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Mehr als der rausgeworfener Beatle

Pete Best war der erste Schlagzeuger der Beatles, bevor er durch Ringo Starr ersetzt wurde. Erst 20 Jahre nach seinem Rauswurf kehrte er 1988 ans Schlagzeug zurück. Angefangen hat seine Liebe zur Musik aber mit einem ganz anderen Instrument.

Pete Best im Gespräch mit Andreas Zimmer | 10.03.2012
    Pete Best: Wie jedes Kind in Liverpool: Als die große Skifflezeit begann, war es klar, ich wollte eigentlich eine Gitarre. Eine billige Spanische. Ich schaffte mir die drei Grundakkorde drauf und posierte vor dem Spiegel – yeah yeah yeah. Aber irgendwie war ich das nicht. - Später dann sah ich das erste Mal Gene Krupa Schlagzeug spielen. In einem Film. Und ich war wie hypnotisiert. So wollte ich auch sein. Als wir dann unsere erste Band gründeten, war klar: Ich wollte der Schlagzeuger sein. So war es. Gene Krupa hat mich inspiriert und ich hab mir Sachen von ihm abgeschaut, vor allem, was er mit den Tom-Toms gemacht hat."

    Andreas Zimmer: Seit damals hat sich das Schlagzeugspielen ziemlich verändert. Wie haben Sie diese Veränderungen erlebt?

    Best: Auch die Schlagzeugtechnik hat sich geändert. Und die Drumkits, die Instrumente selbst. Das erste Schlagzeug, das ich hatte, war toll. Das Beste, das ich mir damals leisten konnte. Aber wie alles andere hat sich auch das verändert, ist größer geworden. Sogar die Trommelfelle und die Stöcke haben sich geändert. Wenn du heutzutage hinter einem Schlagzeug sitzt, dann musst du es nicht mal berühren. Ein Schweißtropfen darauf und es spielt quasi von selbst. Aber auch hier gilt wie überall: Instrumente verändern sich, Technik schreitet voran. Und das ist gut so. Denn wenn sich nichts verändern würde, würde sich auch die Musik nicht weiterentwickeln.

    Zimmer: Damals in den 60ern war das Schlagzeugspielen aber noch nicht so übertechnisiert wie heute. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass Sie eine 'kleine Pause' von rund 20 Jahren hatten zwischen 68 und 88. Hatten Sie wirklich komplett aufgehört? Oder war es nur für die Öffentlichkeit?

    Best: Nein, und das war das Lustige. Als ich 1968 die Entscheidung getroffen hatte, mit der Musik aufzuhören, war ich verheiratet und musste meine Familie versorgen. Ich wusste, das kann ich nur, wenn ich das Schlagzeug einmotte und die Stöcke verstecke. Fein, das wars dann also. Nur mein jüngerer Bruder Roger bat mich noch, ihm noch ein paar Grundlagen beizubringen. Und ich war nicht bereit, ihm mehr als das beizubringen. Also abgesehen von diesen ein oder zwei Übungseinheiten für ihn, habe ich nicht gespielt. Und über die Jahre kamen eine Menge Anfragen rein, ob ich nicht wieder spielen wollen würde. Ich hab sie immer wieder abgesagt und abgesagt und abgesagt...

    Zimmer: Was hat sie 1988 dann bewogen, doch wieder Musik zu machen?

    Best: 1988 sind mir wohl die Entschuldigungen ausgegangen, um ehrlich zu sein. Es sollte eine Show in meiner Heimatstadt Liverpool geben und die Leute sagten: Schau mal, du bist jetzt 20 Jahre raus aber du schuldest es Liverpool und deinen Fans. Mein Bruder Roger argumentierte: Das ist doch ohnehin nur eine einmalige Angelegenheit. Für die Nachwelt. Und für unsere Mama Mona, damit sie auch mal ihren ältesten und jüngsten Sohn zusammen auf der Bühne sehen kann. Also haben wir zusammen gespielt. Das Publikum war fantastisch! - Nachher kam meine Mutter und sagte: Pete, du weißt es vielleicht noch nicht aber du bist wieder zurück in deinem Business. Ich sagte nein. Aber sie beharrte darauf. Und sie hat recht behalten. Seit damals sind wir wieder unterwegs. - Viele Leute meinen, das sei überhaupt der beste Weg gewesen, wenn man mal drüber nachdenkt. Meine Familie war abgesichert, alle waren erwachsen, alle hatten eigene Jobs und waren verheiratet und so weiter. Wir hatten unser Haus und ein Auto. Also konnte ich doch total entspannt auf die Bühne zurückkehren. Selbst wenn es nicht so gut gelaufen wäre, hätte ich keinen finanziellen Druck habt.

    Zimmer: Wir sollten auch ein bisschen über die immer noch unklaren Vorkommnisse reden, wegen denen Sie unter besagten Druck gerieten, damals, als Sie Anfang der 60er die Beatles verlassen mussten und durch Ringo Starr ersetzt wurden. Würde Sie für uns die damaligen Umstände etwas erhellen?

