Donnerstag, 25. April 2024

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Mel Gibsons "Hacksaw Ridge"
Der Krieg als Obsession eines Filmemachers

Mit "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" ist Schauspieler und Regisseur Mel Gibson zurück im Filmgeschäft. Der perfekt inszenierte Kriegsfilm erzählt die Geschichte eines realen Kriegshelden, der im Zweiten Weltkrieg als Sanitäter 75 Kameraden das Leben rettete. Eine Passionsgeschichte, die im Blut badet.

Von Hartwig Tegeler | 25.01.2017
    Desmond T. Doss (Andrew Garfield) mit Helm und Kampfanzug im Schützengraben
    Der Pazifist Desmond T. Doss (Andrew Garfield) ist der Held des WWII-Films "Hacksaw Ridge" von Regisseur Mel Gibson (imago/Zumba Press)
    Zweiter Weltkrieg. Eine US-Einheit in Ausbildung. Kurz vor dem Einsatz im Kampf gegen die Japaner. Und dann …
    "Es tut mir leid, Sergeant, ich rühre keine Waffe an."
    … dann ein falscher Mann am falschen Ort.
    "Vortreten, mein Junge, ich fürchte, ich habe mich gerade verhört. - Du bist ein Hosenscheißer, oder?"
    Keiner kann Desmond auch nur in Ansätzen verstehen; alle halten ihn für verrückt.
    "Sie verweigern aus Gewissensgründen und gehen in die Army. - Nein, Sir, ich kooperiere aus Gewissensgründen. - Sie verarschen mich, Doss? - Nein, ich habe mich freiwillig gemeldet. Ich kann nur keine Waffe tragen und keine Menschenleben nehmen."
    Falsche Einheit, keine Sanitäter-Ausbildung, die wollte Desmond eigentlich. Sondern gelandet ist er in der kämpfenden Truppe. Doch dieser Pazifist in "Hacksaw Ridge" kämpft für seine Rechte. Stoisch nimmt er die Prügel und Schmähungen seiner Kameraden und Vorgesetzten hin.
    "Gib mir das wieder - Bitte - Bitte! - Bitte, gib es zurück, Smitty! - Bitte, gib es zurück, Smitty."
    Höllenritt im Ausbildungslager
    Schon in der ersten Szene führt uns Mel Gibson mit einer blutigen Schlacht-Sequenz lustvoll - darauf wird zurückzukommen sein - die Welt vor, in der US-Soldat Desmond und seine Kollegen in der Schlacht um Okinawa landen werden. An diesem Hang, den sie hoch müssen, um oben die gut verschanzten japanischen Einheiten von einem strategisch wichtigen Hügel zu verjagen. Dann erst, nach diesem Vorgeschmack auf das große Schlachten, blendet Mel Gibson zurück und erzählt Desmonds Geschichte, erzählt, wie der traumatisierte und alkoholkranke Vater den tiefgläubigen Sohn quasi zum Pazifismus getrieben hat. Dann den Höllenritt im Ausbildungslager. Und schließlich die Schlacht auf dem Hang. "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" geht zurück auf die Geschichte des realen Desmond Doss, der fünfundsiebzig seiner Kameraden das Leben rettete. So wird auch dieser von Andrew Garfield gespielte Film-Desmond, nachdem seine kämpfenden Kameraden sich zurückgezogen haben, er, der Sanitäter, wird allein einen Verletzten nach dem anderen vom Schlachtfeld weg- und in Sicherheit bringen. Fünfundsiebzig, wie gesagt. So wird er zum Helden. Sam Worthington als Desmonds Vorgesetzter:
    "Ich habe in Ihnen nur eine Bohnenstange gesehen. Wusste nicht, wer Sie sind. Sie haben für unser Land mehr geleistet, als nur irgendjemand hätte leisten können. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so in einem Menschen getäuscht. Ich hoffe, eines Tages können Sie mir verzeihen."
    Perfekt inszenierter Kriegsfilm
    "Hacksaw Ridge - Die Entscheidung" ist ein perfekt inszenierter Kriegsfilm. Kein Antikriegsfilm, der Doss' pazifistische Positionen teilen würde. Im Gegenteil, muss man sagen, wenn man den Film auf sich nachwirken lässt. Denn der Pazifist ist für Mel Gibson nicht interessant als Pazifist, sondern als Außenseiter, der ohne Wenn und Aber, ohne Rücksicht auf jegliche Widerstände, seine Positionen konsequent vertritt, für sie kämpft und dabei stoisch, aber bestimmt, jede Schmach hinnimmt. Er steht mit anderen Worten das, was im Hollywood-Kino und im Werk von Mel Gibson zentral ist: ein Held. Der schottische Widerstandskämpfer gegen die Briten in "Braveheart" ist solch eine Figur ebenso wie Jesus in "Die Passion Christi" oder der Urwaldkrieger Pranke des Jaguars in "Apocalypto", Mel Gibsons Regiearbeit von 2006. Der Held - archaisches Konstrukt -, der sich in der Welt des Krieges umso heller, lichter, ausdrucksstärker beweist. Deswegen kann dieser Film über einen Pazifisten so schwelgen im Blut, ja, sich delektieren an seinen Gewaltbildern. Schlachten-Massaker, abgerissene Köpfe, ausgetretene Gedärme, zerhackte Leiber, spritzendes Blut, vor Schmerzen schreiende, brüllende Männer: Gibson bereitet das exzessiv und besessen in "Hacksaw Ridge" auf und erinnert mit diesen Szenen an die Folterung von Jesus Christus vor der Kreuzigung oder die von William Wallace in "Braveheart". Gibson inszeniert immer solche Passions-Geschichten, die in Blut baden. Und am Ende eben gibt es die Heiligsprechung des Helden, vor dem nun auch die sich verbeugen, die vorher den Pazifisten vorher schmähten:
    "Wir müssen morgen wieder rauf auf den Kamm. Mir ist bewusst, dass morgen Ihr heiliger Sabbat ist. Die meisten Männer glauben nicht auf die gleiche Art wie Sie. Aber sie glauben aus tiefster Seele an den Glauben von Desmond Doss. Was Sie da oben auf dem Kamm geleistet haben, war nahezu ein Wunder. Und die wollen ein Teil davon sein. Ohne Sie werden die da nicht raufgehen."
    Die Menschlichkeit seines unbewaffneten Sanitäters in der Schlacht von Okinawa interessiert Mel Gibson nur insoweit, als sich mit ihr dramaturgisch umso perfekter diese Geburt des Helden inszenieren lässt. Die Geschichte des Pazifisten und Humanisten, der tief durch Blut und Gedärme watet, um schließlich seinen Heiligenschein zu bekommen, das ist allerdings nicht eine realistische Abbildung des Zeiten Weltkrieges - so wird der Film ja durchaus als Parallelfilm zu Spielbergs "Saving Private Ryan" gefeiert -, nein, mit dieser weiteren Passions-Geschichte scheint Filmemacher Mel Gibson vor allem die eigenen Dämonen zu feiern. Darum geht es in "Hacksaw Ridge" und es hinterlässt einen ziemlich faden Beigeschmack.