20 Jahre Neue Länder: Kräfte freigesetzt, die niemand vermutet hätte

26.08.2010
Ulrich Blum sieht den größten Standortvorteil der Neuen Bundesländer in ihrer Technologie-Offenheit. Es sei verheerend, wenn Unternehmer aus den alten Ländern im Osten entwickelte Hochtechnologie aufkauften und so 20 Jahre Aufbauleistung auslaugten.
Ulrich Blum, Präsident des Institutes für Wirtschaftsforschung Halle, sieht den größten Standortvorteil der Neuen Bundesländer in ihrer Technologie-Offenheit. Es sei verheerend, wenn Unternehmer aus den alten Bundesländern im Osten entwickelte Hochtechnologie aufkauften, Forschung abzögen und somit 20 Jahre Aufbauleistung auslaugten, sagte Blum am Donnerstag bei einer Veranstaltung von Deutschlandradio Kultur in der Dresdner Frauenkirche.

"Die SAPs der Zukunft sitzen in Ostdeutschland und sind gut aufgestellt." Die zentrale Frage des Aufbaus Ost in den kommenden zehn Jahren sei, ob man sie leben lasse, so Blum.

Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der EKD, verwies auf die Schattenseiten der Wiedervereinigung in den Neuen Ländern. "Dass jedes fünfte Kind in Ostdeutschland in Armut lebt, ist etwas, was wir nicht ausblenden können, wenn wir die schönen Häuser ansehen", betonte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags auf der Veranstaltung unter dem Titel "20 Jahre Neue Länder – Blühen die Landschaften?".

So sehr sie sich über den Architektur-Erhalt in den ostdeutschen Städten freue, habe Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl es versäumt, die Fantasie und das Engagement der Menschen vor Ort einzubinden. "Blühende Landschaften kriegt man nur, wo man sich was Neues einfallen lässt", so Katrin Göring-Eckardt. Es sei ein gigantischer Fehler gewesen, dass man nicht von Anfang an auf die Stärken der einzelnen Regionen geschaut habe.

Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, räumte ein, dass es trotz aller Erfolge noch nicht gelungen sei, alle Menschen im Einigungsprozess mitzunehmen. Insgesamt seien aber Kräfte freigesetzt worden, die niemand vermutet hätte. "Wir sind heute in einer Phase der Konsolidierung", so Tillich zum Aufbau Ost. "Heute schüttelt sich das zurecht, was überlebt, und heute steigt das aus, was keine Perspektive hat, weil es nicht wettbewerbsfähig ist."