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Mehr Schutz für biologische Vielfalt

In der zweiten Maihälfte findet in Bonn die internationale Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt statt. Es ist also an der Zeit, sich des Themas anzunehmen. Verschiedene Umweltverbände haben das heute Vormittag getan und einen Forderungskatalog präsentiert.

Von Dieter Nürnberger | 18.04.2008
    Die großen Umweltverbände Deutschlands haben sich soeben sehr kritisch zur Politik der Bundesregierung geäußert. Hinsichtlich des Naturschutzes und auch der Biodiversität sei Deutschland allenfalls auf dem Papier eine Art Vorreiter-Nation. Und dieses Urteil betreffe fast alle Facetten dieses wichtigen Bereichs des Umweltschutzes. Man fordert somit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, dieses Anliegen einer verbesserten biologischen Vielfalt zur Chefsache zu machen, und dies nicht allein den zuständigen Ministern zu überlassen. In der biologischen Vielfalt sehen die Verbände nämlich einen Grundpfeiler einer intakten Umwelt. Man sieht natürlich auch Verbindungen zum Klimawandel, wer diesen stoppen wolle, dürfe die Natur nicht vergessen, sagt beispielsweise Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND:

    "Wir müssen Klima- und Biodiversitätsschutz verknüpfen. Die weltweite Vernichtung der Wälder ist verantwortlich für 20 Prozent des Klimawandels, die weltweite Vernichtung der Moore für rund 10 Prozent. Die Vernichtung der Böden auf dieser Erde schlägt ebenfalls mit 10 Prozent zu Buche. Dies alles hat aber nicht nur Auswirkungen für den Klimawandel, sondern auch für den Welthunger. "

    Man hat deshalb einen Zehn-Punkte-Katalog vorgelegt, der recht detailliert Forderungen auflistet, die nun einer raschen Umsetzung bedürfen. Dazu gehört beispielsweise auch der Gewässerschutz. Hier klagt man Bundesverkehrsminister Tiefensee (SPD) an, weiterhin unsinnige Projekte zu fördern, die teuer seien, wirtschaftlich wenig bringen würden, letztendlich aber die Natur in Deutschland zerstörten. BUND-Chef Hubert Weiger:

    "Derzeit werden wir auf diesem Gebiet mit einem der hirnrissigsten Projekte in Deutschland konfrontiert. Es geht um den Saale-Kanal für rund 70 Millionen Euro - an der Mündung der Saale in die Elbe. Jedoch hat auf der gesamten Saale seit zwei Jahren keine entsprechende Schiffsbewegung mehr stattgefunden. Ein voll ausgebauter Saale-Hafen in Halle ist seit zwei Jahren von keinem Frachter mehr angelaufen worden. Und trotzdem soll jetzt der Saale-Kanal im Saale-Mündungsgebiet realisiert werden. Andere Beispiele: die geplanten Staustufen an der Donau und vieles andere mehr. "

    Oder auch das europäische Schutzgebietsnetz NATURA 2000: Hier gäbe es auf dem Papier durchaus gute und geeignete Planungen, durch ein Verbundsystem den Naturschutz zu fördern, die Vielfalt auch zu erhalten. Doch nun gehe es um die Umsetzung - und da hapere es deutlich, sagt Hans-Joachim Mader, Präsidiumsmitglied des Naturschutzbundes Deutschland:

    "Deutschland trägt mit ungefähr 14 Prozent seiner Fläche zu diesem Schutzgebietssystem bei. Dass diese Flächen gemeldet wurden, ist wunderbar, doch müssen Managementpläne zur Umsetzung gemacht werden. Es besteht sogar die große Chance, dass die Konferenz dieses NATURA 2000-System als eine Idee oder Blaupause nimmt, um dies internationaler zu entwickeln. Da scheint es nun aber wie ein schlechter Witz, dass einzelne Bundesländer gerade dieses Projekt in Frage stellen. Hessen hat eine entsprechende Bundesratsinitiative losgetreten, flankiert von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen."

    Und solche Negativ-Beispiele würden zeigen, dass man hierzulande endlich auch eine konsequente Werte- und Lebensstildiskussion führen müsse. Ohne Änderungen im Verhalten jedes Einzelnen, auch der Wirtschaft, werde dieser Natur erhaltende Prozess nicht in Gang kommen. Und regelrecht skeptisch äußerte sich Hubert Weinzierl, der Präsident des Naturschutzrings, er hat bereits diverse Konferenzen in den vergangenen Jahrzehnten besucht, euphorisch ist er über die Aussichten für die Bonner Konferenz nicht.

    "Es ist alles gesagt. Was wir jetzt massiv einfordern, ist, dass endlich eine Phase der Umsetzung erfolgt. Es ist nämlich die letzte Chance - darüber ist sich auch die Wissenschaft weltweit einig - den aus dem Gleichgewicht geratenen Planeten zu erhalten."

    Mahnende Worte also im Vorfeld der 9. Vertragsstaaten-Konferenz zur biologischen Vielfalt in Bonn.