Dienstag, 23. April 2024

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Medizin-Berichterstattung
Wenn Wissenschaftler und Medien übertreiben

Einen vermeintlichen Bluttest zur Blutkrebserkennung bezeichnete die "Bild"-Zeitung im Februar als "Weltsensation". Doch mittlerweile deutet vieles darauf hin, dass das Verfahren nicht funktioniert. Nach Ansicht von Medizinjournalist Hinnerk Feldwisch steht der Fall für einen negativen Kommunikations-Trend in der Wissenschaft.

Hinnerk Feldwisch im Gespräch mit Bettina Köster / Text von Christoph Sterz | 28.05.2019
In einem Labor wird eine Blutprobe in einem Röhrchen hochgehalten.
Viele Medien berichteten im Februar über einen Bluttest für Blutkrebs (imago images / Westend61 / Andrew Brookes)
Ende Februar vermeldete das Universitätsklinikum Heidelberg einen "Meilenstein in der Brustkrebstdiagnostik". Gemeint war ein Bluttest für Brustkrebs, der in einer entsprechenden Pressemitteilung beschrieben und auch auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Die "Bild"-Zeitung berichtete vorab und sprach auf ihrer Titelseite von einer "Weltsensation". Auch viele andere Medien griffen das Thema auf, darunter der Deutschlandfunk.
Doch laut der "Süddeutschen Zeitung" hat inzwischen eine interne Untersuchung der Uniklinik ergeben, "dass es das in der Pressemitteilung erwähnte Verfahren bisher nicht gibt". Die in der Pressemitteilung gemachten Angaben müssten "als nicht begründet angesehen werden", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" aus einer Zusammenfassung der internen Untersuchung. Das Universitätsklinikum hatte bereits Anfang April erklärt, es bedauere "die Geschehnisse um den Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik".
"Hypes und Übertreibungen" in der Wissenschaft
Nach Ansicht des Wissenschaftsjournalisten Hinnerk Feldwisch ist der Fall ein Beispiel für "Hypes und Übertreibungen" in der Wissenschaft. Diese gebe es immer wieder, sagte der Mitgründer vom Online-Portal "MedWatch" im Deutschlandfunk. Es sei aber "relativ selten, dass so große Kampagnen gefahren werden". Nach Ansicht von Feldwisch sei zu befürchten, "dass das eher zunehmen wird, weil die PR-Arbeit auch in der Wissenschaft einiges mitmacht, was es in anderen Bereichen schon gibt."
Ein Grund dafür sei, dass Wissenschaftler versuchten, möglichst viel Aufmerksamkeit für ihre Forschung zu bekommen, um "den nächsten Antrag für Forschungsgelder bewilligt zu kommen".
Gegen Pressekodex "klar verstoßen"
Auch deswegen sei es wichtig, so Feldwisch, dass Journalisten gerade im Bereich der Medizinberichterstattung sorgfältig arbeiteten. Beispielsweise sei es unerlässlich, neben den Studienautorinnen und -autoren auch unabhängige Experten aus dem jeweiligen Fachbereich um eine Einschätzung zu bitten.
Dabei seien auch die Vorgaben des Pressekodex zu berücksichtigen. Dieser sieht vor, dass bei medizinischen Themen "eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden [ist], die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte." Dagegen sei im konkreten Fall "klar verstoßen" worden, sagte Feldwisch.