    Best: Dazu hat jeder seine eigene Meinung. Aber es ist so gewesen: Ich wurde in Brian Epstein's Büro gerufen. Er war der Manager. Ich wusste nicht recht, wie mir geschah, denn wir hatten eben einen Plattenvertrag mit EMI abgeschlossen und wollten zurück ins Studio, letzte Hand anlegen an unsere erste Veröffentlichung: "Love me Do" und "PS, I love you". Aber hinter meinem Rücken mussten sich Dinge entwickelt haben, von denen ich nichts wusste. Jedenfalls wollten die Jungs mich nicht mehr in der Band und überließen das Brian Epstein. Er verkündete mir, ich sei ein zu schlechter Schlagzeuger, das hätte ihm George Martin, der Produzent, gesagt.

    Also bin ich dann zu George Martin gegangen und habe ihn direkt zur Rede gestellt, dass er für meinen Rausschmiss verantwortlich sei. George aber sagte: "Nein, bin ich nicht. Ich hab Brian und den Jungs gesagt, dass ich derzeit nicht so zufrieden mit deinem Schlagzeugsound bin. Das würde ein bisschen Zeit brauchen. Aber sie könnten ja einen Sessiondrummer anheuern." - Das war damals durchaus üblich: was auf der Bühne passiert war eine Sache, eine ganz andere, was im Studio los war. Und weiter meinte George: "Ich akzeptiere, dass Pete in der Band ist, verändert die Zusammensetzung bloß nicht."

    Aber irgendwo zwischen dem, was er meinte und wie es interpretiert wurde, war ich raus. Es wurde zu 'Er hat gesagt, sie hat gesagt, ihr habt gesagt' – und als das passierte, mit dem Umstand, dass das Gerücht schon draußen auf den Straßen kursierte... Ich mein, es wurde so viele verschiedene Versionen erzählt und es war wie eine Rauchbombe, um alles zu vernebeln. In der ersten Pressemitteilung stand, ich sei freiwillig gegangen. Aber warum hätte ich das machen sollen, ich hatte doch eben einen Vertrag unterschrieben? - - Ich hab immer noch keine Ahnung, was damals passiert ist. Ich konnte die Jungs dann auch nicht mehr erreichen, weil sie mich nicht mehr kennen wollten. Also wusste ich auch nicht, ob sie dafür verantwortlich waren. Oder nicht.

    Irgendwann kommt dann aber der Zeitpunkt, wo du dir sagst: Okay, was mich betrifft, ist das Kapitel nun Geschichte. Wenn ich's irgendwann mal rausfinden sollte - ich glaube aber nicht, dass das geschieht, denn es gibt nur einen lebenden Menschen, der das klären könnte und das ist Paul. Und wir haben uns nicht mehr getroffen...

    Zimmer: Ich verstehe das richtig: Sie hatten seit damals keinen Kontakt zu irgendeinem der Beatles?

    Best: Das letzte Mal als ich sie gesehen habe war 1963. Im Fernsehen. Und mit der neuen Band wurden wir bei einer Mersey-Beat-Umfrage mal Zweite. Direkt hinter den Beatles. Das war schon ein kleiner Erfolg für mich, denn näher bin ich ihnen nie mehr gekommen. Aber wenn Sie meinen, wann wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben – das war 1962. In der Nacht vor meiner Entlassung.

    Zimmer: Eine wirkliche Schande, wenn Sie mich fragen! - Wie sind Sie über diese schwierigen Zeiten hinweggekommen, ohne verbittert zu werden?

    Best: Ich habe schon immer gesagt: 'Bitter' ist ein zu starkes Wort dafür. - Ich hab mich geärgert, ich war wütend, verstehen Sie? Allein wegen der vielen Arbeit, die ich investiert hatte: Ich hatte alles gegeben, damit sie Erfolg haben konnten. Und mir wurde er vorenthalten. Wofür ich nicht mal etwas konnte. - - Wenn man zulässt, dass sich dieser Ärger setzt, dann wird Bitterkeit daraus. Aber so was passiert nun mal im Leben. Man muss damit klarkommen, weitergehen. Und nach den vielen Jahren kann ich voller Überzeugung sagen:

    Manche Entscheidungen sind gut gewesen im Endeffekt. Ich hab das nicht gleich bemerkt aber ich bin glücklich. Ich mache immer noch Musik und bin gesund, bin seit knapp 50 Jahren so glücklich verheiratet, wie nur möglich. Ich habe zwei wunderbare Töchter und vier Enkel. Da wachst du morgens auf und stellst fest: Ich bin ein glücklicher Mann. Also freue ich mich auf jeden Tag, an dem ich noch aufwachen darf.

    Zimmer: Weil es immer wieder etwas Neues und Überraschendes zu erleben gibt. Wie zum Beispiel als Liverpool eine Straße nach Ihnen benannt hat. Wie fühlte sich das an? Hat Sie das für irgendetwas entschädigt?

    Best: Jeder sagt Dir, dass es eine unglaubliche Ehre ist. Aber als es angekündigt wurde, dass es eine Petition in Liverpool gab, 20.000 Einwohner unterschrieben hatten, um eine Straße nach mir zu benennen, war ich erstmal etwas gekränkt und schockiert, denn normalerweise werden nur Straßen nach Toten benannt. Aber am Ende des Tages ist das natürlich wirklich eine große Ehre, die eigene Straße zu haben, den Pete Best Drive.

    Aber das Schönste war, dass die Stadt Liverpool auch einen "Casbah Close" benannt habt. Um meine Mutter Mona zu ehren, die den Casbah-Coffee-Club erfunden und geleitet hat. Der Ort, an dem der Mesey-Beat und die Beatles erfunden wurden. Der gehört uns immer noch.