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"Mehr Ministerium, weniger Medien"

Die Vorfälle bei der Bundeswehr kratzen am Image von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er sei ein herausragend talentierter Politiker, aber auch ein selbstverliebter Mann der Medieninszenierungen, sagt der Medienberater Michael Spreng. Der Minister müsse die Gewichte neu austarieren.

Michael Spreng im Gespräch mit Christian Bremkamp | 24.01.2011
    Christian Bremkamp: Meutereivorwürfe, geöffnete Feldpostbriefe, neue Hinweise zum Tod eines Soldaten in Afghanistan. Die Vorfälle bei der Bundeswehr sorgen weiter für Diskussionen und für zunehmende Kritik an Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Opposition im Bundestag wirft ihm vor, die Truppe nicht im Griff zu haben. Zudem beklagt sie die unzureichende Informationspolitik des Ministeriums. Am Telefon begrüße ich dazu jetzt den Politik- und Medienexperte Michael Spreng. Guten Tag, Herr Spreng.

    Michael Spreng: Guten Tag.

    Bremkamp: Das Image des Superstars scheint angekratzt. Irreparabel?

    Spreng: Zumindest bekommt es starke Kratzer, denn alle drei Affären zusammen haben ja etwas gemeinsam. Das ist der Eindruck, dass er sein Ministerium nicht richtig im Griff hat und dass die Informationswege nicht funktionieren.

    Bremkamp: Hat er es denn nicht im Griff Ihrer Meinung nach?

    Spreng: Es sind ja merkwürdige Dinge passiert. Er wusste frühzeitig, dass zum Beispiel bei dem Fall des toten Soldaten in Afghanistan ein zweiter Soldat im Spiel war, aber dennoch hat letzte Woche noch sein Parlamentarischer Staatssekretär das Parlament falsch informiert. Oder aber, er sagt noch am Freitag, es soll keine Vorverurteilungen geben, um dann am Abend des Tages nach einem Anruf eines "Bild"-Redakteurs, der ihn über neue Enthüllungen am kommenden Tag informiert, den Kommandanten zu suspendieren. Also das sind alles sehr willkürliche Entscheidungen und sie zeigen auf, dass die Informationswege im Ministerium offenbar nicht funktionieren.

    Bremkamp: Ist das alles nur Zufall, was wir gerade erleben, oder steckt da wo möglich mehr dahinter, eine Kampagne gegen zu Guttenberg?

    Spreng: Nein, das glaube ich nicht, aber natürlich hat jeder Politiker, der ein solcher Medien- und Wählerliebling ist, viele Neider und muss damit rechnen, dass die zurückschlagen, wenn er mal in Schwierigkeiten kommt. Im Bundestag gibt es mit Sicherheit eine Zweidrittelmehrheit der Neider im Falle zu Guttenberg. Solche Phasen werden dann ausgenutzt und in den Medien gilt ja auch das alte Paternosterprinzip, es geht mal hoch, mal runter, und wer hochgeschrieben wurde, wird auch wieder runtergeschrieben.

    Bremkamp: Erfährt zu Guttenberg denn aus Ihrer Sicht genügend Unterstützung aus den eigenen Reihen, oder eher zu wenig?

    Spreng: Offiziell ja. Wir haben ja gerade Herrn Kauder gehört. Aber nichtsdestotrotz grummelt es auch da, denn das Verteidigungsministerium ist per se ein skandal- und affärenträchtiges Ministerium, bei so viel Personal und so schwierigen Situationen, in denen die Soldaten sind. Das heißt, da muss sich ein Minister auch besonders drum kümmern. Das ist eine Hol- und eine Bringschuld. Deshalb hätte er zum Beispiel im Fall des toten Soldaten ja auch einmal selbst fragen können, was gibt es eigentlich Neues zu dem Fall, statt erst wieder durch einen Feldjägerbericht hochgeschreckt zu werden.

    Bremkamp: Sie kennen ja den Politikbetrieb in der Hauptstadt. Wie erklären Sie sich so was, dass der Minister da offenbar nicht richtig angeschlossen ist an sein Haus, oder es vielleicht auch gar nicht sein möchte?

    Spreng: Ja, gut, wenn ich bösartig wäre, würde ich sagen, er hat zu viel mit Medieninszenierung und Posen zu tun, dass er nicht dazu kommt. Aber ernsthaft gesagt, er hat ja viel zu tun. Er hat die Bundeswehrreform, die Verkleinerung, er will das Ministerium neu organisieren, es soll nach Berlin weitgehend umziehen. Also er hat sehr viel zu tun und er hat dabei offenbar etwas den Überblick verloren, und das muss er jetzt nacharbeiten. Seine Devise für die Zukunft kann nur sein, mehr Ministerium, weniger Medien.

