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Mehrarbeit gesucht

Allzu viel Zeit blieb nicht, vor der heutigen Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, aber auf diese gute halbe Stunde mochten weder die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft noch Sylvia Löhrmann, die Fraktionsvorsitzende der NRW-Grünen verzichten: Die beiden Duzfreundinnen waren etwas vor dem offiziellen Termin in die gerade erst vor wenigen Tagen wiedereröffnete Kunstsammlung des Landes Nordrhein-Westfalen gekommen.

Von Jürgen Zurheide, Melanie Longerich und Wolfram Stahl | 12.07.2010
    Gerade genug Zeit für eine kleine Runde gemeinsam mit der Museumschefin. Besonderen Eindruck hat bei beiden eine Installation mit großen schwarzen Wolken hinterlassen. Das aber wollten am Ende weder Kraft noch Löhrmann politisch gewertet wissen - und schon gar nicht auf ihr rot-grünes Bündnis beziehen.
    Die Kunstsammlung als Ort für die Unterschrift unter den
    89-Seiten-starken Koalitionsvertrag haben sie bewusst gewählt; die Worte inspirierend und Utopie fielen an diesem Vormittag häufiger als sonst. Am Ende freuten sich beide über das Werk, das sie mit einem grünen und einem roten Füller besiegelten. Beide strahlten, von Müdigkeit oder Ermattung nach neun Wochen zum Teil nervenaufreibender Gespräche war nichts mehr zu spüren. Auch nicht bei Hannelore Kraft, die inzwischen davon ausgehen kann, spätestens im zweiten Wahlgang am Mittwoch zur Nachfolgerin von Jürgen Rüttgers gewählt zu werden:

    "Man hat immer ein Fortkommen gesehen. Und solange man merkt, es geht voran, da lassen sich dann die letzten Kraftreserven doch noch mobilisieren."
    Dabei war der Weg in diese Minderheitsregierung alles andere als einfach. Es hat einige Tage gedauert, bis die rot-grünen Wunschkoalitionäre begriffen hatten, dass sie zwar die gefühlten Wahlsieger waren, ihnen zur Mehrheit aber eine entscheidende Stimme fehlte. Zunächst versuchten sie das zu ignorieren und verhandelten munter über ein rot-grünes Regierungsgerüst. Erst anschließend suchten sie sich den oder die möglichen Partner. Nach und nach gingen ihnen allerdings die Optionen aus:
    Die Linke war genauso wie sie es im Wahlkampf gesagt hatten, also weder regierungswillig, noch -fähig; eine große Koalition ging vor allem für die SPD nicht und schon gar nicht unter Rüttgers; die FDP hatte sich noch nicht gefunden und stand als Mehrheitsbeschaffer nicht bereit, obwohl Landeschef Pinkwart entsprechende Signale gegeben hatte.
    Am Ende blieb nur eine Minderheitsregierung, in die Hannelore Kraft eigentlich nicht gehen wollte.

    Sanfter Druck hat am Ende bewirkt, dass sie ihre Position veränderte. Früher hätte die Pressekonferenz, die Silvia Löhrmann zum Thema Minderheitsregierung gab, zwischen Roten und Grünen zu einem öffentlichen Streit geführt. Heute akzeptieren Kraft und Löhrmann wechselseitig ihre unterschiedlichen Positionen, ohne dass daraus große Konflikte werden:

    "Es hat sicher damit zu tun, dass sowohl Frau Kraft als auch ich eher unaufgeregt und vernünftig versuchen, die Dinge anzugehen, dass wir nicht Sachfragen zu Machtfragen machen, wo man dann nicht mehr mit Argumenten überzeuugen kann, sondern es nur noch um das Gesicht oder den Machtverlust von einzelnen Personen geht. Es hat sicher auch damit zu tun, dass es eine schwierige Zeit ist und dass es eine Herausforderung ist, jetzt diese Minderheitsregierung zum Erfolg zu führen. Wir können es uns gar nicht leisten, Energie zu verschwenden, die wir für die Umsetzung unseres Zukunftsprogramms für Nordrhein-Westfalen brauchen."

