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Mehr Vertrauen schaffen

Nach Einschätzung von Matthias Mogge von der Welthungerhilfe zeigt der Druck der internationalen Gemeinschaft auf Pakistan offensichtlich Wirkung. Internationale Kontrolleure sollen die Verteilung der Hilfsgüter überwachen. Doch noch immer ist die Spendenbereitschaft gering.

Matthias Mogge im Gespräch mit Martin Zagatta | 18.08.2010
    Martin Zagatta: Versunkene Häuser und Straßen, in Pakistan soll jetzt schon ein Fünftel des Landes unter Wasser stehen. Kinder verhungern, es drohen Seuchen und die Helfer kommen offenbar auch deshalb nicht so voran wie sie sollten, weil die Spendenbereitschaft nicht so groß ist wie bei anderen Katastrophen. Dem will die Regierung in Islamabad mit der Hinzuziehung internationaler Kontrolleure jetzt entgegenwirken, so hat sie angekündigt.
    Mitgehört hat Matthias Mogge von der Deutschen Welthungerhilfe, ein erfahrener Helfer in vielen Krisenregionen. Er hat vor fünf Jahren nach dem Erdbeben in Pakistan dort auch das Helferteam geleitet. Guten Tag, Herr Mogge.

    Matthias Mogge: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Mogge, das Angebot der pakistanischen Regierung, internationale Kontrolleure dort ins Land zu lassen zur Kontrolle dieser Hilfe, ist das sinnvoll? Würde das etwas bringen für Ihre Arbeit?

    Mogge: Ich denke, das ist erst mal grundsätzlich sinnvoll zu beurteilen. Ich finde, man merkt schon, der internationale Druck auf die pakistanische Regierung, der ja kontinuierlich zugenommen hat, zeigt jetzt Wirkung. Die pakistanische Regierung weiß, sie ist unter einer großen internationalen Beobachtung und muss jetzt einfach auch zeigen, dass was passiert und dass den Flutopfern schnell und effizient geholfen wird. Insofern würde ich sagen, das ist gut, dass die pakistanische Regierung diese Beobachter zulässt.

    Zagatta: Glauben Sie, dass das die Spendenbereitschaft ankurbeln kann?

    Mogge: Da wäre ich vorsichtig. Auf jeden Fall nicht bei der pakistanischen Bevölkerung. Wie aus dem Bericht hervorgeht, gibt es ein ganz, ganz großes Misstrauen und ich denke, das kann man auch nicht durch ein paar internationale Beobachter wegwischen. Da wäre ich auch sehr vorsichtig, ob die Spendenbereitschaft hier in Deutschland durch so eine Maßnahme zunimmt. Ich denke, da muss die pakistanische Regierung auch selber noch viel, viel mehr zeigen, ganz konkrete Schritte einleiten, damit hier mehr Vertrauen geschaffen wird.

    Zagatta: Wie ist das mit den Spenden im Moment? Laufen die wirklich so schlecht? Wie sind da die Zahlen bei Ihnen, bei der Welthungerhilfe?

    Mogge: Na ja, sie laufen etwas besser. Wir haben 550.000 Euro direkt eingenommen. Über das Spendenbündnis, was wir ja haben, Bündnis Entwicklung hilft, liegen wir mittlerweile wesentlich höher, da liegen wir bei 5 Millionen Euro. Aber verglichen mit der großen Haiti-Katastrophe Anfang des Jahres ist das immer noch vergleichsweise wenig.

    Zagatta: Liegt es daran, dass Pakistan als ein Staat wahrgenommen wird, der Terroristen hilft, oder der zumindest nicht allzu intensiv gegen Extremisten vorgeht? Ist das der Grund?

    Mogge: Ich würde nicht sagen, das ist der alleinige Grund. Das mag ein Grund sein, aber ich denke, das ist auch vielleicht die spezielle Entwicklung dieser Katastrophe, die sich ja doch eher langsam entwickelt hat, die doch relativ im Vergleich zu Haiti wenig Todesopfer erst mal gefordert hat, wo man eine riesige Wasserfläche auch in den Bildern sieht und die Zerstörung, die darunter eigentlich vorherrscht, so gar nicht sichtbar wird. Ich glaube, da gibt es eine Menge Faktoren, auch wahrscheinlich: Es ist im Moment Urlaubszeit, viele Menschen sind gar nicht da und können ganz praktisch einfach auch nicht helfen.