    Bremkamp: Vermissen Sie ein klares Bekenntnis der Kanzlerin zu ihrem Verteidigungsminister?

    Spreng: Nun gut, Guttenberg ist ja nicht oder noch nicht in einer Situation, wo er jetzt besonders verteidigt werden muss. Außerdem Minister, die von der Kanzlerin verteidigt werden müssen, sind ja schon schwer in Bedrängnis. Ich finde, er sollte das Problem schon mal selbst lösen, denn gerade in Krisen zeigt sich ja, was wirklich in einem Politiker steckt.

    Bremkamp: Erst kündigt der Minister größtmögliche Aufklärung an, um dann von jetzt auf sofort den Kommandanten der Gorch Fock zu entlassen, ohne einen entsprechenden Bericht abzuwarten. Sieht so nachhaltiges Krisenmanagement aus?

    Spreng: Nein, so geht das natürlich auf gar keinen Fall. Es kann nicht sein, dass erst Vorverurteilung abgelehnt wird, eine Untersuchung angekündigt wird und dann, bevor es überhaupt eine Untersuchung gegeben hat, der Kommandant auf Anruf der "Bildzeitung" suspendiert wird. Das ist kein verantwortliches Handeln, sondern damit ist Guttenberg zum Getriebenen der Medien geworden, und das kann nicht die Aufgabe eines Ministers sein.

    Bremkamp: Der Medienprofi zu Guttenberg als Getriebener. Hat er aus der Kundus-Affäre nichts gelernt?

    Spreng: Ja, gut, in der Kundus-Affäre hat er ja die beiden, den Staatssekretär und den Generalinspekteur, gewissermaßen den Kritikern zum Fraß vorgeworfen, in diesem Fall den Kommandanten der Gorch Fock, aber diesmal geht das nicht mit Bauernopfern, und seien sie auch noch so hochrangig. Diesmal muss er die Affäre schon selbst bewältigen. Er ist jetzt ganz persönlich herausgefordert und damit hat er jetzt eigentlich genug zu tun. Da ist jetzt für Homestories keine Zeit mehr.

    Bremkamp: Mal etwas böser gefragt: Sehen wir hier vielleicht den wahren Karl-Theodor zu Guttenberg, der zwar gut für schillernde Geschichten ist, im Praxistest aber versagt?

    Spreng: Nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich finde, er hat sehr mutig und risikobereit die Bundeswehrreform angepackt und ja auch politisch durchgesetzt. Es ist wie bei vielen Politikern: Er hat zwei Seiten der Medaille, er ist schillernd. Er ist auf der einen Seite, glaube ich, schon ein herausragend talentierter Politiker, aber auf der anderen Seite auch ein selbstverliebter Mann der Medieninszenierungen. Er muss die Gewichte neu austarieren.

    Bremkamp: Aber wenn jemand ein Macher-Image nach außen hin aufbaut, dann muss er irgendwann auch mal machen?

    Spreng: Genau das muss er jetzt tun.

    Bremkamp: Herr Spreng, die Frage an Sie als Politik- und Medienberater. Was müsste der Minister denn jetzt tun – Sie haben es gerade angedeutet -, um aus dieser Sache halbwegs ungeschoren wieder herauszukommen, öffentlicher werden, mehr zugeben, oder was würden Sie ihm empfehlen?

    Spreng: Er muss sein Ministerium neu organisieren. Er muss aufräumen, er muss die Informationswege neu organisieren, es muss alles schneller werden, es müssen diese merkwürdigen Rituale abgestellt werden, es müssen die vorhandenen Fälle intensiv und unnachsichtig untersucht werden, und er muss jetzt der oberste Aufklärer sein. Er muss sich darum persönlich kümmern. Er kann keine Bauernopfer mehr suchen, sondern für ihn ist jetzt eine harte, arbeitsintensive Phase, und wenn er die richtig macht, hat er für Medieninszenierungen keine Zeit mehr.

    Bremkamp: Trauen Sie ihm das denn zu, dass er das schafft?

    Spreng: Ja. Ich halte ihn für einen klugen Menschen und er muss diese Klugheit besitzen, denn andernfalls könnte aus den Kratzern ein gefährlicher Karriereknick werden.

    Bremkamp: Michael Spreng, herzlichen Dank für diese Einschätzungen.

    Spreng: Danke auch.

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