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Reich wird man dabei nicht

Auf den Gewässern von Havel und Spree rund um Berlin haben früher Hunderte von Berufsfischern ihr Geld verdient. Heute lebt nur noch ein rundes Dutzend von ihnen von der Fischerei. Schuld daran ist nicht zuletzt der Verbraucher, der überwiegend Edelfische mit nahezu grätenlosem Fleisch kaufen will. Für die wenigen Zanderfischer ist derzeit Hauptfangzeit: Die Saison geht noch bis April.

Von Vanja Budde | 10.03.2008
    Es wird gerade erst hell, als Fischer Jürgen Vaupel früh morgens zu seinen Fanggründen aufbricht. Der Viertakt-Motor seines Bootes kommt nur mühsam in Gang. Es ist sieben Meter lang und aus Stahl. Einen Namen hat es nicht. Jürgen Vaupel ist nicht der romantische Typ.
    Endlich läuft der Motor: Jürgen Vaupel und sein Freund und Helfer Willi Mandt tuckern los.

    "Wir fahren jetzt Richtung Potsdam, also auf die seenartigen Erweiterungen der Havel."

    Jürgen Vaupel, 63 Jahre alt, ist ganz in grünes Ölzeug gehüllt. Vor dem kalten Fahrtwind schützt ihn eine Mütze mit Ohrenklappen.

    "Wenn man jung ist meint man, einen trifft's nicht. Aber irgendwann kommen dann halt die Zipperlein - gerade in den Gelenken. Der Rücken kaputt, ja, aber das muss man halt weg stecken."

    Zwölf Reusen hat der Fischer auf der Havel ausgelegt. Über der Wasseroberfläche sieht man nur die bis zu neun Meter langen Holzstangen, die er als Markierung in den schlammigen Grund getrieben hat. Daran festgebunden hängen die Reusen. Jürgen Vaupel und Willi Mandt ziehen die erste mit rot gefrorenen bloßen Händen herauf. Laub und Äste haben sich in den drei Käschern der großen, braunen Reuse verfangen - aber auch Krebse und einige Fische. Zappelnd ergießt sich der Fang auf den Bootsboden . Fingerlange kleine Futterfische und Plötzen winden sich in der kalten Morgenluft, aber auch ein armlanger Hecht und einige Zander. Allerdings ziemlich kleine.

    "Unser Zandernachwuchs. Die setzen wir wieder zurück. Mindestens 45 Zentimeter ist das Schonmaß. "

    Auch die Futterfische wirft Vaupel zurück in die Havel. Die hat er eigens für die Raubfische wie Hecht und Zander eingesetzt.

    "Früher konnte man fast jeden Fisch, den we hier gefangen haben, vermarkten. Aber die sind heute auf Grund ihrer Gräten nicht mehr so populär. Der Verbraucher mag halt Fische, die wenig Gräten oder gar keine Gräten haben. Und da ist also der Aal, der nur die Mittelgräte, also die Wirbelsäule hat und der Zander, der eben auch ein fast grätenloses Fleisch bietet und dann eben noch sehr wohlschmeckend ist. "

    Im Winter und im Frühjahr ist der Zander seine Hauptbeute. Im Sommer und im Herbst fischt Jürgen Vaupel Aale, die dann im Fluss auf Wanderschaft sind. Fischmeister Vaupel stellt seiner Beute auch mit Netzen nach. Eins hat er vor der kleinen Insel Lindwerder versenkt. Das steuert er jetzt an. 350 feinmaschige Meter müssen Vaupel und Willi Mandt mit der Hand ins Boot ziehen. Weißfisch über Weißfisch hängt im Netz und muss mühsam herausgenestelt werden. Weißfische sind so genannte Abfallfische: Arten wie Brassen und Güstern, die sich massenhaft vermehren und auch gut schmecken, aber sich wegen ihrer vielen Gräten nicht verkaufen lassen. Weil sie aber die Raubfischbrut weg fressen und den Edelfischen die Nahrung streitig machen, fangen die letzten Berliner Fischer sie trotzdem. Und entsorgen sie in der Tierkörperbeseitigungsanstalt. Jährlich mehr als 200 Tonnen. Die Fische fliegen in eine blaue Plastiktonne, wo sie noch eine Weile herumzappeln, bis sie ersticken und Ruhe geben. Endlich findet sich auch ein stattlicher Zander im Netz: Einen halben Meter lang, 1200 Gramm schwer, schätzt Vaupel. Filettiert wird ihm der schlanke Raubfisch vier Euro einbringen, mehr nicht. Die Billigkonkurrenz aus Polen und neuerdings auch Russland verdirbt die Preise. Das ist aber nicht das einzige Problem.

    "Wir haben es hier mit Kormoranen zu tun, die uns das Leben schwer machen, die pro Tag 400, 500 Gramm Fisch verzehren und überwiegend den Aal in den Sommermonaten. Der greift also gewaltig in unseren Geldbeutel, denn der Aal wird bei uns besetzt, wir müssen ihn kaufen und heute kostet das Kilo Aalbrut zwischen 350 und 600 Euro!"

    Selbst wenn er an guten Tagen ein halbes Dutzend Zander fängt und im Sommer viele Aale: Reich wird Vaupel also nicht. Trotzdem möchte er die Fischerei seit 30 Jahren nicht missen.

    "Das ist die Freiheit. Man kann sich also den Tag einteilen und man ist eben sein eigener Herr! Und mich hat es immer zum Wasser gezogen. Schon mal der Geruch hat mich angezogen."