    Beide gehen unideologisch und ohne übertriebene Eitelkeiten an Sachfragen, das hat im Binnenverhältnis manches entspannt. Ob diese Eigenschaften freilich reichen werden, auch im Parlament mit wechselnden Partnern Mehrheit zu bekommen, ist nicht ausgemacht. Die Linke wird hin und wieder bereit stehen, darauf verlassen wollen sich Rote und Grüne allerdings nicht. Während die FDP im Moment auf radikale Opposition setzt, muss sich die CDU noch finden. Mindestens in Sachen Finanzen hört sich das nach harter Opposition an, wie der neue Fraktionschef Karl-Josef Laumann erklärt:

    "Was mir am meisten bei diesem Koalitionsvertrag auffällt und wo ich wirklich drüber besorgt bin, ist, wie leichtfertig die neue Regierung mit dem Haushalt – und das heißt mit den Staatsfinanzen in Nordrhein-Westfalen - umgeht. Ich kann in dem ganzen Koalitionsvertrag keinen einzigen Einsparungsvorschlag entdecken, aber ich kann sehr viele Vorschläge entdecken, wo man neues Geld ausgibt, was man ja in Wahrheit nicht hat."
    Auch beim Thema Zukunft der Schule geht die CDU auf Konfrontation, jede von rot-grün geplante Veränderung, wie das längere gemeinsame Lernen, wird von der CDU schnell als Angriff auf das Gymnasium gewertet. Dabei wollen Rote und Grüne genau das verhindern. Doch als wäre der Druck von dieser Seite nicht genug, zerrt die Linke aus der anderen Richtung. Ihre Kritik: Die angepeilten Veränderungen im Schulbereich kämen nicht entschieden genug. Sylvia Löhrmann, die designierte Schulministerin, legt allerdings Wert darauf, gerade die CDU mitzunehmen und darf hoffen, dass die christdemokratischen Bürgermeister auf dem Land die Gemeinschaftsschule schon wegen mangelnder Schülerzahlen durchsetzen werden:

    "Wir haben es ja so klug angelegt, dass wir in die richtige Richtung gehen und der demographische Faktor uns helfen wird, weil im ländlichen Raum die Bürgermeister – egal welcher Couleur – wissen, wenn wir nicht eine Gemeinschaftsschule haben mit allen Bildungsgängen, dann haben wir kein attraktives Schulangebot. Und diese Bürgermeister, die werden nicht jetzt die Anträge zurückziehen, nur weil es jetzt nicht mehr eine schwarze, sondern eine grüne Ministerin ist, die diese Projekte und diese Modellvorhaben auf den Weg bringen soll."
    Pragmatische Lösungen. Und Mehrheiten von Fall zu Fall. Das scheint die Aussicht für die Regierung in NRW zu sein. Wie lange das gutgehen wird? Fünf Monate oder fünf Jahre. Offiziell verkünden Löhrmann und Kraft, dass sie ihr Bündnis auf die volle Legislaturperiode anlegen, aber sie sind jederzeit bereit, die Wähler auch schneller zu befragen.
    Die Wähler, aber auch die Politiker werden wohl lernen müssen, mit dieser Unsicherheit zu leben. Denn Minderheitsregierungen wird es in Deutschland zukünftig wahrscheinlich häufiger geben - mit Erstarken der Linkspartei. Davon geht der Düsseldorfer Politikwissenschaftler und Parteienforscher Ulrich von Alemann aus:

