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Mehr als Öl und Gas
Lukaschenko vs. Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin und sein Amtskollege Alexander Lukaschenko haben sich zweimal innerhalb einer Woche getroffen – das gab es noch nie. Sicherlich ging es auch um die neuen russischen Exportbestimmungen für Öl und Gas, doch hinter den gestiegenen Preisen steckt mehr.

Von Florian Kellermann | 07.01.2019
    Wladimir Putin, links, Alexander Lukashenko in Minsk
    Wladimir Putin (links) und Alexander Lukaschenko (rechts) bei einem Treffen in Minsk im Juni 2018 (Alexei Nikolsky, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)
    Alexander Lukaschenko hat sich noch nie öffentlich so kritisch über den großen Nachbarn im Osten geäußert wie im vergangenen Dezember. In einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte er zu seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin:
    "Wladimir Wladimirowitsch, Sie rechnen falsch. Wir bekommen russisches Gas zu schlechteren Bedingungen als Deutschland. Und das, obwohl wir mit Russland einst gemeinsam gegen Deutschland gekämpft haben. So etwas müssen unsere Veteranen heute erleben."
    Es geht um mehr als den Gaspreis
    Was den weißrussischen Präsidenten so nervös macht, ist in Wahrheit aber gar nicht der Gaspreis. Es sind vielmehr die neuen Exportbestimmungen für Öl, die in Russland von diesem Jahr an greifen. Aus russischer Sicht passiert nichts Einschneidendes: Der Exportzoll fällt in den nächsten Jahren schrittweise von bisher 30 Prozent auf null Prozent. Zum Ausgleich müssen die ölfördernden Unternehmen höhere Steuern bezahlen. Für Weißrussland ein schwerer Schlag. Denn das Land ist vom russischen Exportzoll auf Öl ausgenommen. Die höheren Steuern schlagen jedoch voll auf den Preis für Weißrussland durch. Das weißrussische Wirtschaftsmodell gerate ins Wanken, sagt der russische Politologe und Publizist Wladimir Ryschkow:
    "Weißrussland ist abhängig von russischer Hilfe"
    "Weißrussland ist weitgehend abhängig von russischer Hilfe. Jährlich flossen bisher im Durchschnitt rund 4,7 Milliarden US-Dollar an Subventionen - in Form von Krediten, die später abgeschrieben werden oder in Form von billigem Öl. Weißrussland verarbeitet das Öl weiter - und verkauft die Produkte mit großem Gewinn auf dem Weltmarkt."
    Lukaschenko hatte bei seinen beiden Treffen mit Putin vor dem Jahreswechsel also ein klares Ziel: Er wollte eine Kompensation für den steigenden Ölpreis. Bekommen hat er sie bisher nicht.
    Russland macht Politik über den Gaspreis
    Denn der russische Präsident fordert dafür eine Gegenleistung - und die sei hoch, meint Arsen Siwizkij, Direktor des Zentrums für strategische und außenpolitische Forschung in Minsk:
    "Russland geht die Sache strategisch an: Weißrussland soll seine Unabhängigkeit, seine Souveränität verlieren. Darüber spricht der Kreml inzwischen offen. Das heißt, er schickt solche Signale nicht mehr nur an die weißrussischen Eliten, sondern an die ganze Gesellschaft."
    Ausgesprochen hat es der russische Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew: Moskau will zu einem Vertrag aus dem Jahr 1999 zurückkehren. Er sieht vor, dass sich Russland und Weißrussland schrittweise zu einem Bündnisstaat vereinigen. Beginnen würde der Prozess mit einer gemeinsamen Währung, an seinem Ende gäbe es ein gemeinsames Steuersystem und eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Niemand zweifelt daran, dass Russland in so einem Bündnisstaat tonangebend wäre. Zumindest rhetorisch hält Alexander Lukaschenko dagegen. In seiner Neujahrsansprache sagte er:
    "Besonders warme Worte richte ich an die Werktätigen auf den Feldern und in den Fabriken, an die Vertreter der Intelligenz, die Beschützer unseres Vaterlandes und die ältere Generation - an alle, die auf der fruchtbaren weißrussischer Erde den ersten unabhängigen und souveränen Staat geschaffen haben. Hört nicht auf, ihn zu bauen. Wir sollten unseren Staat noch stärker machen."
    Doch was, wenn Russland ernst macht und der kleine Nachbar tatsächlich immer mehr für den Ölimport bezahlen muss? Kann Alexander Lukaschenko sich an der Macht halten, wenn der Lebensstandard der Weißrussen sinkt? Auf diese Fragen gibt es bisher keine Antwort. Der autoritär herrschende Präsident geht in sein bisher schwerstes Jahr.