    Zagatta: Jetzt gibt es ja diese Vorbehalte – das haben wir in dem Bericht auch gehört -, dass die Hilfe, die da nach Pakistan geht, dort veruntreut wird. Sie selbst waren ja damals der Teamleiter der Welthungerhilfe in Pakistan nach diesem Erdbeben 2005. Unsere Korrespondentin hat gerade gesagt, oder in dem Bericht hieß es, damals seien 40 Prozent der Hilfsgelder veruntreut worden. Ist das eine Erfahrung, die die Menschen jetzt natürlich abschreckt?

    Mogge: Ja, das schreckt schon ab, wobei Hilfsorganisationen jetzt wie die Welthungerhilfe oder auch andere Welthungerhilfen, die das Spendensiegel des deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen haben, natürlich ihre Hilfe nicht über die Regierung leiten. Wir arbeiten ja ganz direkt mit uns sehr bekannten Partnerorganisationen zusammen.

    Zagatta: Sie sind auf den Staat gar nicht angewiesen dort?

    Mogge: Nein, nein. Wir koordinieren uns durchaus mit dem Staat. Wir sagen dem Staat, wo wir arbeiten, wo wir hingehen und was wir tun. Aber die Spendengelder, die an uns oder auch andere deutsche Organisationen gegeben werden, die gehen nicht in staatliche Hände, sondern da werden direkt Hilfsgüter gekauft, Nahrungsmittel, Zelte und so weiter. Die werden meistens auch vor Ort aufgekauft und dann werden die direkt mit LKW und so weiter in die Dörfer transportiert und dann wird das in einem sehr transparenten Verfahren an die Bevölkerung, an die Not leidende Bevölkerung abgegeben.

    Zagatta: Wie sieht Ihre Hilfe im Moment dort aus? Leidet die unter diesen mangelnden Spenden, oder haben Sie da Fonds, die Sie dann dafür verwenden können?

    Mogge: Na ja, wir sind sowieso erst mal in eine große Vorleistung getreten und wir sind dabei, im Moment das Geld einzusammeln, um diese Vorleistung auch etwas wieder zu kompensieren. Aber wir merken jetzt ganz deutlich, wir haben heute Morgen gerade eine große Anforderung bekommen, Planen zu kaufen, die man jetzt auf einmal nicht mehr vor Ort kaufen kann. Es gibt einen riesigen Bedarf an temporären Unterkünften mit großen Zelten und Zeltplanen, und offenbar ist der Markt schon leergefegt. Aber unser Koordinator sagt, da gibt es einen riesigen Bedarf an 50.000 Planen, und das ist eine Millionensumme, die das veranschlagt, diese Planen zu kaufen und dann dort hinzutransportieren.

    Zagatta: Wie gefährlich ist Ihre Hilfe eigentlich dort im Moment? Sind Ihre Mitarbeiter gefährdet, oder ist das in dieser Situation jetzt gar kein Thema?

    Mogge: Es ist vielleicht nicht das vordringliche Thema, es ist aber ein Thema. Sicherheit ist in Pakistan ein großes Thema und wir wollen alle sehr hoffen, dass nichts passiert, dass es keinen Anschlag oder Sonstiges gibt. Aber Sicherheit ist in Pakistan auf jeden Fall ein Thema.

    Zagatta: Und wenn Sie die Situation vor Ort so gut kennen, sind die Befürchtungen wirklich berechtigt, dass die Taliban, dass Extremisten jetzt von diesen Fluten, von dieser Notsituation profitieren?

    Mogge: Die versuchen, daraus Kapital für sich zu schlagen, aber unsere Einschätzung ist im Moment, dass die viel versprechen, aber ob die das wirklich halten können, ist die andere Frage. Unsere Erfahrungen vor Ort zeigen eigentlich, dass die Menschen sehr genau unterscheiden, wer verspricht nur und wer hält dieses Versprechen auch.

    Zagatta: Aber die haben doch auch Geld. Man hört doch immer wieder von großen Summen, die die dort zur Verfügung stellen.

    Mogge: Ja, das hört man. Aber wir haben ehrlich gesagt so noch nichts gesehen. Ich habe heute Morgen gerade noch mal mit unserem Kollegen darüber gesprochen, seine Einschätzung noch mal erfragt, aber er sagt auch, nein, nein, wir können das so eigentlich nicht bestätigen. Es wird gesammelt von auch islamischen Organisationen. Das sind aber keine radikalen Organisationen. Es wird Geld auch in Pakistan gesammelt, aber die werden nicht als radikal eingestuft.

    Zagatta: Matthias Mogge von der Deutschen Welthungerhilfe. Herr Mogge, schönen Dank für das Gespräch.

    Mogge: Bitte schön.