    "In Deutschland haben wir nun ein Fünfparteiensystem auf absehbare Zeit. Und in diesem Parteiensystem wird eine einfache Mehrheit, eine große Partei mit einer kleinen Partei, kaum mehr möglich sein. Nur in Ausnahmefällen. Und deshalb müssen wir in Zukunft häufiger mit der Pflicht, mit der Notwendigkeit einer Dreierregierung rechnen. Und diese kommen eben viel schwieriger zustande. Und deshalb müssen wir dann eben eine Minderheitsregierung haben, bis sich dann doch eben wieder ein Bündnis bildet."
    Bislang sind Minderheitsregierungen noch selten - und meist von kurzer Dauer. Gut in Erinnerung ist noch der gescheiterte Versuch bei der Landtagswahl in Hessen vor zwei Jahren. Damals strebte die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti eine Koalition mit den Grünen an und wollte sich - vor der Wahl "niemals" - nachher dann doch von den Linken tolerieren lassen. Das Ende ist bekannt: Die SPD-Fraktion flog auseinander, weil vier Abgeordnete aus den eigenen Reihen Ypsilanti die Unterstützung verweigerten. Im Januar 2009 gab es Neuwahlen und Roland Koch durfte mit der FDP weiterregieren.
    Dabei hatte man in Hessen durchaus Erfahrungen mit einer Minderheitsregierung gesammelt: Nach der Landtagswahl 1982 stand Holger Börner gut drei Jahre an der Spitze einer SPD-Alleinregierung, ab 1984 mit Tolerierung der Grünen, bis sie ein Jahr später auch offiziell zum Koalitionspartner wurden: Als erste rot-grüne Landesregierung in Deutschland.
    Auch in Berlin lässt sich offensichtlich eine zeitlang ohne eigene Mehrheit regieren: 1981 stützte sich Richard von Weizsäcker als Regierender Bürgermeister auf einen CDU-Minderheitssenat - toleriert von einigen FDP-Abgeordneten. 1990 war es dann Walter Momper der als SPD-Bürgermeister ohne Mehrheit regierte, nachdem die Koalition mit den Grünen zerbrochen war. Und 2001 ließ sich schließlich Parteikollege Klaus Wowereit mit den Stimmen der damaligen PDS zum Bürgermeister wählen.
    Trotzdem: Politische Bündnisse ohne Mehrheit sind in Deutschland unbeliebt. Dabei schwingen auch die Erfahrungen aus der Geschichte mit. Deshalb schätzt Parteienforscher Ulrich von Alemann die Überlebensdauer von Minderheitsregierungen in Deutschland als eher gering ein. Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner widerspricht. Sein Argument: Die eigene Erfahrung:

    "Im Parlament passiert etwas heute fast Ungewöhnliches. Nämlich dass es dort wirkliche Auseinandersetzungen gibt, das wird ein stückweit mehr lebendige Demokratie. Denn es muss im Landtag ja erst mal verhandelt werden darüber, wer da noch zustimmt und wer da toleriert."
    Das Ergebnis kann sich, seiner Erfahrung nach, oft sehen lassen. 1994 brach der SPD-Politiker mit einem Tabu. Seine Regierungszeit wurde zum Namensgeber einer bis dahin unbekannten Form des Regierens: Beim sogenannten Magdeburger-Modell lässt sich eine SPD-Minderheitsregierung von der Linken tolerieren. Reinhard Höppner schaffte das acht Jahre lang. 1994 erst in Koalition mit den Grünen. Dann als denen 1998 der Sprung in den Landtag misslang, weitere vier Jahre mit einer reinen SPD-Minderheitsregierung. Diese Form des Regierens könne durchaus stabiler sein als eine Koalition, davon ist Reinhard Höppner überzeugt. Wenn die Voraussetzungen stimmen:

    "Das Geheimnis ist, dass man ein ordentliches Vertrauensverhältnis auch zu Abgeordneten im Landtag braucht, die einen tolerieren wollen. Das Zweite ist, dass man bedenken muss, dass im Landtag noch was passiert. Das dritte ist, dass man sich nicht darüber zu ärgern braucht, wenn man mal ne Niederlage erlebt."
    Denn dann müsse eben nachverhandelt werden, sagt Reinhard Höppner. Bestes Beispiel: Knackpunkt Haushalt. In Sachsen-Anhalt sei der SPD damals klar gewesen, dass die Entwürfe der Regierung nicht eins zu eins durch das Parlament kommen würden. Deshalb war schon in der Entscheidungsfindung die Position der PDS berücksichtigt worden. Für Höppner unproblematisch: Ob in einer Mehr- oder Minderheitsregierung. Da sei das strategische Spiel überall gleich:

