Hirn.
"Hat mit uns nichts zu tun. Sie haben natürlich für dieses Projekt irgendwie finanzielle Mittel gesucht, und unter anderem wohl auch damals den damaligen Botschafter vor einem Jahr oder vor anderthalb Jahren angesprochen, der ihnen Unterstützung zugesagt hat, gegenüber deutschen Unternehmen da werbend tätig zu sein. Ich habe jetzt im Nachhinein davon erfahren – gut, ist so."
Doch bei allem Dialog mit China: Festzuhalten bleibt, es ist ein Land, das selbst entscheiden will, welches Bild in den Medien über es vermittelt wird und welches nicht.