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"Da wird man leicht wütend"

Angehörige von psychisch kranken Menschen sind durch die Betreuung und Unterstützung ihrerseits oftmals selbst großem Stress ausgesetzt. Der kann auch manchmal zu heftigen Reaktionen führen. Das A und O: Auch Angehörige brauchen ihre Zeit für sich.

Von Martin Winkelheide | 07.06.2011
    "Bei mir geht es um meinen psychisch kranken Mann, der an einer bipolaren Störung leidet, einer manisch depressiven Erkrankung. In so einer manischen Phase, wo man dann als Angehöriger ganz besonders involviert ist und ganz besonders besorgt, ärgerlich und aufgeregt ist, da wird man leicht wütend und schreit ihn manchmal an. Aber diskutieren bringt an der Stelle gar nichts. Aber diese Wut, ja, die ist da, dass da auch jemand ist, der – obwohl er nichts dafür kann – mein Leben so beeinträchtigt, Mein Leben auch so verändert. Doch, ja, Wut ist häufig da."

    "Ich habe eine psychisch kranke Frau. Es ist ganz schlimm, wenn der Ehepartner krank wird, weil damit im Grunde genommen der Lebensplan, den man hat, kaputt geht, und man sieht, dass im Grunde genommen keine echte Partnerschaft mehr da ist. Meine Frau ist schizophren und sieht die Umwelt eigentlich anders als jeder normale Mensch."

    "Ich bin Mutter eines psychosekranken Sohnes. Bei meinem Sohn hat das so in der Pubertät angefangen, so ganz schleichend. Und ich habe verzweifelt um Hilfe gesucht, aber keine bekommen, weil keiner es erkannt hat – auch die Fachleute nicht – und mein Sohn dann sehr schnell auch keine Hilfe mehr annehmen wollte. Wenn, dann höchstens von mir. Und ich war ja die falsche Adresse. Ich bin seine Mutter, ich konnte nicht seine Therapeutin sein. Am Anfang habe ich mich dazu aber noch verführen lassen, weil ich dachte: Wenn sonst keiner ... Dann habe ich aber gemerkt: Der Schuss geht nach hinten los. Er klammert sich an mich, er will also praktisch unter die Rockschöße zurück."

    "Ich bin Mutter eines psychisch kranken Sohnes und bin seit fast 20 Jahren im Verein. Ich habe mir auch erst Schuldgefühle gemacht. Die berufstätige Mutter. Ich war also alles schuld in den Augen der Familie, der Nachbarn und so weiter. Heute sagen die selben Leute: Das hast Du richtig gemacht. Man hat mir im Verein den Mut gemacht, meinem Sohn aus dem Haus einen "gepolsterten Tritt" sage ich immer, zu geben und ihn in eine eigene Wohnung zu schicken. Und das war ihm anfangs sehr schwer. Und ich hatte auch Schuldgefühle, aber es hat sich letztlich als genau richtig erwiesen. Und der Abstand, der tut wirklich gut.

    "Durch das Verhalten meiner Frau, kann ich mich nicht so, wie ich das eigentlich möchte, um meine Enkel kümmern. Denn, da sie sehr schnell sehr ungehalten wird, kann ich schlecht die Enkel regelmäßig zu mir nach hause holen."

    "Ich plane immer noch für beide, plane aber auch sehr wohl für mich, und ich plane auch trennend. Das hat auch immer etwas mit der jeweiligen Krankheitssituation meines Mannes zu tun. Wenn es ihm sehr gut geht, können wir auch Dinge gemeinsam machen."

    "Ich möchte es Mal salopp ausdrücken: Ich bin richtig vergnügungssüchtig. Ich nehme jede Gelegenheit wahr, wo ich Dinge tun kann, die für mich angenehm und schön sind."

    "Ich kann meinen Sohn nicht krank gemacht haben, also kann ich ihn jetzt auch nicht gesund machen. Und dann habe ich mich entschlossen zu sagen: Dann drehe ich mich um und gucke Mal, ob ich mein eigenes Leben auf die Reihe kriege."

    "Ich fahre zweimal im Jahr für eine Woche in ein Kloster, wo ich wirklich in Ruhe und Stille in der Natur Ich sein kann."

    "Da gibt es unter dem Strich zum Glück auch immer noch diese Phasen, wo man auch gemeinsam was tun kann, wo ich dann auch dieses Gefühl habe: ja, es hat sich auch gelohnt, bei ihm zu bleiben."