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Mehr Recycling, weniger Müllverbrennung

Mit dem 1. Juni 2012 tritt ein neues Müllgesetz in Kraft. Die Kommunen haben dadurch quasi ein Monopol auf das Sammeln von lukrativen Abfällen, wie Glas, Papier und sonstige Wertstoffe. Sehr zum Ärger der privaten Konkurrenz.

Von Tonia Koch | 01.06.2012
    Es besteht kein Zweifel daran, dass die Kommunen in der Auseinandersetzung mit den privaten Entsorgungsbetrieben ihre Interessen durchgesetzt haben und einen klaren Punktsieg davongetragen haben. Bei lukrativen Sammlungen wie etwa bei Papier oder Metallen, haben die Kommunen zukünftig den Daumen drauf und dürfen als Erste zugreifen, sagt Bernd Selzner, Werkleiter des Saarbrücker Entsorgungsbetriebes und stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der kommunalen Unternehmen im Südwesten.

    "Falls Private und Gewerbliche sammeln wollen, geht es immer über die Genehmigungspflicht der Kommunen. Wenn die Kommune bereits ein System installiert hat, was haushaltsnah, getrennt einsammelt, dann ist es dem Gewerblichen quasi untersagt, eine weitere Sammlung anzubieten."

    Dieses vorrangige Zugriffsrecht für die Kommunen wurde von den Ländern erstritten. Die Kommunen hatten lautstark geklagt, dass private Entsorger beabsichtigten, sich bei der Müllentsorgung die Rosinen herauszupicken. Die private Wirtschaft hätte es lediglich auf lukrative Abfälle wie Glas, Papier und andere Wertstoffe abgesehen und für die kommunalen Entsorger bliebe lediglich die teure Restmüllentsorgung übrig so die Argumentation der Länder. Das aber sei nicht im Sinne der Gebührenstabilität, deshalb benötigten Städte und Gemeinden weitgehende Zugriffsrechte, die ihnen der Gesetzgeber auch gewährt hat. Sehr zum Ärger der privaten Konkurrenz. Diese hält die Einschränkung des freien Warenverkehrs auf dem Abfallmarkt für unvereinbar mit den europäischen Wettbewerbsregeln und hat sich deshalb bei der EU-Kommission in Brüssel beschwert. Die Argumente der privaten Entsorger seien zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, sagt die saarländische Umwelt- und Justizministerin Anke Rehlinger. Aber das deutsche Gesetz lasse dem Wettbewerb sozusagen eine Hintertür offen.

    "Insbesondere deshalb, weil es die Ausnahmemöglichkeit gibt, dann, wenn die Privaten nachweisen können, dass sie die Aufgabe sehr viel wirtschaftlicher erledigen können, ist die Möglichkeit gegeben, dass sie in die Entsorgungsstrukturen hineinkommen."

    Anders beurteilt die saarländische Umwelt- und Justizministerin die im Kreislaufwirtschaftsgesetz getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der Verwertung von Abfällen. Grundsätzlich gilt, alles, was wiederverwertet werden kann, sollte auch recycelt werden. Nur wenn sich keine Wiederverwendung anbietet, dürfen Abfälle verbannt werde. Die Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes lässt jedoch zahlreiche Ausnahmen zu. Wenn der infrage kommende Müll einen besonders hohen Heizwert aufweist, darf er auch dann in einer Müllverbrennungsanlage landen oder als Ersatzbrennstoff zum Beispiel in den Kraftwerken der Zementindustrie eingesetzt werden, wenn er wieder verwendbar wäre. Das muss geändert werden, sagen sämtliche deutschen Umweltverbände. Sie haben deshalb ebenfalls die EU-Kommission eingeschaltet, damit sie diese Regelung überprüft. Anke Rehlinger.

    "Es geht vor allem um den Grundsatz, dass eben eine stoffliche vor einer thermischen Verwertung stattzufinden hat, das muss noch einmal genau überprüft werden. Insofern hat auch die EU-Kommission im Rahmen des Notifizierungsverfahrens einen Hinweis gegeben, der sie daran zweifeln lässt, dass die Vorgaben von europäischer Seite in hinreichendem Maße widergespiegelt seien."

    Die saarländische Umweltministerin hält es für wahrscheinlich, dass die Bundesregierung das Kreislaufwirtschaftsgesetz nachbessern muss. Allerdings dürfte es weder Berlin noch die Länder damit eilig haben, denn die kommunalen Entsorgungsbetriebe haben in Deutschland viel zu hohe Müllverbrennungskapazitäten aufgebaut, die bereits jetzt mit inländischem Müll kaum mehr ausgelastet werden können.