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Mehr Konkurrenten für Putin

Putin, Mironow, Zjuganow, Schirinowski. Lange schien es, als würden nur die üblichen Verdächtigen zur Wahl in Russland zugelassen. Kurz vor Fristende haben nun die unabhängigen Kandidaten Prochorow und Jawlinski die nötige Anzahl von zwei Millionen Unterschriften erreicht.

Von Gesine Dornblüth | 18.01.2012
    Das Moskauer Hauptpostamt in Kremlnähe. Ein Plakat bedeckt die ganze Wand. Darauf das Porträt eines schlanken, hochgewachsenen Mannes: direkter Blick, offener Hemdkragen. Es ist Michail Prochorow. Der Milliardär will Präsident Russlands werden. Bereits Ende letzter Woche hatte er die nötigen zwei Millionen Unterschriften für seine Kandidatur beisammen. Seine Helfer sammeln trotzdem weiter, sie wollen auf Nummer sicher gehen. Eine von ihnen ist Maria Babitsch, sie studiert Sprachen.

    "Michail Prochorow setzt sich für kostenlose Bildung und für eine kostenlose Gesundheitsversorgung ein. Er verspricht, die Korruption zu bekämpfen.
    Er hat seinen Reichtum ehrlich erarbeitet. Nun soll er dem Land zu Wohlstand verhelfen."

    Michail Prochorow gilt als der drittreichste Mann Russlands.

    Eine Rentnerin betritt das Postamt, geht zielstrebig zu den Tischen mit den Unterschriftenlisten. Sie habe die letzten Male gar nicht gewählt, sagt sie. Dann holt sie ihren Pass hervor, trägt Name und Adresse in eine Liste ein. Sie heißt Olga Barinowa.

    "Von den anderen Politikern habe ich die Nase voll.
    Jetzt haben wir einen Kandidaten, der mir gefällt.
    Er ist schon reich und wird das Amt als Präsident nicht missbrauchen, um in die eigene Tasche zu wirtschaften. Er will dem Volk helfen."

    Beobachter rätseln allerdings, wie Prochorows Kandidatur zu bewerten ist: Ob der 46-Jährige wirklich in Opposition zu Russlands starkem Mann und Favoriten für das Präsidentenamt, Wladimir Putin, steht, oder ob er nicht vielmehr von Putin persönlich als Zählkandidat ins Rennen geschickt wurde. Er könnte rechtsliberale Stimmen binden und damit Putins Konkurrenten schwächen. Da könnte etwas dran sein, räumt sogar Prochorows Helfer Georgij Lawrenenko ein. Auch er ist Student.

    "Ich schließe das nicht aus. Alles ist möglich. Ehrlich gesagt mache ich hier mit, weil ich nach den Neujahrsfeiertagen Langeweile habe. Die Leute in Prochorows Truppe sind nett und interessant. Das ist besser, als zu Hause vor dem Computer zu sitzen."

    Zumal, wenn man so warm und bequem sitzt wie die Helfer Prochorows.

    Die Leute von Grigorij Jawlinski dagegen frieren wenige hundert Meter weiter auf dem Puschkinplatz. Sie haben einen Stand aufgebaut. Jawlinski ist der Kandidat der liberaldemokratischen Partei Jabloko. Zwei Frauen sitzen mit den Unterschriftenlisten im Schnee. Einige hundert haben sie an diesem Tag gesammelt. Sie sind schon froh, dass die Behörden sie nicht behindern.

    "Heute haben viele Leute unterschrieben: Junge und Alte. Einige kommen extra aus den Randbezirken, um Jawlinski zu unterstützen. Das ist heute eine sehr angenehme Atmosphäre."

    Jawlinski ist eine Randfigur, aber er ist hartnäckig. Seine Partei Jabloko ist nicht im Parlament vertreten, daher braucht er Unterschriften für seine Kandidatur. Noch am Samstag hatten ihm 400.000 gefehlt. Über das Wochenende kamen die nötigen zwei Millionen zusammen.

    Ein untersetzter Mann tritt an den Stand, Rollkragenpullover, offener Pelzmantel. Er zückt Pass und Kugelschreiber. Alexander Schwetz ist Geschäftsmann.

    "Jawlinski ist wohl der einzige Politiker mit Prinzipien. Er steht seit vielen Jahren für dieselbe Politik. Er ist wirklich unabhängig. Aber er wird nicht Präsident. Das ist klar. Präsident wird Putin."
    Grigori Jawlinski, Gründer der demokratischen Partei Jabloko
    Nur Außenseiter? Grigori Jawlinski, Gründer der demokratischen Partei Jabloko (picture alliance / dpa / Tass / Maxim Novikov)