Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Mehr Druck, weniger Energieverbrauch

Mit Druckluft lassen sich Autos lackieren, Industrieroboter antreiben, Werkstücke reinigen oder Kekse mit einem irren Tempo verpacken. Aber Druckluft ist auch teuer. Kompressoren einer Firma aus Simmern im Hunsrück brauchen dagegen ein Viertel weniger Energie als die der Konkurrenz. Deshalb ist sie einer von fünf Kandidaten für den Hermes Award, den wichtigsten deutschen High-Tech-Preis.

Von Christoph Gehring | 17.04.2009
    Erfunden haben die Druckluft – wie so vieles – die alten Ägypter: Die haben um 1500 vor Christus den fußbetriebenen Blasebalg und damit den ersten Kompressor der Welt entwickelt. Dass zusammengedrückte Luft ein großartiges, weil vielseitiges, Medium ist, gehört seither zu den Gewissheiten der Menschen.

    3.500 Jahre nach der Erfindung des Blasebalgs hat CompAir die Druckluft noch einmal neu erfunden: Mit einem Kompressor namens Quantima, der von außen aussieht, wie ein Kompressor eben so aussieht, der im inneren seines blau lackierten Gehäuses aber ein Hauptproblem der Druckluftherstellung löst – das der Schmierung der beweglichen Teile. Denn die Verdichterelemente – seien es nun Schrauben, Kolben oder Rotoren – müssen mit Öl oder Fett geschmiert werden. Und ein Teil des Öls oder Fetts findet sich dann später unweigerlich in der Druckluft, die deswegen aufwändig gewaschen und gefiltert werden muss, bevor sie beispielsweise Autolack versprühen, Kekse vom Band pusten oder beim Zahnarzt die kariösen Reste aus der Mundhöhle blasen darf. CompAir hat das Problem gelöst, indem die Ingenieure beim Modell Quantima der Kompressorwelle das Schweben beigebracht haben, erklärt Geschäftsführer Harald Härter:

    " Hier ist es so, dass wir uns des Magnetismus – also den machen wir uns zunutze und bauen ein Magnetfeld auf. Und in diesem Magnetfeld schwebt eine Welle. Das war das eigentliche Problem, deswegen gibt's das auch erst jetzt – das sind fünf Jahre Entwicklung, die waren dafür nötig. Und das Wesentliche an dieser ganzen Entwicklung ist diese Magnetlagerung in Verbindung natürlich mit der Elektronik, die wir dort drin haben."

    Die berührungsfreie Lagerung der Welle, die das Verdichterrad antreibt, spart vor allem Energie: Wo nichts aneinander reibt, entstehen keine Reibungsverluste. Ein Viertel der Stromkosten für den Betrieb des Kompressors lasse sich auf diese Weise einsparen. Und Harald Härter ist sicher: Das ist die Killerapplikation für die Kunden – immerhin macht während der Lebensdauer eines Industrieluftkompressors der Stromverbrauch 82 Prozent der gesamten Kosten aus. Für die magnetisch schwebende Antriebswelle gab es den amerikanischen Industriepreis "Product of the Year" und eine Nominierung für den "Hermes Award", der kommende Woche auf der Hannover-Messe verliehen wird. Harald Härter ist sichtlich und hörbar stolz darauf, dass seine Ingenieure besser und schneller waren als die Konkurrenz:

    " Es gibt eine vergleichbare Technologie, die ich jetzt gesehen habe vor einem halben Jahr, in Korea, die aber noch nicht ausgereift ist."

    Die 110 Jahre Erfahrung bei der Herstellung von Druckluftkompressoren, die CompAir hat, lassen sich eben schlecht einholen: Es war am 1. Januar 1900, als die Herren Pokorny und Wittekind in Frankfurt am Main eine kleine Maschinenfabrik übernahmen und sich auf Kompressoren und Pressluftwerkzeuge spezialisierten. Aus Pokorny & Wittekind wurde die Frankfurter Maschinenfabrik und ein Weltmarktführer, der den Krieg überstand und anschließend mehrfach den Besitzer wechselte: 1955 kaufte die Demag die Frankfurter Maschinenfabrik, 1973 wurde Demag vom Mannesmann-Konzern übernommen. 1982 entschieden die Mannesmänner, ihre Press- und Druckluftspezialisten aufs Land zu schicken – nach Simmern im Hunsrück, wo das Gewerbegrundstück billig und die Autobahn doch nah war. Dann kaperte Vodafone den Mannesmann-Konzern, behielt den Mobilfunk und verkaufte die Druckluftsparte an den britischen Konkurrenten CompAir. Und CompAir wiederum gehört seit Herbst 2008 dem US-amerikanischen Maschinenkonzern Gardener Denver, womit die Globalisierung auch in Simmern ankam, was aber dem Erfolg des Unternehmens und seinem Blockbuster "Quantima" trotz des stolzen Einstiegspreises von 120 000 Euro erst einmal keinen Abbruch tat, sagt Harald Härter, im Gegenteil:

    " Die sogenannte "High Speed Unit", so nennen wir die, wird zur Zeit in Finnland hergestellt. Das hat auch damit zu tun, wir sind letztes Jahr ein bisschen überrascht worden, wie viele Anlagen wir eigentlich verkaufen konnten, obwohl wir eigentlich gar keinen Produktlaunch gemacht haben: Wir haben letztes Jahr über 50 Anlagen weltweit verkauft und hatten vielleicht einen Plan von 20, wir wollten anfangen. Und insofern hatten wir das von der Kapazität überhaupt nicht schaffen können."

    Doch der Boom ist vorbei, die Aufträge sind eingebrochen – weltweit. Und in Simmern sitzt Harald Härter in seinem Chefzimmer mit Blick auf die Hunsrückhöhenstraße und erklärt, dass die Krise diesmal auch an eigentlich krisenfesten Branchen wie der Druckluft nicht vorbeigeht:

    " Wir liefern wirklich von Neuseeland bis nach Feuerland, wir haben überall eigene Verkaufsorganisationen. Und hier können wir jetzt wirklich feststellen, dass wir weltweit eine Krise haben. Wir haben hier am Standort 450 Mitarbeiter und da werden wir sicherlich in zwei Monaten drüber reden müssen, wie unsere Kostensituation ist. Aber wir haben nicht das Bestreben, dass wir Mitarbeiter freisetzen, denn wir wissen ganz genau, wir werden über den Berg kommen, wenn auch erst nächstes Jahr. Dann wieder Mitarbeiter, qualifizierte Mitarbeiter zu suchen, gerade in dieser Region, ist sehr schwierig."

    Erst einmal will Harald Härter abwarten. Restrukturieren, das Produktportfolio verkleinern, will er jedenfalls nicht:

    " Es ist gut so, dass wir breit aufgestellt sind, dass wir Industrieprodukte über die ganze Bandbreite haben – vom Zahnarzt bis zur Schwerindustrie. "


    Links:

    CompAir

    Der Hermes-Award