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Mehr Studierende in technischen Fächern

Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft hat im MINT-Herbstreport den aktuellen Fachkräftemangel im naturwissenschaftlich-technischen Bereich untersucht. Das Ergebnis: Die Akademiker-Lücke schließt sich, die Lücke bei Ausbildungsberufen nicht.

Von Philip Banse | 28.10.2013
    Den deutschen Unternehmen fehlen aktuell 121.000 Arbeitskräfte aus dem MINT-Bereich, also aus den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Dieser Fachkräftemangel koste Wachstum und sei ein Wettbewerbsnachteil. Das ist das Ergebnis des MINT-Herbst-Reports des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Diese Lücke – 121.000 leere Stellen – setzt sich so zusammen: Knapp die Hälfte der leeren Stellen verlangt ein Studium, grob die andere Hälfte eine berufliche Ausbildung. Das Problem: Die Akademiker-Lücke schließt sich, die Lücke bei Ausbildungsberufen nicht, sagt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Denn immer mehr Menschen studieren MINT-Fächer wie Mathematik, Informatik oder Naturwissenschaften. Zwar sei im September eine Lücke von gut 50.000 Stellen für MINT-Akademiker geblieben, die nicht besetzt werden konnten. Doch diese Lücke schließe sich, sagte Hüther:

    "Im akademischen Bereich tragen die ganzen Anstrengungen Früchte. Der Anstieg der Studierenden im MINT-Bereich ist deutlich und damit verändert sich auch hier die Aussicht auf die Lücke."

    Konkret heißt das: Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet damit, dass der Bedarf an MINT-Akademikern bis 2020 gedeckt werden kann – weil immer mehr Menschen Mathe, Informatik oder Naturwissenschaften studieren, aber auch, weil mittlerweile fast die Hälfte der Einwanderer nach Deutschland ein MINT-Studium hinter sich hat. Dass es bis 2020 genug Uni-Absolventen geben dürfte, um alle MINT-Stellen zu besetzen, bedeute jedoch nicht, dass jetzt ein MINT-Studium unattraktiv sei, sagt Michael Hüther:

    "Nein, es bleibt wichtig, das Signal zu senden, dass MINT-Fächer sehr attraktiv sind. Der Wachstumskern der deutschen Wirtschaft ist im industriellen Bereich verankert und dort, wo MINT-Qualifikationen eine hohe Bedeutung haben, ist die Innovationskraft hoch, sind die Löhne höher. Das bleibt eine Erfolgsgeschichte, da darf man sich jetzt nicht täuschen lassen davon, dass es im akademischen Bereich nicht mehr so drückt wie im Bereich der beruflichen Ausbildung."

    Denn für MINT-Stellen, die eine berufliche Ausbildung erfordern, fehlten im September gut 46.000 Menschen – fast genauso viele wie für Akademiker-Stellen. Doch diese Lücke bei der beruflichen MINT-Ausbildung schließt sich nicht, sagt Thomas Sattelberger, Chef der Industrie-Initiative "MINT Zukunft schaffen". 2020 würden der deutschen Industrie 1,4 Millionen MINT-Fachkräfte mit Berufsausbildung fehlen:

    "Große Sorge im Bereich der Meister, Techniker, Facharbeiter","

    sagt Sattelberger. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft beklagt, dass die Lücke – anders als bei den Akademikern – sich nicht schließe, weil die Zahl derjenigen, die eine MINT-Ausbildung beginnen, nicht steigen, sondern stagnieren:

    ""Hier müssen wir aus dem Bestand mobilisieren. Wir können nicht einfach Signale ins Ausland senden und warten, dass die Menschen zuwandern in die duale Berufsausbildung."

    Auch Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW bestätigt, dass die Akademiker-Lücke sich schließt und die Probleme vor allem in der Berufsausbildung liegen.

    "Allerdings ist es so, dass die Ausbildung von Facharbeitern, Schlossern, Elektrikern und ähnlichem ja den Unternehmen selbst obliegt im Rahmen der dualen Ausbildung. Wenn es da an Arbeitskräften knapp sein sollte, dann haben die Unternehmen sich das selbst zuzuschreiben."

    Das wissen natürlich auch die Unternehmen. Thomas Sattelberger von der MINT-Initiative der Industrie schlägt im Kern drei Lösungen vor. Erstens: Es gebe in Deutschland 1,3 Millionen Menschen ohne Berufsausbildung. Die müssten für MINT-Berufe gewonnen werden. Das sei jedoch nicht einfach, weil diese 1,3 Millionen Menschen ja oft arbeiten. Betriebe müssten daher berufsbegleitende Ausbildungen anbieten:

    "Beispielsweise in meiner früheren Firma bei der Telekom haben wir für Dutzende junge Frauen, zwei Tage die Woche war Berufsausbildung, inklusive Berufsschule, und drei Tage die Woche gingen sie ihrer Arbeit nach. Aber das erforderte eine ganz andere Form der Ausbildungsorganisation, eine ganz andere Flexibilität."

    Außerdem müsste im Ausland mehr für das duale Ausbildungssystem geworben werden, damit die Facharbeiter-Lücke – wie auch bei den Akademikern – durch Zuwanderung gestopft werden kann.