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Mehr als nur ein Klingelton

Der Spanier Francisco Tárrega gilt Eingeweihten als Vater der modernen klassischen Gitarre. Einige seiner Melodien sind weltberühmt, den Namen ihres Schöpfers indes kennen nur wenige. Tárrega entwickelte neue Spieltechniken und verlieh als Virtuose, Lehrer und Komponist seinem Instrument entscheidende Impulse für dessen Erfolg im 20. Jahrhundert. Viele seiner Werke gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der Gitarre. Heute jährt sich sein Todestag zum 100. Mal.

Von Sabine Fringes | 15.12.2009
    Der Nokia-Klingelton - kaum ein Tag vergeht ohne diese kleine Melodie: Man kann sie in Zügen und Restaurants hören, auf der Straße, im Fernsehen und im Radio.

    Es ist der berühmteste aller Klingeltöne und damit zugleich die wohl meist gespielte Melodie der Welt. Den Namen des dazugehörigen Mobilfunkkonzerns kennen viele, doch nur wenige werden wissen, dass dieses zur "Hörmarke" avancierte Motiv ein Zitat aus der "Gran Valse" von Francisco Tárrega ist.

    Francisco Tárrega wird am 21. November 1852 in Villarreal geboren, einer kleinen Stadt 60 km nördlich von Valencia. Die Familie ist, wie die Mehrheit der Bevölkerung, arm, und der kleine Francisco lernt die ersten Gitarrengriffe auf der Straße. Viel hält ihn nicht in dem Städtchen am Mittelmeer, insgesamt drei Ausreißversuche startet der Junge, allesamt nicht ohne Gewinn für seine musikalische Laufbahn: Nach seiner ersten Flucht mit zehn Jahren sorgen die Eltern dafür, dass ihr Sohn Klavierunterricht erhält, mit 13 gelingt es ihm, ein Jahr lang als Straßenmusiker seinen Lebensunterhalt zu verdienen und bei seinem letzten Alleingang mit 15 findet er einen Mäzen, der ihm seinen Unterricht weiter finanziert.

    Ein anderer Gönner ermöglicht ihm schließlich den Kauf eines der Instrumente aus der innovativen Meisterwerkstatt von Antonio de Torres. Dessen Gitarrenmodelle sind größer und breiter als die seiner Kollegen und damit für damalige Verhältnisse ungewöhnlich laut und klangvoll.
    Ein Kritiker des "Brighton Observer" schreibt im Jahr 1862:

    "Der Teufel selbst scheint in die Gitarre gefahren zu sein und sich vergeblich zu bemühen, durch das Schallloch zu entkommen."

    Tárrega widmet sich fortan der Aufgabe, seinem Instrument, das zu der Zeit noch im Schatten des Klaviers steht, klangvolle Töne zu entlocken. Er entwickelt neue Spieltechniken, die seine Zuhörer verblüffen und ihm den Namen "Sarasate der Gitarre" einbringen.

    Ungewohnt etwa ist sein weicher Anschlag, für den er nur die Fingerkuppe statt, wie sonst üblich, den Nagel einsetzt. Bald ist für diese Spieltechnik auch eine eigene Bezeichnung im Umlauf: Con guantes: Spielen mit Handschuhen.

    "Der Klang Tárregas ist, da er die Saiten mit den Fingerkuppen anschlägt, der reinste, den man auf der Gitarre je gehört hat; seine Technik war vollkommen, seine Musikalität und erlesene Empfindungskraft verliehen seinen Interpretationen einen unaussprechlichen Zauber", "

    schrieb der Kritiker Joaquin Peña.

    Tárrega war nicht nur ein herausragender Virtuose, sondern auch ein hingebungsvoller Lehrer. Viele namhafte Gitarristen gingen aus seiner Klasse hervor und gaben seine Spielmethoden nach seinem Tod am 15. Dezember 1909 weiter an ihre Schüler.

    Von ihm erhalten sind an die 120 Bearbeitungen für Gitarre von Klavierwerken von Mendelssohn, Chopin und Beethoven, aber auch von den spanischen Komponisten Isaac Albéniz und Enrique Granados, mit denen Tárrega gut befreundet war. Dazu kommen gut 80 eigene Stücke. Berühmt sind bis heute seine Melodien aus "Danza mora", dem "Capricho árabe" und "Recuerdos de la Alhambra".

    " "Es war ein Mann von großer Sensibilität. Als Komponist war er völlig unbedeutend."

    So Andrés Segovias schroffes Urteil über die Musik seines Kollegen, nach dessen Namen man selbst in ausführlichen Musikgeschichten heute meist vergeblich sucht: Denn auch in seinen Stücken offenbarte sich Tárrega als Virtuose, dem mehr an der Verfeinerung des Klanges als an der Ausbildung eines eigenen, individuellen Kompositionsstils gelegen war.

    Und doch: Mit seinen Konzerten, seiner ungewöhnlichen Spieltechnik - und seinen Werken, von denen heute noch viele zum gängigen Repertoire gehören, setzte er wichtige Impulse für den Erfolg der Gitarre im 20. Jahrhundert.