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Mein Klassiker
Martin Brambach über Othello

Martin Brambach ist einer der präsentesten Schauspieler im deutschen Fernsehen: Zuletzt sah man ihn als nostalgischen Ermittler-Chef im neuen "Tatort" aus Dresden oder in "Der Fall Barschel". In der Reihe "Mein Klassiker" erzählt Martin Brambach von einer für ihn sehr prägenden Theatererfahrung. Es ist ein sehr bekanntes Stück, dessen Autor derzeit mal wieder in aller Munde ist, weil er am 23. April 1616 - also vor genau 400 Jahren - verstarb.

17.05.2016
    Der Schauspieler Martin Brambach hält sich die Hand am Kinn.
    Der Schauspieler Martin Brambach (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
    Mein Name ist Martin Brambach, ich bin Schauspieler, und mein Klassiker ist "Othello" - die "Othello"-Inszenierung von George Tabori am Akademietheater in Wien.
    Der Mohr, der Schwarze ist ein Feldherr und er hat eine sehr, sehr schöne Frau, er hat eine weiße Frau. Und der Jago ist ein Offizier an seinem Hof und der versucht, so gegen den Schwarzen zu intrigieren. Erst vernichtet er seine Kontrahenten und auch Vertraute des Othello, den er auch hätte wirklich vertrauen können.
    "Den Mohren hasse ich! Und es heißt auch, dass er in meinem Bett mein Amt versehen hat. Ich weiß nicht, ob es wahr ist. Doch ich will schon auf den Verdacht hin tun, als stünd' es fest."
    Es geht natürlich auch um die Fremdheit, um das Fremde. Und letztendlich hat so jemand wie der Jago keinen Grund, außer dass der Andere anders ist.
    Ein sehr aktuelles Stück - auch aufgrund der Ressentiments
    "Verschaff mir Gift, Jago, heute Nacht!"
    "Tut es nicht mit Gift. Erwürgt sie in ihrem Bett. In demselben Bett, das sie befleckt hat."
    Das ist ein sehr aktuelles Stück. Das hat natürlich was mit Ressentiments zu tun gegenüber Leuten mit einer anderen Hautfarbe, Vorurteile.
    "Mord, Mord, Mord! Du, Jago, er sagt, du hast gesagt, sie war ihm untreu."
    "Ich sagte ihm, was ich dachte. Und nicht mehr, als er selbst richtig fand - und wahr."
    Ich bin als junger Schauspieler nach Wien engagiert worden und das war für mich eines der größten Theatererlebnisse. Und auch bleibend, auch bis in die heutige Zeit hinein. Ich war vorher in Köln zwei Jahre und bin dann aber mit Anfang 20, also mit 21, ans Burgtheater gekommen, habe schon sehr früh angefangen, ich habe die Schauspielschule geschmissen, muss ich dazu sagen, in Bochum, dann bin ich 1989 bin ich nach Wien gekommen.
    "Er soll’s gestehen!"
    "Er hat es schon gestanden, dass er bei dir war."
    "Er wird das nicht sagen!"
    "Nein, sein Mund ist schon gestopft. Der ehrliche Jago hat schon dafür gesorgt."
    Fantasieräume aufmachen, die mich weiterbringen
    Das war für mich deswegen natürlich ein ganz prägendes und ganz wichtiges, ja, Erlebnis, weil das erst mal ein ganz großes Theater war, und dann - ich meine, man lernt den Beruf ja vor allen Dingen von Kollegen, indem man tollen Kollegen zuguckt und guckt, wie die das machen. Und Ignaz Kirchner ist ein ganz kollegialer, toller Schauspieler, der sich dann auch meiner angenommen hat. Der gesagt hat: Dann komm doch mal mit, begleite mich mal zu einer Vorstellung, dann zeige ich dir mal, wie ich mich vorbereite und - das fand ich wahnsinnig aufregend.
    "Schützt euch vor Eifersucht! Sie ist das grünäugige Ungeheuer, das unser Fleisch verhöhnt, ehe es uns frisst."
    Das Verblüffende war, dass der Ignaz am Ende, wenn Desdemona ermordet wurde und der große Satz kommt: Warum hast du das gemacht? Und der Jago diesen Satz sagt: Du weißt, was du weißt. - Da hatte der Ignaz rote Ohren auf der Bühne. Er hat das geschafft, als Schauspieler einen Zustand herzustellen, rote Ohren zu haben - Scham - so, und das fand ich einen so umwerfenden Moment.
    "Warum, was war dein Grund, dass du so umstrickt hast, meinen Leib und meine Seele?"
    "Ihr wisst, was ihr wisst. Von nun an spreche ich kein einziges Wort."
    Ich habe, ich besitze eine Videoaufnahme, eine VHS-Aufnahme, ich glaube, jetzt mittlerweile ist die schon verblasst, ich habe aber immer noch die VHS-Kassette und die habe ich mir zum Beispiel dann sehr regelmäßig vor Vorstellungen angeguckt. Um als Schauspieler mich anregen zu lassen. Um in mir Töne zu erzeugen, Räume in mir aufzumachen, Fantasieräume auch, die mich weiterbringen. Das dauert natürlich, bis man dann auch selber über die Mittel verfügt, das mal auszuprobieren oder man eine Rolle hat, wo man auch mal was ausprobieren kann. Das wäre auch sehr hochgestochen, zu sagen: Mensch, das habe ich alles nutzen können. So, weil das ist, finde ich, mit das Größte, was ich auf deutschen Bühnen je gesehen habe.