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Kunst-Nahrung

Der appetitlich zerlaufene Käse auf der Pizza - ein Imitat aus Pflanzenfett. Was aussieht wie ein Schnitzel - zusammengepreßte Fleischreste, aufgepeppt mit Aromen. In den vergangenen Monaten mussten wir erfahren, dass eine Reihe von Lebensmitteln nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Sind die Lebensmittelchemiker Schuld, die das möglich machen? Oder die Verbraucher selbst, weil sie nur nach dem Preis kaufen?

Von Claudia van Laak | 15.09.2009
    Für Lebensmittelchemiker sind Analogkäse, Garnelenimitate und gekochter Schinken aus zusammengepressten Fleischstückchen mit Sülze ein alter Hut. Lebensmittelimitate gibt es schon immer, sagt Thomas Henle vom Vorstand der Lebensmittelchemischen Gesellschaft - Margarine zum Beispiel sei schließlich ein Butterimitat:

    "Die Thematik Lebensmittelimitate oder Analoglebensmittel ist nichts Neues und ist auch nichts Schlimmes. Es ist in der Regel so, dass diese Lebensmittel, wenn sie handelsüblich angeboten werden, vollständig korrekt gekennzeichnet werden, entsprechende rechtliche Vorgaben erfüllen, Verbrauchern normalerweise keine Probleme bereiten, wenn sie derartige Lebensmittel kaufen."

    Verbraucherschützer dagegen halten diese Imitate für gesundheitlich bedenklich. Zum einen seien sie oft durch Farbstoffe und Geschmacksverstärker aufgepeppt, zum anderen fehlten wichtige Vitamine und Mineralstoffe, die in den Originallebensmitteln enthalten seien. Thomas Henle, Professor für Lebensmittelchemie an der TU Dresden, sieht das anders:

    "Wenn ein Imitatkäse gemacht wird, in den hauptsächlich Wasser eingebracht wird, durch eine geeignete Verwendung von Dickungsmitteln, durch eine geeignete Verwendung von Zusatzstoffen, dann würde ich den aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht als negativ beurteilen, sondern er ist, was die Qualität anbelangt, minderwertiger. Ich würde immer sagen, ernährungsphysiologisch macht es relativ wenig Unterschied."

    Allerdings dürften die Verbraucher nicht getäuscht werden - wo Käse drauf stehe müsse eben auch Käse drin sein. Das ist nach Ansicht der Lebensmittelchemiker weniger ein Problem des Einzelhandels - hier können die Verbraucher die Inhaltslisten auf den Packungen studieren - als vielmehr ein Problem von Gastronomie und Thekenverkauf. Georg Schneiders vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt in Recklinghausen:

    "Es ist eben halt so schnell geschehen, dass einer diesen Beutel mit Analogkäse nimmt und denkt, den streue ich jetzt über die Käsebrötchen. Aber er dürfte die gar nicht Käsebrötchen nennen, er müsste eine völlig neue Bezeichnung erfinden. Auf dem Beutel steht vielleicht Pizzamix drauf. Das ist alles eben kompliziert."

    Auch für die Kontrolleure. Die gesetzlichen Vorgaben seien ausreichend, meint die Lebensmittelchemische Gesellschaft, die Politik müsse die Untersuchungsämter nur finanziell und personell besser ausstatten. Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure spricht von 1200 fehlenden Stellen. Thomas Henle fordert:

    "Es darf keinen weiteren Abbau geben. Die ständig auftretenden Verstöße in diesen schwer zu kontrollierenden Bereichen sind eine Folge der seit Jahrzehnten laufenden Sparmaßnahmen."

    Die Lebensmittelchemiker spielen den Ball allerdings auch zurück an die Verbraucher. Nirgendwo sonst werde so wenig Geld für Lebensmittel ausgegeben wie in Deutschland, seit Jahren gäbe es einen Preisverfall, der Preisdruck auf die Hersteller sei enorm, sagt Thomas Henle vom Vorstand der Lebensmittelchemischen Gesellschaft. Beim Kauf eines Autos achteten die Deutschen auf Qualität, beim Kauf von Lebensmitteln leider nicht:

    "Man könnte viele Probleme allein dadurch lösen, wenn unsere Bevölkerung bereit wäre, mehr Geld für Qualität auszugeben. Und zu erkennen, dass man für 59 Cent pro 200 Gramm, wo draufsteht Pizzakäse, keinen Käse bekommen kann. Das ist de facto unmöglich."