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Mehr Ratingagenturen erwünscht

Nach der Bonitätsabstufung zahlreicher Euroländer hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Urteil der Ratingagentur S&P angezweifelt. Waren noch im Vorfeld große Befürchtungen vor einer Herabstufung geäußert worden, legte man in Berlin heute demonstrative Gelassenheit an den Tag.

Von Theo Geers | 16.01.2012
    Ruhe bewahren und sich nicht verrückt machen lassen von der Herabstufung von gleich neun Euroländern durch die Ratingagentur Standard & Poors, das ist die eine Devise. Die andere zeichnete Bundesfinanzminister Schäuble heute früh schon im Deutschlandfunk vor:
    Alle Gesetze, mit denen Ratingagenturen an die kurze Leine genommen werden sollen, werden jetzt mit Hochdruck verabschiedet:

    "Ich glaube, dass solche Entscheidungen, wie wir sie am Freitag erlebt haben, den Prozess beschleunigen werden, wenn alle sehen, es besteht dringender Handlungsbedarf."

    Ginge es nach der Union, soll vor allem die seit langem diskutierte europäische Ratingagentur vorangetrieben werden, die den großen drei amerikanischen Agenturen Paroli bieten soll. Denn drei Ratingagenturen sind mindestens eine zu wenig:

    "Wenn sie statt drei Agenturen eine Vielzahl von Meinungen haben, dann ist Bedeutung von einzelnen Meinungen nicht mehr so gewichtig."

    Kündigt der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Meister an. Er will zudem, dass die EU-Kommission als oberste europäische Wettbewerbsbehörde das Gebaren von Moody's, Fitch & Co darauf untersucht, ob eine marktbeherrschende Stellung besteht.

    Mehr Konkurrenz soll bei Rating-Agenturen aber nicht nur den Wettbewerb beleben. Generell soll die Bedeutung, die bis jetzt den Bonitätsurteilen zukommt, sinken, so Wolfgang Schäuble:

    "Wir haben ja als Gesetzgeber zum Teil selbst die Rolle der Ratingagenturen verstärkt, indem wir für bestimmte Anlagen vorschreiben, dass sie ein bestimmtes Rating haben müssen. Wir müssen in der Banken- und Versicherungsaufsicht darüber nachdenken, wie wir die Rolle der Ratingagenturen auf das beschränken können, was sie tatsächlich sind."

    Das würde bedeuten: Banken und Versicherungen sollen künftig selbst stärker hinschauen, wo sie das Geld der Sparer und Anleger investieren, anstatt sich wie bisher fast ausschließlich auf die Bonitätsurteile der Ratingagenturen zu stützen. Ob all dies die Macht der Ratingagenturen wirklich bricht, steht dagegen auf einem anderen Papier. Moritz Kraemer, der Leiter der für die Länderratings zuständigen Abteilung bei Standard & Poor's Deutschland, blickt dagegen auf die 150-jährige Erfahrung seines Unternehmens und sieht die Entwicklung daher eher gelassen:

    "Wir sind zuversichtlich, dass unsere Marktrelevanz bestehen bleibt, ob jetzt die Ratings in der Regulierung stecken oder nicht. Einfach aufgrund der Tatsache, weil wir einen langen Trackrecord haben, der zeigt, dass unsere Ratings ein guter vorlaufender Indikator für Ausfallwahrscheinlichkeiten sind. Auf diese Marktrelevanz verlassen wir uns."

    Das dürfte auch für den Vorschlag der Union gelten, wonach die die EU-Kommission als oberste europäische Wettbewerbsbehörde prüfen soll, ob die drei weltweit führenden Ratingagenturen ihre Marktmacht ausnutzen.

    Keine unmittelbaren Folgen hat der Schock, den Standard & Poor's am Freitag ausgelöst hat, dagegen für den europäischen Rettungsschirm EFSF oder seinen Nachfolger ESM, der im Sommer stehen soll. Für die drei akuten Krisenländer Griechenland, Portugal und Irland reicht der EFSF völlig aus. Der ESM wiederum sei von den Urteilen der Ratingagenturen deshalb nicht so abhängig, weil er vor allem von den Kapitaleinzahlungen der einzelnen Euroländer lebe. Dieses Kapital jedoch soll allerdings schneller eingezahlt werden als bisher geplant, und so hat der Schock vom Freitag dann doch auch hier Folgen. Michael Meister:

    "Wir sind als Bundesrepublik zu allem bereit, den ESM so schnell wie möglich handlungsfähig zu machen, soweit unsere europäischen Nachbarn auch bereit sind, in gleichen Maße ihre Beiträge zu leisten."