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Meinungsbildung
Tschechien im Fadenkreuz der Kreml-Propaganda

Unter dem Deckmantel unabhängiger Berichterstattung versuchen pro-russische Nachrichtenserver europaweit die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Der frühere Bruderstaat Tschechien steht besonders im Fadenkreuz dieser Kampagnen. Mehr als 40 Anbieter erschaffen dort ihre eigene Parallelwelt aus Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien und Fremdenangst.

Von Stefan Heinlein | 16.06.2016
    Blick auf die Karlsbrücke mit der Prager Burg und dem Veitsdom
    Blick auf die Karlsbrücke mit der Prager Burg und dem Veitsdom. (dpa / Sven Hoppe)
    Hetze gegen Flüchtlinge und gegen die staatlich gelenkten Mainstream-Medien. Minutenlang berichtet der tschechische Nachrichtenserver "Parlamentni listy" in seinen eigenen You-Tube-Kanal über eine Kundgebung der rechtsradikalen Arbeiterpartei DSS. Unkommentierte Reden und Bilder. Diese Berichterstattung des populären Nachrichtenservers hat System, so der Politikwissenschaftler Jakub Janda:
    "Das Vertrauen der Menschen in den pro-westlichen Kurs des tschechischen Staates soll untergraben werden. Es geht um eine Destabilisierung unseres politischen Systems durch die Manipulation der öffentlichen Meinung."
    Wochenlang haben Forscher der Universität Brünn die Arbeit der großen pro-russischen Nachrichtenserver in Tschechien untersucht. Über einhundert Webseiten arbeiten im Sinne des Kreml im tschechischen Netz. Der Beweis einer direkten Finanzierung aus russischen Quellen sei zwar schwierig, doch die Inhalte sprechen eine klare Sprache, ist die Wissenschaftlerin Petra Vejvodova überzeugt:
    "Sie vermitteln sehr subtil die russische Sicht der Dinge. Etwa während des Ukraine-Konfliktes oder jetzt in der Flüchtlingskrise. Immer geht es dabei auch um einen Angriff auf westliche Werte und die europäische Kultur."
    Putin populärer als Merkel
    Aus Sicht des Kreml ist Tschechien ein besonders viel versprechendes Propagandaziel. Die junge Demokratie steht noch auf wackeligen Beinen und die Ablehnung der europäischen Flüchtlingspolitik ist in weiten Teilen der Bevölkerung extrem hoch. Angesichts der aktuellen Krisen schwindet rapide das Vertrauen in die europäischen Institutionen. Eine Entwicklung die von höchster politischer Stelle in Tschechien bewusst gefördert wird, so der Politikwissenschaftler Jakub Janda:
    "Der tschechische Präsident Milos Zeman ist das Epizentrum dieser Desinformationskampagnen. Er gibt etwa den Pro-Kreml-Webseiten viele Interviews. Er ist also ein Verbündeter der russischen Propaganda. Für die User hat er eine Heldenrolle im Kampf gegen den bösen und maroden Westen."
    Die präsidial unterstützte Propagandaschlacht im Internet vergifte das gesellschaftliche Klima in Tschechien. Viele Bürger hätten inzwischen das Vertrauen in die etablierten Medien verloren.
    "Das führt zu einer schleichenden Erosion der demokratischen Institutionen. Die pro-russischen Server haben inzwischen großen Einfluss auf die Meinungsbildung vieler Bürger. Der Kreml hat es also immer leichter Einfluss auf die Politik in Tschechien zu nehmen."
    Tatsächlich gilt der russische Präsident vor dem Hintergrund der internationalen Krisen als ein Vorbild für Stärke und Durchsetzungsfähigkeit. Das Ansehen von Wladimir Putin ist in Tschechien inzwischen deutlich höher als die Popularitätswerte von Angela Merkel.