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Medizintourismus auf den Philippinen

Die Philippinen konnten in den vergangenen Jahren ein Wirtschaftswachstum von fünf bis sechs Prozent erreichen. Doch viele Filipinos leben nur knapp oberhalb der Armutsgrenze. Da wird schon ein Arztbesuch für 150 Pesos zum Risiko. Umso widersprüchlicher erscheinen da Bemühungen der Regierung, den Medizintourismus zu fördern und reiche Ausländer zum Liften und Lasern auf die Philippinen zu locken.

Von Melanie Hinter | 12.05.2007
    Eine stillgelegte Müllkippe am Rande von Manila. Obwohl sie seit 1990 nicht mehr in Betrieb ist, dient der Abfall der Millionenmetropole bis heute vielen als Lebensgrundlage: Männer, Frauen und Kinder suchen hier nach Aluminium, Metall und anderen wieder verwertbaren Materialien, die sich verkaufen lassen. Die Verschläge aus Pappe und Wellblech, in denen die Menschen hier noch bis vor wenigen Jahren direkt auf den Müllbergen lebten, sind mehrstöckigen Wohnhäusern neben der Deponie gewichen. Hier wohnt der 32-jährige Ricky, zusammen mit seiner Mutter. Er ist der Haupternährer der Familie, pro Tag kann er mit dem Müll bis zu 150 Pesos verdienen, knapp über zwei Euro.

    Er träumt von einem Fahrrad mit Seitenanhänger - doch dafür muss er 7000 Pesos zurücklegen, erzählt er. Einen Teil des Geldes hat er schon gespart.

    " Ich hatte eine Operation am Ohr und mein Vater ist gestorben. Da waren meine Ersparnisse weg. Für die Operation musste ich 2000 Pesos zahlen. "

    Wie Ricky geht es vielen Filipinos. Wer genügend Geld hat, kann sich jedoch auch auf den Philippinen einen gut ausgebildeten Arzt und wirksame Medikamente leisten. Zum Beispiel im Asian Hospital in Manila, 250 Betten gibt es hier und medizinische Versorgung auf internationalem Niveau. Die Patientenzimmer sind hell, sauber und angenehm klimatisiert, Telefon und Fernseher gehören zur Standardausstattung.

    Das Asian Hospital ist Vorreiter einer Entwicklung, die die philippinische Regierung mit allen Mitteln unterstützt und sogar als offizielles Ziel ihrer Politik ausgibt. Reiche Ausländer sollen auf den Philippinen ihre Falten liften und die Augen lasern lassen, aber auch kompliziertere Eingriffe und Krebstherapien sollen angeboten werden. Die philippinische Regierung hofft damit die Wirtschaft in Gang zu bringen und Touristen ins Land locken.

    Das Asian Hospital steht dafür bereit, auch wenn bisher erst zwei Prozent der Patienten zu den Medizintouristen gezählt werden können. Die Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges habe große Vorteile, nicht nur für ihr Krankenhaus, sondern für das für das gesamte Land, sagt Pamela Robinson, Geschäftsführerin des Asian Hospital.

    " Medizintourismus wird für mehr Arbeitsplätze sorgen. Die Medizintouristen kommen ins Land. Wenn sie jetzt herkommen um eine Schönheitsoperation durchführen zu lassen, gehen sie danach nach Boracay und machen Ferien, sie werden einkaufen gehen, in Restaurants gehen. Es werden also all diese Nebeneffekte entstehen, die letztendlich den Filipinos Arbeit geben werden. "

    Darauf hofft auch Eduardo Morato vom Asian Institut of Management. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und berät die philippinische Regierung.

    " Die philippinische Regierung hat ihre Priorität immer auf die Landwirtschaft und die Industrie gelegt. Also die beiden Bereiche, in denen wir meiner Meinung nach nicht besonders produktiv und damit auch nicht wettbewerbsfähig sind. Umso wichtiger ist der Dienstleistungssektor. Philippinische Krankenschwestern und Ärzte gehen in die ganze Welt. Die Philippinischen Ärzte und Krankenschwestern sind bevorzugte Arbeiter auf der ganzen Welt. Aber in den vergangenen vier Jahren sind alleine 70.000 Krankenschwestern in Großbritannien eingestellt worden. "

    Die attraktiven Jobs im Ausland sind ein Grund, warum die Krankenpflegeschulen auf den Philippinen boomen - aber zugleich fehlt immer öfter das Personal, um die eigenen Kranken zu versorgen. Auch die Ärzte werden knapp. Besonders dramatisch ist die Lage außerhalb der großen Städte.