    "Da muss man schlicht und ergreifend in dem Regierungsentwurf auch Dinge einplanen, die man beispielsweise zunächst sehr sparsam ansetzt, damit dann im Parlament noch Spielräume bestehen, um dem anderen auch einen Erfolg zu gönnen. Das heißt, das muss man können, auch den anderen, die sonst vielleicht das Gefühl haben, draußen zu sein, dass sie mitwirken können und auch Erfolge haben."
    Erfolge, die politische Projekte für die Landesregierung noch teurer machen – und damit letztendlich für die Steuerzahler im ohnehin sehr klammen NRW. Aber vielleicht ist das ein Preis, den es sich für SPD und Grüne zu zahlen lohnt. Immerhin: Eine rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen verändert die Machtverhältnisse im Bundesrat. Dadurch gewinnen Grüne und SPD mehr Einfluss auf die Bundespolitik als von ihren Oppositionsbänken im Reichstag möglich ist. Zwar bekam Kanzlerin Angela Merkel im Bundesrat auch bei schwarz-gelber Mehrheit schon Widerstand aus den eigenen Reihen zu spüren. Dennoch wird ihr die künftige Bundesratsmehrheit das Regieren bei zustimmungspflichtigen Gesetzen deutlich erschweren, meint der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer:

    "Es wird der Versuch möglicherweise für die im Bundestag befindlichen Oppositionsparteien größer, über den Bundesrat zu versuchen Initiativen zu machen und da auf die Regierungspolitik Einfluss zu nehmen. Und dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Regierung versucht, den Aufwand zu reduzieren, der getrieben werden muss, um beispielsweise die Bundesländer an Entscheidungen zu beteiligen. Aber das wird, auch wenn es völlig legal ist, immer den Widerstand der Opposition herausfordern, denn das sind ja gute Gelegenheiten, wenn man dann die Bundesregierung kritisieren kann."

    Deshalb hat auch die Bundes-SPD die Entwicklungen in Düsseldorf seit dem 9. Mai genau beobachtet. Jeden Montag stand das Thema auf der Tagesordnung. Zumindest öffentlich verzichtete die Parteispitze der Genossen aber auf Ratschläge und Kommentare. Die nordrhein-westfälische Landeschefin hatte stets das Heft des Handelns in der Hand, sagt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles:

    "Ich darf klar sagen, dass die nordrhein-westfälische SPD, das zu jedem Zeitpunkt selbst entschieden hat, selbst auch herauszufinden versucht hat, was geht in NRW, mit wem geht was? Und wir haben das im Grunde genommen begleitet, aber wir haben in keiner Weise jetzt die Richtung vorgegeben."
    Sagts und schaut verschmitzt. Die SPD-Generalsekretärin würde nie unumwunden eingestehen, dass die Parteispitze gern auf Hannelore Krafts Zickzack-Kurs verzichtet hätte. Deren ursprünglichen Plan, Jürgen Rüttgers weiterregieren zu lassen und ihn aus der Opposition zu attackieren, konnte die Berliner SPD-Führung nämlich gar nicht gutheißen. Schließlich ging es um die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, erklärt Politikwissenschaftler Gero Neugebauer:

    "Ich denke schon, dass da ein relativ breiter Konsens in der Bundesparteispitze war, Frau Kraft zu sagen: Deine Bedenken in allen Ehren, aber aus unserem Interesse heraus, aus dem Gesamtparteiinteresse heraus ist es besser, Du gehst in eine Minderheitsregierung - zumal ja auch die Kontrahenten im Land relativ schwach sind."
    Die SPD braucht diesen Erfolg. Auch für die Grünen ist die Regierungsbeteiligung wichtig. Aber dennoch ist die Ausgangslage der beiden Parteien eine andere. Die SPD ist noch immer nicht zu alter Stärke zurückgekehrt, auch wenn eine Umfrage vom Wochenende zeigt: Wäre an diesem Sonntag NRW-Wahl gewesen, dann hätte die SPD die CDU überholt. Am meisten zugelegt haben aber wieder einmal die Grünen. Sie sind weiter auf dem Höhenflug, die NRW-Landtagswahl war ein weiterer Beleg dafür. Für die Grünen ist die Koalition keine Liebesheirat, sondern die Gelegenheit, möglichst viele eigene Vorstellungen zu verwirklichen, was auch Parteichefin Claudia Roth immer wieder betont:

