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Medizin-Technik
Universelles Diagnosegerät für nur 25 Dollar

Der amerikanische Chemiker George Whitesides hat die Entwicklung preiswerter medizinischer Tests für arme Länder stark vorangetrieben. Nun ist ein Alleskönner-Gerät namens uMED erschienen.

Von Arndt Reuning | 05.08.2014
    Das neueste Produkt aus dem Labor von George Whitesides ist so etwas wie ein Schweizer Offiziersmesser unter den Diagnosewerkzeugen, sagt Alex Nemiroski, der an dem Projekt maßgeblich beteiligt war: Ein universeller mobiler elektrochemischer Detektor, kurz: uMED.
    "uMED ist ein Handgerät, das gerade einmal 25 Dollar kostet. Es sieht aus wie ein herkömmliches Blutzuckermessgerät, mit dem unzählige Menschen überall auf der Welt täglich zu tun haben. Aber wir haben ihm die Fähigkeiten und die Vielseitigkeit eines teuren Laborgerätes verliehen. Nun lässt sich damit eine ganze Reihe von Tests durchführen für die medizinische Diagnostik oder zur Überwachung der Umwelt."
    Gedacht ist uMED für den Einsatz in Entwicklungsländern oder in entlegenen Gebieten, wo eine aufwendige Laborausstattung nicht zur Verfügung steht. Weil der kleine Alleskönner auch von Laien bedient werden soll, haben die Harvard-Forscher sein Äußeres bewusst einfach gehalten: Drei Knöpfe genügen, um die Messungen durchzuführen.
    Die zu untersuchende Probe wird auf einen Teststreifen getröpfelt und dann in das Gerät eingeschoben – ganz wie bei einem Blutzuckermesser. So lässt sich zum Beispiel bestimmen, wie viel Natrium im Urin enthalten ist. Dieser Wert liefert einen wichtigen Hinweis darauf, ob der Elektrolythaushalt des Körpers ausgeglichen ist. Aber auch außerhalb der medizinischen Diagnostik kann uMED wertvolle Dienste leisten.
    Auch Malaria kann nachgewiesen werden
    "Ein anderes Anwendungsgebiet ist die Wasserversorgung. Dort können wir giftige Schwermetalle nachweisen, wie etwa Blei und Cadmium. Ein Landwirt zum Beispiel könnte ganz einfach nachprüfen, ob seine Pflanzen damit kontaminiert sind. Oder beunruhigte Bürger könnten nachprüfen, ob ihr Trinkwasser belastet ist. So lässt sich unser Gerät für viele verschiedene Fragestellungen nutzen. Was auch wichtig ist: Wir können damit den Malaria-Erreger nachweisen. In einer entlegenen Klinik wäre das eine kostengünstige Alternative zum teuren Labor. Und prinzipiell lassen sich damit auch andere Krankheiten nachweisen: Ebola, das West-Nil-Virus oder sogar HIV."
    Diese Informationen lassen sich mit uMED vor Ort sammeln und dann an eine zentrale Stelle übermitteln – wo ein Experte sich die Daten anschaut, sie bewertet und eventuell archiviert. Aus der Ferne könnte er dann Ratschläge oder Anweisungen erteilen. Damit diese Kommunikation reibungslos verläuft, überträgt das Gerät die Messwerte per Mobilfunk. Denn das ist eine Technologie, die auch in vielen Entwicklungsländern weiträumig zur Verfügung steht, sagt Alex Nemiroski.
    "So viele Menschen leben an Orten, wo es keine Straßen gibt oder kein fließend Wasser. Denn solch eine Infrastruktur ist teuer. Es kostet viel Geld, sie zu errichten und zu erhalten. Aber irgendwo einen Mobilfunkmast hinzustellen, das ist vergleichsweise billig und profitabel. Daher findet man selbst in Regionen ohne Verkehrswege noch immer ein einfaches Mobilfunknetz. Und das sehen wir als große Chance, um den Menschen dort eine medizinische Expertise zur Verfügung zu stellen und um die Ausbreitung von Krankheiten aus der Ferne zu verfolgen."
    Den Forschern war es dabei von Anfang an bewusst, dass sie auf technische Spielereien würden verzichten müssen – auf Smartphone-Apps und auf Breitbandverbindungen. Denn knapp drei Milliarden Menschen weltweit nutzen noch immer Netzwerke der zweiten Generation. Eine andere Herausforderung bestand in der Schnittstelle zwischen dem Messgerät und dem Handy. Den Erfindern von uMED war es daran gelegen, dass jedes noch so einfache Mobiltelefon die Daten des Messgerätes auslesen und übertragen kann.
    "Wir wandeln daher die Messwerte um in Audiosignale. Die leiten wir dann ganz einfach über die Klinken-Buchse ans Handy. Dadurch ist unser Gerät mit praktisch jedem Mobilfunkgerät auf der Welt kompatibel. Die Audiosignale sendet das Gerät dann an die Cloud. Um einen anspruchsvollen medizinischen Test durchzuführen, braucht man also nur einen Teststreifen, unser Gerät, ein beliebiges Handy und ein Audiokabel – und schon kann's los gehen."
    Eine ganz konkrete Situation, bei der das Messgerät zum Einsatz kommen könnte, wäre zum Beispiel eine Infektionswelle mit Ebola, wie sie gerade über Westafrika schwappt.
    "Prinzipiell wäre das möglich, aber ich denke, wir sind noch nicht so weit, dass wir das jetzt schon angehen könnten. Wir sind immerhin bloß eine Arbeitsgruppe an der Universität. Wir haben hier in Cambridge einen Industriepartner gefunden, der Interesse an dem Gerät hat. Erste Feldversuche in Indien laufen gerade. Wir legen im Moment noch das Fundament für zukünftige Anwendungen. Natürlich könnte unser Gerät einen Beitrag im Kampf gegen Ebola liefern, aber wohl noch nicht gleich morgen."