    Wie in diesem Provinz-Krankenhaus auf der Insel Leyte, eine Flugstunde von der Hauptstadt Manila entfernt. vier Zimmer, davon ein First-Class-Zimmer mit Klimaanlage hat der einstöckige Bau, in den restlichen Zimmern kämpfen Ventilatoren gehen die tropische Hitze und die Ausdünstungen von mindestens vier Patienten pro Zimmer an.

    Eduardo Cahoy ist der Chefarzt der Klinik. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen kümmert er sich aufopferungsvoll um die Patienten.
    " Eines unserer Probleme ist das Personal, besonders die fehlenden Ärzte. Die, die noch hier sind haben oftmals keine Energie mehr, um wirklich ihr Bestes für die Patienten zu tun. Manchmal schlafen sie einfach um auszugleichen, dass sie ein oder sogar zwei Wochen lang durchgehend Dienst hatten. Sorgen bereitet uns außerdem, dass sich immer mehr Ärzte zu Krankenpflegern ausbilden lassen und dann ins Ausland abwandern. Genau das passiert uns hier auch, das ist ein großes Problem. "

    Auch dieses Problem soll der Medizintourismus lösen. Denn Eduardo Morato ist sich sicher, wenn die Ärzte erstmal die Möglichkeit haben, auch auf den Philippinen gutes Geld mit ihrer Arbeit zu verdienen, bleiben sie hier - und davon profitiere das gesamte philippinische Gesundheitswesen.

    " Das einzige was sie zum Bleiben bewegen kann ist, dass sie ihren Beruf ausüben können und ein ordentliches Einkommen erhalten. Innerhalb eines jeden Krankenhauses gibt es auch Sozialprogramme zum Beispiel eine Sozialstation. Ein Teil der Einnahmen wird an diese Sozialstation weitergeleitet. Die meisten Krankenhäuser haben so ein System. "

    Eine bessere Versorgung für die einheimische Bevölkerung kann sich Gene Alzona Nisperos indes nicht vorstellen. Er ist Mitglied der Health Alliance for Democracy, einer Vereinigung kritischer Ärzte, die sich für eine bessere Gesundheitsversorgung der philippinischen Bevölkerung einsetzen. Gene beklagt, dass viele Filipinos sterben, ohne jemals einen Arzt gesehen zu haben.

    " Medizintourismus würde einer bestimmten Gruppe nutzen. Nämlich denen, die das Geld haben, aber sich die Leistungen in ihrem eigenen Land nicht leisten können. Der Medizintourismus gerät erst dann zu einer guten Sache, wenn die Grundversorgung für die breite Bevölkerung gewährleistet ist. Doch davon sind wir weit entfernt, und so ist der Medizintourismus hier fehl am Platz. "

    Die Möglichkeiten seiner Organisation direkten Einfluss auf die Regierungspolitik zu nehmen schätzt der Arzt eher gering ein. Sie hätten lediglich die Möglichkeit auf die Medien einzuwirken, die Ärzte aufzuklären und die Bevölkerung auf das Problem aufmerksam zu machen.

    Währenddessen schuftet Ricky weiter auf der Müllkippe, um das Überleben seiner Familie zu sichern. Und für das Fahrrad zu sparen, von dem er träumt. Selbst wenn er und seine Mutter in nächster Zeit gesund bleiben - es wird lange dauern bis er das Geld zusammenhat. Die einzige Ablenkung bis dahin: das Karaoke-Gerät, das geschützt durch eine löchrige Plane zwischen den Häusern steht.
    Medizintourismus auf den Philippinen - Die Festigung der Zwei-Klassen-Medizin oder der Ausweg aus der Krise?