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Bildung in der Tschechischen Republik

"Fern bleibe den Dingen der Zwang", so beschrieb der protestantische Prediger Comenius im 17. Jahrhundert das Prinzip der Erziehung. Dem Gelehrten und Bischof galt die Schule als "allgemeine Werkstätte der Menschlichkeit", eine Institution, in der alle in allem unterrichtet werden sollten. Noch heute spiegeln sich Ideale des Comenius im Schulwesen in den Transformationsprozessen in der Tschechischen Republik wieder, meint der Erziehungswissenschaftler Rainer Riedel von der TU-Dresden:

Jacqueline Boysen | 09.05.2003
    Auf Comenius sind alle stolz und es lohnt sich, auch heute eine Rückbesinnung. Gewinn ist es, auf ihn zurückzukommen in der Anwendung in den Schulen, das wird auch in den tschechischen Schulen so gesehen.

    Hier beruft man sich auf eine lange Tradition der Bildung für alle: Schon unter den Habsburgern konnten sich Böhmen, Mähren und die Slowakei eines modernen Schulwesens rühmen:

    Ich könnte anführen die Mädchen-Bildung. Das war ja eine Vorbereitung auf die klassische Rolle der Frau, aber es gab eben doch auch eine solide Bildung für die Mädchen.

    In den zwanziger Jahren erreichte die Reformpädagogik eine Blüte, konnte sich aber weder der nationalsozialistischen Gleichschaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, noch der sozialistischen Einheitsschule der CSSR erwehren. Nach der politischen Wende entwickelte sich in der jungen Tschechischen Republik ein variantenreiches Schulsystem mit einer neunjährigen Schulpflicht. Neben den Gymnasien stehen den derzeit 2 Millionen tschechischen Schülern drei Typen allgemeinbildender Schulen mit gleichwertigen Schulprogrammen offen. Die Kinder können von der sogenannten Gemeinde- zur Grundbildenden oder der Nationalen Schule wechseln. Das Gymnasium bietet unterschiedliche Ausbildungswege, eines aber ist gängig

    Was wirklich auffällt, alle tragen Pantoffeln.

    Anja Kraus vom Goethe-Institut in Prag beobachtet einen Wandel bei der Wahl der ersten Fremdsprache:

    Das gab es einen Wettlauf zwischen Deutsch und Englisch als erster Fremdsprache, den Englisch klar gewonnen hat, Deutsch ist seltener.

    Seit langem wird in Tschechien um ein zeitgemäßes Schulgesetz gestritten, das nicht zuletzt von der Debatte um den Weg in die EU beeinflusst wird, so Transformationsforscher Riedel

    Wenn man das Curriculum anguckt, dann hat die tschechische Entwicklung und Geschichte das schon ihren eigenen Platz. Vor allem hat man gesagt, man braucht eine hohe Allgemeinbildung, die sich mit den Spitzen der Welt messen lassen muss.

    Insbesondere die Ausbildung der zumeist unterbezahlten tschechischen Lehrer bedarf der Neuregelung, befindet Matthias Makowski, Leiter der Sprachenabteilung am Goethe-Institut:

    Das sind Grundschullehrer, die - wie auch manchmal bei uns - keine Ausbildung als Fremdsprachenlehrer haben, das heißt nicht, dass der Unterricht schlecht ist. Defizitär ist die Ausbildung, 70 Prozent sind ohne Germanistikabschluss, was das akademische betrifft, ist das natürlich schwierig.

    Bei aller Kritik an bremsenden Einflüssen im Schulwesen - das Transformationsland hat nicht zufällig in der PISA-Studie mehr als passable Ergebnisse erzielt:

    Die Weichen sind klarer gestellt, wäre es bei uns so, dann wären manche Probleme in Deutschland nicht so stark.