    "Ein Erfolg von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist der erste Stein, den wir aus der schwarz-gelben Mauer brechen."
    Für die SPD hingegen war die Konstruktion des Minderheitsmodells in Nordrhein-Westfalen eine schwierige Entscheidung. Mit der Duldung durch die Linke tut sich die SPD immer noch deshalb schwer, weil Union und FDP reflexartig unterstellen, als nächster Schritt folge eine rot-rot-grüne Koalition im Bund. Das würde aber auch voraussetzen, dass SPD und Grüne auf Bundesebene durch das Projekt NRW wieder näher zueinandergefunden haben – und sich wieder als natürliche Partner sehen. Das ist nicht zwingend der Fall, sagt Gero Neugebauer:

    "Weil innerhalb der Grünen sehr viel über andere Optionen gesprochen wird, sprich auf die CDU hin. Aber wahrscheinlich ist bei den absehbaren Stärkeverhältnissen, wenn man davon ausgeht, auch die FDP hat ihre 14 Prozent auf einem Höhepunkt erreicht und wird zu ähnlicher Stärke nicht aufsteigen, dass es durchaus zu einem Pakt von rot-grün kommen kann, der auch zu eine alleinigen Mehrheit führt."
    Bis diese Vision Realität wird, muss die SPD noch ein gutes Stück vorwärtskommen, meint Neugebauer. Die Sozialdemokraten profitierten gegenwärtig eher von der Schwäche der Union als von ihrer eigenen Stärke. Bis heute hänge ihnen die Verabschiedung der Hartz-Gesetze an, die sie in den Augen ihrer Wähler ihre einstige wirtschaftliche und soziale Kompetenz gekostet hat. Die Grünen hingegen seien deutlich besser aufgestellt:
    "Sie sind zurzeit besser mit ihren Fragen präsent, mit ihren Problemlösungen präsent. Und wenn es ihnen gelingen sollte, auch in wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen mehr Kompetenz zu kriegen, dann könnten sie auch ihre gegenwärtige gute Position, die sie in den Umfragen haben, behalten und gegebenenfalls ausbauen. Das ist wiederum das Problem der Sozialdemokratie. In wirtschaftspolitischen Fragen und auch in manchen sozialpolitischen Fragen warten wir wirklich auf zeitgemäße Antworten der Sozialdemokratie auf die Probleme, die die Leute bewegen."

    Und so bezieht die Partei die Kraft für die eigene Zukunft ganz maßgeblich aus dem Wahlergebnis von Nordrhein-Westfalen – obwohl sie selber Verluste hinnehmen musste. Trotzdem feierten sich die geschlagenen Genossen auch noch am Tag nach der NRW-Wahl im Berliner Willy-Brandt-Haus wie die Sieger:

    "Sie werden sich vorstellen können, dass der Tagesordnungspunkt 1 in der Präsidiumssitzung des SPD-Parteivorstands Jubel war."
    Über zwei Monate sind seit der NRW-Wahl vergangen. Die Angst zur nordrhein-westfälischen Ypsilanti zu werden ist bei Hannelore Kraft gewichen. Die Minderheitsregierung in NRW wird beweisen, dass beide Parteien politisch und kulturell die größten Schnittmengen besitzen und als Koalitionspartner zukunftsfähig sind, glaubt SPD-Generalsekretärin Nahles:

    "Bei allen Unterschieden ist Rot-Grün einfach das, was am besten zusammenpasst. Und das werden wir sicherlich auch in anderen Bundesländern ausloten. Wir werden sicherlich versuchen in anderen Bundesländern auch mit den Grünen wieder enger zusammenzukommen. Ich will Ihnen klar sagen, dass sich gerade zum Beispiel auch mit der gemeinsamen Nominierung von Joachim Gauck gezeigt hat, dass Rot-Grün so etwas wie ein Revival zur Zeit erlebt."
    Der Idee des SPD-Vorsitzenden, Sigmar Gabriel, es vielleicht auch mit einer rot-grünen Minderheitsregierung im Bund zu versuchen, erteilten die Grünen aber direkt eine Absage.