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Mehr Privatheit wagen

Datensicherheit. - Wenn es nach der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech und den Beteiligten des "Internet Privacy Projekts" geht, sollen Anwender zukünftig über die Verwendung ihrer Daten mitbestimmen können. In dem Projekt untersuchten Wissenschaftler zusammen mit Unternehmen, wie sich eine "Kultur der Privatheit im Internet" entwickeln soll. Jetzt wurden die Ergebnisse präsentiert.

Von Jan Rähm | 18.05.2013
    Unternehmen, die Dienste kostenlos im Netz anbieten, verlangen vom Nutzer stattdessen Daten. Daten seien zu einer Art Ware und Währung der Netzwirtschaft geworden. Internetnutzer sähen das kritisch, würden gar bezweifeln, dass ihre Privatheit stets angemessen geschützt sei. So beschreibt die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Acatech den Ansatz des Internet Privacy Projekts, dass nach 18 Monaten im Juni zu Ende geht. Welche Fragen die Akademie mit dem vom Bund geförderten Projekt klären wollte, beschreibt Acatech-Präsident Henning Kagermann.

    "Was ist denn Privatheit? Ist es in Asien dasselbe wie hier? Ist es im Buddhismus dasselbe wie im Christentum? Hat sich das in den letzten zehn Jahren verändert? Wird sich das in zehn Jahren weiter ändern? Ist das eine universelle Größe? Hört sich einfach an, ist es nicht."

    Nur was ist Privatheit? Man unterscheidet Privatsphäre und Privatheit. Privatsphäre ist jener nichtöffentlicher Bereich, in dem sich ein Mensch von sich aus und unbehelligt von äußeren Einflüssen entfalten kann. Als Privatheit im Gegensatz dazu wird bezeichnet, was ein Mensch von sich aus nach außen gibt, wie er sich darstellt, welche Rolle er einnimmt. Das kann, muss sich aber nicht unterscheiden, je nach dem in welchem Kreis er gerade kommuniziert. Das Individuum entscheidet, wie es sich darstellt und wie viel es von sich preisgibt. Das wollen Menschen auch im Internet entscheiden: Wie viel und was gebe ich von mir und wie preis.

    "Wir haben im Projekt gesagt, angemessene Privatheit muss nützen: Grundwerten, freie Selbstbestimmung, politische Partizipation und wirtschaftliches Wohlergehen. Und entsprechend haben wir das diskutiert und dann in den unterschiedlichen Bereichen Bildung, Technik, Wirtschaft und Recht Empfehlungen ausgesprochen, wie man zu einer solchen Kultur kommen kann."

    Johannes Buchmann, Professor an der TU Darmstadt hat das Projekt mit Teilnehmern aus Wissenschaft und Wirtschaft geleitet. Er ist zufrieden, dass am Projektende trotz der unterschiedlichen Interessen der Teilnehmer vier klare Empfehlungen zustande gekommen sind. Im Bildungsbereich mahnt das von ihm mit verfasste Positionspapier (PDF), Schülern aber auch Lehrern deutlich mehr Medienkompetenz zu vermitteln. In Sachen Recht empfiehlt es, einen Rahmen zu schaffen, um Diensteanbietern im Netz zu ermöglichen, verständliche Geschäftsbedingungen zu verfassen und eine Art Gütesiegel für einen vertrauensvollen Umgang mit Daten zu etablieren. Auch sollen Unternehmen in die Pflicht genommen werden, auf Wunsch des Nutzers eingestellte Daten regelmäßig sicher zu löschen. Die Empfehlungen für die Wirtschaft lauten, so Buchmann:

    "Die Wirtschaft muss Transparenz unterstützen. Die Anbieter müssen die Kontrollmöglichkeiten erhöhen. Anonyme oder pseudonyme Benutzung vielleicht unterstützen und schließlich aus unserer Sicht sollten sie hingehen und Zertifikate miteinander vereinbaren, die dann sagen und die sollen das auch regelmäßig benutzen, die dann sagen, dieses Unternehmen ist privatheitsfreundlich und das muss in einer Weise gemacht werden, dass die Leute da auch dran glauben."

    Die technische Empfehlung lautet, bei der Entwicklung von Software schon zu Beginn Privatheit und Privatsphäre zu berücksichtigen. Außerdem sollen sichere Kryptographie und Methoden für die anonyme Nutzung von Diensten bedacht werden. Die Teilnehmer aus der Wirtschaft sind mit den Empfehlungen durchaus zufrieden, so beispielsweise der Google-Ingenieur Wieland Holfelder.

    "Also ich denke zum einen sind die Empfehlungen ja durchaus auch was, was wir uns zu Herzen nehmen und wo wir auch schon durchaus, wenn man unsere Dienste anschaut, reagiert haben und viele der Funktionen, die hier in den Empfehlungen stehen, sind auch bei uns schon umgesetzt und wir werden uns sicherlich die, die noch nicht umgesetzt sind, genau anschauen und gucken ob wir die umsetzen können."

    Für den Nokia-Geschäftsführer Michael Bültmann stehen die meist sehr unverständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Vordergrund. Er unterstützt den Vorschlag des Positionspapiers, diese landläufig als AGB abgekürzten Bleiwüsten so zu kürzen, dass Nichtjuristen etwas damit anfangen könnten, und nicht nur ungelesen zustimmen.

    "Wir wollen ja gerade nicht, dass ein blindes Zustimmen erfolgt, sondern dass die Leute verstehen, diese und diese Information gebe ich weiter, die wird in der folgenden Weise verarbeitet und ich habe den konkreten Nutzen. Ja ich bin aufgeklärt. Ich bin informiert. Und nur dann kann ich entscheiden, aber das setzt eben auch voraus, dass man eben auch im Zusammenspiel mit dem Regulator Lösungen findet, dass eben diese Anforderungen, die heutzutage bestehen von rechtlicher Seite, das die in ein vernünftiges Maß gesetzt werden."

    Aber verständliche Geschäftsbedingungen sind nur ein Schritt hin zu einem Internet, das fair und auf Augenhöhe die Privatheit von Nutzern und Anbietern regelt. Alle Beteiligten hoffen, dass mit ihrem Papier, Änderungen diskutiert und in Angriff genommen werden und so das weltweite Netz ein Stück weit vertrauenswürdiger wird.