Freitag, 29. März 2024

Archiv


Melancholischer Pop

Die Musik von Jack Bearegard wird gerne mit den Klängen der Pet Shop Boys oder Phoenix verglichen. Die beiden Musiker Pär Lammers und Daniel Schaub akzeptieren das zwar, meinen aber, es sei nicht geplant. Der Sound ihres neuen Albums hat immer etwas Leichtes und Unaufgeregtes.

Von Bernd Lechler | 08.06.2013
    Ist es nicht erstaunlich, dass so makelloser Pop ausgerechnet von zwei studierten Jazzinstrumentalisten kommt? Nö, sagen Pär Lammers und Daniel Schaub. Das sind einfach nur zwei Paar Stiefel.

    "Die allgemeine Meinung ist, dass, wenn man sich einmal mit einem Instrument auseinandergesetzt hat, es für einen das höchste der Gefühle ist, möglichst schnell und möglichst viel und möglichst Platz einnehmend da drauf zu spielen - wo für mich, und auch für uns glaub ich, schon lange klar ist, dass das uns einfach nicht interessiert. Als wir da studiert haben, hab ich mich eigentlich auch nur für Popmusik interessiert die ganze Zeit."

    Songwriting - das war die gemeinsame Faszination, als sie sich an der Musikhochschule in Amsterdam kennenlernten und dann auf einer Skandinavienreise die ersten Lieder schrieben.

    "Weil wir auf die gleiche Musik standen. Hauptsächlich Beatles eigentlich, haha."

    Damals. Heute klingen sie eher nach den 80ern, oder?

    Es liegt wohl an den Synthesizern und den Beats, mit denen sie eben keine Dance-Tracks bauen, sondern klassische Songs mit gern mal großen, jedoch nie aufdringlichen Refrains. Vergleiche mit den Pet Shop Boys oder Phoenix werden akzeptiert, aber: Konzept sei das alles keineswegs. Nicht mal, wenn im Song "The Harbour" das seit etwa 1988 stylepolizeilich untersagte Sopransaxofon solieren darf:

    Das kam eher zufällig bei Sessions mit befreundeten Musikern, nachdem sie gemerkt hatten, dass akustische Instrumente den Songs gut tun. Naja, und etwas Trotz.

    "Ein bisschen kommt auch dazu, dass es Spaß macht, Sachen zu machen, die nicht erlaubt sind. Also, Saxofonsolo ist ja eigentlich dermaßen verboten, dass es ... Jetzt aber dann deswegen zu sagen, nee, wie machen das nicht, ist ja Blödsinn. Da sagt man: Nee, wir machen da jetzt ein Saxofon-Solo drauf."

    Trotz wuchtiger Momente und Breitwandformat hat der Pop von Jack Beauregard immer etwas Leichtes, Unaufgeregtes. Und nicht ganz Greifbares - was vielleicht auch an den Texten liegt. Oder worum geht’s etwa in der ersten Single "Not That Kind", mit der ebenfalls nebulösen Dreiecksgeschichte im Video?

    "Was es ganz gut beschreibt, ist der Satz 'It’s not that bad, it’s not that kind', halt am Schluss so 'n Gefühl: Es ist schon irgendwie okay, wie’s ist, es ist jetzt nicht super, aber - irgendwie auch okay."

    Schon etwas vage. Aber gehört wohl zu diesem verträumt-melancholischen Jack-Beauregard-Faktor.

    "Außerdem will ich nicht Musik machen und den Leuten genau sagen, wie irgendwas zu verstehen ist. Die sollen schon noch Platz haben auch, das ist mir wichtig."

    Persönlich wird es trotzdem. Ein Song heißt "Cologne", nach Sänger Daniel Schaubs früherer Heimat, die er hier in goldenes Zwielicht taucht.

    "Ich liebe es da. Aber ich kann nicht wieder zurück, es ist fürchterlich. Ich find’s immer unfassbar herrlich, da zu sein, weil’s ein Zuhause-Gefühl ist und so, und auch die Menschen, die da sind, ist alles total super, aber es geht einfach nicht mehr, es ist vorbei."

    Wie die ersten beiden Alben von Jack Beauregard erscheint auch "Irrational" beim kleinen aber feinen Hamburger Label Tapete Records. Einmal haben sie ihre Indie-Welt verlassen und konnten für die ersten beiden Alben von Lena Meyer-Landrut komponieren - ohne sich groß verbiegen zu müssen:

    Wär doch auch ein guter "Song für Oslo" gewesen. Lammers und Schaub staunten vor allem über den Wirbel, den so ein mediales Großereignis entfacht.

    "Also wir haben vorher so was nie gemacht, und hatten dann zwei Stücke auf dieser Platte und waren dann gleich im Fernsehen und so, und in jedem Interview sprechen wir jetzt darüber, dass wir Songs für Lena geschrieben haben, was drei Jahre her ist. Und das mit dem Songwriting gab uns gar nicht so zu tun, da haben wir eigentlich nur gemacht, worauf wir Bock hatten, oder was wir dachten, was jetzt zu ihr passt."

    Wie lange begleicht einem so ein Auftrag die Miete? Keine Zahlen, klar.

    "Man kann damit natürlich Geld verdienen, aber wir haben uns jetzt keine Häuser und keine Autos gekauft. Vielleicht mal ne Gitarre. Und dann noch, dass man vielleicht mal für ein paar Monate die Miete drinnen hat. Reich sind wir auf jeden Fall nicht geworden."

    "Irrational" ist das dritte richtig gute Album von Jack Beauregard. Und wer kein verschrobenes Zeugs produziert, sondern eingängigen Pop, will natürlich schon mal in die Charts. Aber die beiden sind so angenehm verhalten wie ihre Songs und mit dem relativen Geheimtippstatus fürs erste offenbar ganz zufrieden.

    "Wir machen das natürlich auch nicht ausschließlich, um davon die Miete zu bezahlen, sondern, weil wir irgendwann damit angefangen haben und festgestellt haben, dass das so das ist, was uns am meisten am Herzen liegt und dass wir zusammen diese Musik machen können."

    "Wir hängen natürlich auch an Rückmeldungen. Wenn’s jetzt so wäre, dass das keinen interessieren würde und das niemand abfeiern würde, dann würden wir’s natürlich nicht machen. Aber wir haben ja die Erfahrung gemacht, dass es da irgendwie Leute gibt, die sich drauf freuen, dass es wieder ein Album gibt, und das motiviert natürlich. Das steht natürlich auch erst einmal im Vordergrund, dass man irgendwie sagt: Man hat ja vielleicht auch ne Verpflichtung! Der Musik gegenüber, hahaha!"