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Mein Klassiker
"Ein bisschen was von Bombast-Rock"

Als echtes Berliner Gewächs war Matthias Lilienthal, Intendant der Münchener Kammerspiele, in seiner Jugend im Glamrock zuhause. Später inspirierte ihn besonders David Bowie und seine Gabe, in verschiedene Rollen zu schlüpfen - für ihn eine Befreiung aus dem Westberliner Mief. Sein absoluter Klassiker: 'Heroes'.

Von Andi Hörmann | 29.03.2016
    Matthias Lilienthal, aufgenommen, am 16.09.2013 in München (Bayern).
    Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Ich bin Matthias Lilienthal und ich arbeite an den Münchner Kammerspielen. Mein musikalischer Klassiker ist David Bowies 'Heroes'.
    Ich bin ja so ein komisches Westberliner Gewächs und bin eigentlich aufgewachsen mit Glamrock. In meiner Schulzeit war immer die große Frage: Wer ist für T.Rex' Children of the Revolution und wer ist für Sweet? Ich war natürlich für T.Rex, das sieht man mir ja bis zum heutigen Tage an.
    Später war natürlich für Westberlin großartig als David Bowie nach Berlin kam. Und deswegen: Mein Lieblingstitel ist David Bowies 'Heroes'. Das ist begrenzt originell, aber das war in dieser Stadt, wo sich sonst nichts tat, da war das großartig, dass so eine Figur wie Ziggy Stardust nach Berlin kam, dass plötzlich diese Schwulen- und Gender-Grenzen aufgesprengt wurden. Und seitdem möchte ich gerne schwimmen können wie ein Delfin, deswegen ist das mein Lieblingstitel.
    Vorwegnahme der Gender-Diskussion
    Die Art und Weise wie er diesen Heroenstatus beschreibt, das ist par Excellence theatralisch. Und David Bowie hat ja in seinem Leben 40 verschiedene Rollen gespielt und hat immer wieder gesagt: Ich entwerfe immer eine vollständig neue Person und ich verändere immer alles. Das war ja die vollständige Vorwegnahme der ganzen Gender-Diskussion, ohne dass man es damals hätte so nennen können.
    Das hat ja so ein bisschen was von Bombast-Rock und das war ein extremer Gegensatz zu dieser straighten, weißen Rockmusik zu dieser Zeit. Gleichzeitig hatte es so ein bisschen diese Melancholie dieser Mauerstadt, wo Bonjour Tristesse das große Ding war und gleichzeitig dekonstruiert es diesen Star-Heroen-Bla-Bla-Bla ... In der Stadt waren ja immer noch die Spuren vom Zweiten Weltkrieg sichtbar, also diese ganzen Einschusslöcher. Die Stadt hielt sich eigentlich in einer Abstufung von Grautönen auf. Und da passte das Ding wie die Faust aufs Auge.
    "Das war jemand, mit dem man groß geworden ist"
    Wenn ich von einer Premierenfeier betrunken nach Hause komme, drehe ich mit Vorliebe meine Stereoanlage auf und beschalle noch mal das ganze Haus. Ich wohne in München über dem Baader Café und das macht immer bis nachts zwei, drei Uhr Krach - speziell freitags und samstags. Und insofern darf auch jeder der Bewohner Krach machen. Und dann höre ich das noch einmal durch.
    Man stirbt ja immer mit den Mitmenschen ein Stück weg. Und das war jemand, mit dem man groß geworden ist. Und plötzlich gibt es den nicht mehr.
    'Heroes' war für mich die Befreiung aus dem Westberliner Mief.