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Mehr Schein als Sein

Informationstechnologie. - Am kommenden Montag, 1. Juli, soll es los gehen. Die schöne neue digitale Fernsehwelt mit der Multimedia Home Plattform soll für jeden empfangbar sein, der seinen Fernseher mit den nötigen Zusatzgeräten ausgestattet hat. Soweit die Theorie - in der Praxis bleibt der Bildschirm vielerorts dunkel und dort wo MHP funktioniert fehlt es an interaktiven Angeboten.

27.06.2002
    Von Wolfgang Nitschke

    Für den Fernsehzuschauer ist die Sache relativ einfach. Er kauft sich eine Zusatzbox im Elektrohandel und schließt diese Box so an, dass die Signale durch die Box zum Fernseher geleitet werden. In der Box ist ein Computer samt Betriebssystem integriert und das TV-Gerät dient eigentlich nur noch als Monitor. Theoretisch kann der Kunde dann digitale Dienste per Fernbedienung abrufen - ARD-Online statt Videotext z.B. oder er kann sich an TED-Abstimmungen direkt mit seiner Fernbedienung beteiligen. Zum Start am Montag wird das allerdings nur sehr eingeschränkt möglich sein, denn die digitalen Dienste sind so gut wie gar nicht vorhanden. Henning Wilkens, Geschäftsführer des Instituts für Rundfunktechnik, das den europaweiten Standard MHP mitentwickelt hat, spricht aber trotzdem vom Sendestart:

    Es geht los - nur es ist so, dass der Programmstart ein bisschen gleitend stattfindet. Es wird zunächst einige wenige Applikationen geben, der Onlinekanal wird umgestellt sein, bei ARD, so das man da schon was empfangen kann. Ich denke, in den kommenden Wochen wird es dann gemacht. Das ZDF hat sich einen späteren Eintritt vorgenommen, RTL ist aber schnell dabei - wie es bei Premiere aussieht wissen wir im Moment nicht.

    Empfangbar ist das Wenige aber auch nur mit der SAT-Schüssel. Wer terrestrisch fernsieht kann MHP erst in einigen Jahren empfangen und auch das Kabel bleibt zunächst multimediafreie Zone. Wilkens:

    Die Umspielung ins Kabel ist sehr unterschiedlich geregelt, teilweise geht gar nichts - das hat ein wenig mit der gesamten Kabelsituation zu tun. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse verhindern eigentlich eine Innovation.

    Hinzu kommen Probleme mit den Zusatzboxen - erstens sind die oft noch gar nicht in den Läden und die wenigen, die es bereits gibt, leiden unter Kinderkrankheiten. Wilkens:

    Das Problem ist, dass wir hier mit einer völlig neuen Technik in den Consumer-Markt gehen, und wir wollen natürlich nicht, dass der Teilnehmer ständig Systemabstürze hat, und deshalb müssen die Geräte stabil laufen. Das ist die eine Geschichte, die andere ist, dass sie interoperabel sein müssen. Wenn das Signal vom ZDF kommt, muss es gehen, und wenn es von Premiere kommt, muss es auch gehen. Und die Interoperabilität wird immer wieder mal im IRT überprüft und erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist kann man auch die Geräte in den Konsummarkt geben.

    Einzig mit den Sendern gibt es keine Probleme. Die Basisstationen sind startklar, die Testsendungen sind auf der Senderseite tadellos gelaufen und man kann am Montag den Regelbetrieb beginnen. Die Hoffnung liegt nun auf dem Weihnachtsgeschäft - dann sollen zuverlässige Zusatzboxen im Handel sein und auch ausreichend Dienste auf der Multimedia Home Platform angeboten werden, die den Kunden zum Umstieg locken. Bis allerdings eine Vollversorgung möglich ist werden sicher noch einige Jahre ins Land ziehen.