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Meeresforschung
Die Wärme der Wellen

Was erwärmt eigentlich die Weltmeere? Eine einfache Frage könnte man meinen – es ist natürlich die Sonne. Doch jetzt haben Meeresforscher noch einmal genauer hingeschaut und einen bisher völlig unbeachteten Faktor entdeckt: brechende Wellen.

Von Lucian Haas | 28.10.2014
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    Zumindest entlang der Küsten haben Wellen einen erstaunlich hohen Anteil an der Wärmebilanz der Meere. (dpa picture alliance/ Christof Martin)
    Wenn Wellen an eine Küste rollen und brechen, wird es im Wasser turbulent. Die Wassermoleküle reiben aneinander. Ein Teil der Bewegungsenergie wird dabei in Wärme umgewandelt. US-Meeresforscher haben nun erstmals genau ermittelt, wie groß der Wärmeumsatz in einer Brandungszone an der Küste Kaliforniens tatsächlich ist. Gregory Sinnett vom Scripps Institut für Ozeanografie in San Diego:
    "Die Größenordnung der Wärmemenge, die durch die Wellen erzeugt wird, hat uns überrascht. Wir sprechen hier zwar nicht von mehreren Grad Celsius Temperaturzunahme. Aber unsere Messungen ergaben, dass die Reibungswärme der Wellen im Tagesdurchschnitt einem Viertel der eingestrahlten Sonnenenergie entspricht. Die Sonne gilt allgemein als die wichtigste Wärmequelle der Ozeane. Die Wellen tragen aber einen bedeutenden Teil dazu bei."
    Das Interessante an dieser neuen Erkenntnis ist: Bisher haben Meeres- und Klimaforscher die wärmende Wirkung brechender Wellen bei ihren Berechnungen von Energiebilanzen der Ozeane völlig außer Acht gelassen. Auf die Gesamtfläche und Wassertemperatur der Weltmeere bezogen sei der Effekt vermutlich auch verschwindend gering, sagt Gregory Sinnett.
    "Es gibt nicht viel Wasser in Brandungszonen, verglichen mit dem Rest des Ozeans. Aber für das Leben von Fischen und anderen Arten, die sich in den Küstenzonen tummeln, könnte die Wellenwärme eine wichtige Rolle spielen."
    An Standorten, wo der Wärmeeintrag durch eine starke Brandung groß ist, könnte er die Ökologie der marinen Küstenlebensräume beeinflussen. Besonders stark dürfte sich das in arktischen Gewässern bemerkbar machen. In hohen Breitengraden ist die Sonneneinstrahlung deutlich geringer als in Kalifornien, während kräftigere Stürme häufiger für große Wellen sorgen. Falk Feddersen, ein Kollege Sinnetts, hat berechnet, dass die Wellen dort drei Mal mehr zur Erwärmung der Küstengewässer beitragen könnten als die Sonne. Dieser Effekt könnte möglicherweise sogar den Klimawandel verstärken, wenn das See-Eis vor den arktischen und antarktischen Küsten schwindet. Falk Feddersen:
    "Es könnte eine positive Rückkopplung geben. Weniger Eis auf dem Meer bedeutet mehr Wellen, und das bedeutet mehr Wärme, was wiederum zu weniger Eis und noch mehr Wellen führen kann. Aber das ist ein Thema für Fachleute, die sich mit See-Eis, Permafrost und solchen Dingen beschäftigen. Das ist nicht unsere Spezialität."
    Durch Brandungswellen erzeugter Schaum reflektiert wiederum mehr Sonnenenergie
    Falk Feddersen und Gregory Sinnett wollen erst einmal die Wärmeenergiebilanz der Brandungswellen komplett erfassen. Und da gibt es einen möglicherweise bedeutenden Faktor, der in ihren ersten Berechnungen noch fehlt. Es ist die sogenannte Albedo. Das ist der Anteil der Sonneneinstrahlung, der von einer Oberfläche direkt reflektiert wird.
    "Eine brechende Welle erzeugt viel weißen Schaum an der Wasseroberfläche. Weiße Flächen reflektieren mehr Sonnenenergie als dunkle. Die gesteigerte Albedo in der Brandungszone reduziert den Wärmeeintrag durch die Sonne."
    Das würde im Gegenzug bedeuten, dass der relative Anteil der Wellenenergie an der Wärmebilanz der Brandungszonen sogar noch größer ist, als bisher gedacht. Gregory Sinnet hat bereits mit gezielten Messungen der Albedo brechender Wellen begonnen. Erste Ergebnisse will er im Dezember auf einer Fachtagung präsentieren.