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Meister der Klassiker

Thomas Langhoff war kein szenischer Erneuerer, sondern ein Bewahrer. Er war ein Seelen- und Szenenerkunder, der dem psychologischen Realismus und einem Literaturtheater, vor allem des 19.Jahrhunderts, vertraute.

Von Hartmut Krug | 19.02.2012
    Zuerst war Thomas Langhoff Schauspieler: das war in den sechziger Jahren in Brandenburg und Potsdam und in den siebziger Jahren im DDR-Fernsehen. Dann aber, schließlich hatte er sowohl eine Schauspiel- wie eine Regieausbildung an der Leipziger Theaterhochschule genossen, wandte er sich der Regie zu und wurde zu einem der wichtigsten deutsch-deutschen Regisseure. Denn seit Mitte der siebziger Jahre erlebte er zum einen seine ersten großen Erfolge am Ostberliner Maxim Gorki Theater, zum anderen arbeitete er ab 1980 zugleich in Westdeutschland, vor allem an den Münchner Kammerspielen. Phänomenal, wie es Langhoff verstand, in zwei gesellschaftlichen Systemen mit seinen Inszenierungen analytische Tiefenbohrungen zu unternehmen.

    Thomas Langhoff war kein szenischer Erneuerer, sondern ein Bewahrer. Kein Regisseur, der einen wieder erkennbaren, ganz eigenen oder eigenartigen Stil pflegte, wie es manche postdramatische Regisseure tun. Er war ein Seelen- und Szenenerkunder, der dem psychologischen Realismus und einem Literaturtheater, vor allem des 19.Jahrhunderts, vertraute. Er zertrümmerte keine Stücke und aktualisierte sie auch nie äußerlich, sondern er schloss sie von innen her auf. Aus den Figuren und ihren Konflikten heraus, die bei ihm aber nicht museal, sondern stets sehr zeitgenössisch waren. Da konnte er 1989 durchaus mit George Taboris "Mein Kampf" sehr deutlich gegen neue Rechte und neuen Nationalismus eintreten und ein Jahr später, ebenfalls in Berlin, mit Shaws "Haus Herzenstod", eine egoistische Gesellschaft kritisieren.

    Langhoffs Autoren waren vor allem die Realisten: oft Hauptmann, Gorki, Ibsen, Strindberg und, vor allem, Tschechow. Und immer wieder Shakespeare. Kein Zufall, dass seine erste Operninszenierung, 1989 in Frankfurt am Main Brittens "Ein Sommernachtstraum" war.
    Theatergeschichte geschrieben haben seine Inszenierungen am Maxim Gorki Theater in den 80er-Jahren, so seine "Drei Schwestern" von Tschechow 1970 und seine Uraufführung von Volker Brauns "Übergangsgesellschaft" 1988, eine Parabel über das Zerfallen einer Gesellschaft.

    Thomas Langhoff wurde 1938 in Zürich geboren, wohin sein Vater Wolfgang, auch er Schauspieler und Regisseur, der als KP-Mitglied 13 Monate im KZ inhaftiert war, 1934 emigrierte. Die Langhoffs sind eine Theaterfamilie: nicht nur Thomas Bruder Matthias ist ebenfalls Regisseur, sondern auch sein Sohn Lukas, während der andere Sohn Tobias als Schauspieler arbeitet. 1991 übernahm Thomas Langhoff die Intendanz des Deutschen Theaters, die sein Vater zwischen 1946 und 1963 innehatte. In unsicherer Finanzlage sollte er dem Haus ein neues Profil geben, sollte im Ensemble und im Zuschauerraum Ost und West vereinen und zugleich das Profil des Hauses bewahren wie stärken. Als der damalige Kultursenator Radunski 1999 Langhoffs Intendantenvertrag nicht verlängerte, protestierte das Ensemble in einem offenen Brief dagegen. Doch Langhoff hatte zwar das Ost- und Westberliner alte und neue Bürgertum im Zuschauerraum zusammen geführt, doch nachhaltig neu und fest positioniert hat er das Haus nicht, trotz der Gründung der Baracke. Auch das Ensemble konnte er nicht zu der in DDR-Zeiten bewunderten Homogenität führen. Dabei standen beim Regisseur Langhoff stets die Schauspieler im Mittelpunkt, er war ein sensibler Schauspielerregisseur, der in München und Wien, Salzburg und Hamburg mit vielen großen Schauspielern gearbeitet hat. Zuletzt hat er mit Cornelia Froboess am Berliner Ensemble Tschechows "Kirschgarten" inszeniert. Doch da wirkte der Inszenierungsstil des schon schwer von seiner Krebserkrankung gezeichneten Langhoff, der oft zu Unrecht als altmodisch bezeichnet wurde, nun doch merkwürdig verstaubt. Doch was bleibt vom Regisseur Thomas Langhoff, ist die Erinnerung an einen Regisseur, der, indem er den Dramatikern vertraute, zahlreiche wunderbare Seelen- und Gesellschaftserkundungen auf die Bühne gebracht hat