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Mein Klassiker
Franz Dobler: "Ich höre sie mindestens einmal im Jahr"

Eigentlich ist der bayerische Autor, DJ und Johnny-Cash-Biograf Franz Dobler für seine Liebe zur Country-Musik bekannt. Deshalb überrascht seine Auswahl für die Corso-Rubrik "Mein Klassiker": das Doppelalbum "Third" der britischen Experimentalband Soft Machine von 1970.

Von Andi Hörmann | 20.01.2015
    Franz Dobler, Schriftsteller, Journalist, DJ
    Franz Dobler, Schriftsteller, Journalist, DJ (imago / Christian Kielmann)
    Guten Tag! Mein Name ist Franz Dobler, bin im Hauptberuf Schriftsteller, habe aber immer wieder sehr viel mit Musik zu tun, bin auch schon lange DJ. Ich habe ausgesucht als meinen Musik-Klassiker ein Doppel-Album, das 1970 erschienen ist, von einer Band, die es heute nicht mehr gibt: The Soft Machine. Das war das dritte Album und heißt auch so: Soft Machine "Third".
    Jede Plattenseite hat genau ein Stück drauf. Das Ganze ist eine Mischung aus Jazz, aber nicht Jazz-Rock, was damals aktuell war. Sondern eigentlich sind so Pop-Elemente dabei, aber auch freie Formen. Es ist auch nicht Free-Jazz - es ist so ein Teil von allem. Mir fällt immer wieder was auf, was überraschend ist.
    Die Musik ist so außergewöhnlich, man kann die nicht einfach mal so hören, man kann die eigentlich nur konzentriert hören - man sitzt tatsächlich da und gibt sich dem akustischen Film hin.
    Ich bin wirklich glücklich, dass durch puren Zufall dieses Doppelalbum mein Leben wirklich verändert hat.
    Ich habe damals - da, wo ich herkomme - in der Provinz gelebt. War damals 16, fast 17. Wir haben immer mit vielen Leuten bei Mailorder bestellt, und ich hatte etwas ganz anderes bestellt, das die aber nicht hatten. Und dann haben sie das einfach reingelegt. Irgendjemand dachte, es ist eh egal, bei dem, was der bestellt - hab keine Ahnung, was das andere war -, oder vielleicht gefällt ihm das. Jedenfalls: Ich hatte das nicht bestellt. Es kam wirklich praktisch über mich geflogen - ohne jeden Plan.
    Es war dann natürlich auch schön, sich als Außenseiter zu fühlen, mit irgendwas, wo alle anderen sagen: Was soll der Scheiß? Wir kennen ja nicht mal alle Beatles-Platten oder Bob Dylan, oder keine Ahnung. Also das war völlig far out.
    Speziell durch Robert Wyatt gibt es eben ein langes Stück, "Moon In June" heißt das, das auch eine Song-Struktur hat, über 18 Minuten. Also vollkommen irre! Ich saß wirklich da, wie man sich das so klischeemäßig vorstellt - mit offenem Mund sozusagen - und war von der ersten Sekunde, oder Minute an total gebannt.
    Und heute ist es so: Ich höre sie mindestens einmal im Jahr. Gar nicht aus Prinzip, sondern anscheinend ist es wirklich der Zeitraum, wo ich sie vermisse. Und dann macht es auch großen Spaß, obwohl mein musikalischer Weg doch ziemlich anders verlaufen ist. Und eigentlich, wie damals, gehört die Platte nicht so ganz dazu.
    Ich koche ziemlich viel, und höre immer Musik dabei. Mit der Musik geht das glaube ich nicht. Deswegen: Einmal im Jahr höre ich sie dann komplett und finde sie nach wie vor eine der genialen Platten.
    Komischerweise habe ich die nie verschenkt. Ich glaube, ich wollte nie riskieren, dass jemand sagt: Hey, was soll ich mit dem Scheiß? Vielleicht muss man das selber rausfinden: man muss auf das stoßen und herausfinden, ob einem das gefällt oder nicht.
    Der bayerische Schriftsteller, Journalist und DJ Franz Dobler veröffentlicht seit 1988 neben Romanen und Erzählungen auch Sachbücher und ist Herausgeber verschiedener Musik-Kompilation. In seiner Arbeit befasst er sich mit popkulturellen und politischen Themen. Im Mittelpunkt steht häufig Kritik an konservativen Kräften im heimatlichen Bayern, aber auch die Zuneigung zu progressiven Figuren und sympathisch-schrägen Gestalten. Seine Liebe zur Country-Musik, die er Ende der 1980er-Jahre entwickelte, wurde immer mehr auch zum Thema seiner Autorentätigkeit.