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Meeres- und Fischereischutz
Nachhaltige Fischerei blutet Fischer aus

Die EU-Fischereipolitik sorgt mit Vorgaben dafür, dass sich Fischbestände erholen. Und das mit Erfolg. Doch nicht alle Fischereibetriebe halten sich an die Vorgaben: Denn sie können es sich nicht leisten, die Fangquoten um bis zu 80 Prozent zu senken.

Von Axel Schröder | 04.10.2016
    Ein Reusenkorb wird gehalten von einer in einem Handschuh steckenden Hand eines Fischers, vor der Kulisse der Ostsee.
    Fischerei-Lobby und Naturschützer sind sich einig, dass es absurd sei, wenn Freizeitfischer mehr Dorsche fischen dürfen als Berufsfischer. Darum ist jetzt eine Abwrackprämie für 30 Jahre alte Kutter im Gespräch. (dpa / Stefan Sauer)
    Die gute Nachricht kommt zuerst: einige Rotbarsch-Bestände im Nordost-Atlantik haben sich in den letzten zehn Jahren zumindest etwas erholt. Auch dem Heilbutt geht es zwar noch nicht gut, aber besser. Das gleiche gilt für den Aal, aber auch er taucht nach wie vor auf der Roten Liste des WWF auf. Catherine Zucco vom Zentrum für Meeresschutz des WWF bestätigt, dass politische Vorgaben zum Schutz von Seefischen tatsächlich etwas ändern können:
    "Die reformierte EU-Fischereipolitik hat sehr gute Zielsetzungen und kann eine nachhaltige Fischerei eigentlich sicherstellen. Aber das Problem ist, dass die einzelnen Regionen die Details ausarbeiten und man zum Beispiel für Ostsee und die Nordsee eigene Pläne entwickelt und leider lassen die Hintertüren offen."
    Und dass ist die schlechte Nachricht. - Während sich die Bestände einiger Fischarten zumindest erholen konnten, geraten andere immer stärker unter Druck. Und deshalb sollten sich Verbraucher beim Einkauf auch weiterhin an den Leitfäden des WWF oder von Greenpeace orientieren.
    Schwammiger Begriff: "nachhaltige Fischerei"
    "Der westliche Ostsee-Dorsch steht kurz vor dem Kollaps. Und das liegt daran, dass seit Jahren die Fangquoten zu hoch gesetzt wurden und der Bestand eigentlich schon überfischt ist und eben nicht genug eingeschränkt wurde. Und der Bestand sich nicht erholen konnte."
    Dass die Dorsch-Bestände überfischt werden könnten, davor hatte das Thünen-Institut für ländliche Räume, Wald und Fischerei schon vor Jahren gewarnt. Trotzdem hatten die für die Fangquoten zuständigen Behörden die Mengen nicht im geforderten Maß reduziert. Möglich war das, weil der Begriff der "nachhaltigen Fischerei" eben weiter gefasst wird, als es den Naturschützern lieb ist, erklärt Dr. Matthias Keller, der Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels:
    "Das Konzept der Nachhaltigkeit heißt, dass es nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch sozio-ökonomisch nachhaltig sein muss. Und deshalb kann man Verständnis dafür haben, dass in dieser speziellen Situation jetzt vielleicht der wissenschaftliche Fangempfehlung nicht ganz gefolgt wird, weil sozio-ökonomische Aspekte dagegen sprechen. Also die Fangquote nicht um 80 Prozent zu reduzieren, sondern um 40 oder 20. Ein Kompromiss, sicherlich, der von der reinen Lehre abweicht. Aber durchaus menschlich und verständlich ist."
    Fischereibetriebe müssen überleben können
    Eine sozio-ökonomische Nachhaltigkeit beinhalte eben auch, dass die Fischereibetriebe überleben können. Und das sei, wenn die Fangquoten allzu stark gesenkt würden, eben nicht möglich, so Matthias Keller. Wenn, wie von Meeresexperten der EU-Kommission zuletzt gefordert, die Fangmengen um bis zu 87 Prozent, auf rund 900 Tonnen gesenkt würden, müssten viele Fischer ihre Betriebe schließen.
    Besonders absurd sei es, wenn Hobbyangler in der Ostsee mehr Dorsche aus der See fischen dürfen als die Berufsfischer. Darin sind sich der Fischereilobbyist und Catherine Zucco vom WWF einig:
    "Man hat jetzt nochmal die Zahlen für die Freizeitfischer geprüft. Allein in Deutschland werden 3.000 Tonnen , über 3.000 Tonnen gefangen. Und die schwedische und dänische Freizeitfischerei ist auch eine große Fischerei. Hier hat man aber keine genauen Zahlen."
    Aus dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium kommt deshalb der Vorschlag, all jenen eine Art Abwrackprämie zu zahlen, die einen mehr als 30 Jahre alten Kutter für immer stilllegen.